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E-Mail-Beziehung 2.0

Nach Gut gegen Nordwind hat das DT mit Alle sieben Wellen nun auch die Fortsetzung des Romans von Daniel Glattauer auf die Bühne gebracht. Das Ergebnins: eine gelungene Romanadaption und ein fröhlich-spritziger Abend.

Von Aline Schwarz

Im Keller des Deutschen Theaters in Göttingen herrscht eine gemütliche und entspannte Atmosphäre. Im Halbrund sitzen die Zuschauer, wie auf einem kleinen Balkon, an Tischen, auf Barhockern und auf in die Wand eingelassenen Bänken und unterhalten sich angeregt. Essen und Getränke stehen vor den meisten und das schummrige Licht schafft eine schöne, intime Atmosphäre. Passend, wenn man bedenkt, welches Stück die Gäste heute erwartet. Erneut gewährt das DT nämlich einen Blick in die Wohnungen von Emmi Rothner und Leo Leike. Das sind die beiden Protagonisten aus Daniel Glattauers Buch Alle sieben Wellen. Dabei handelt es sich um die Fortsetzung seines E-Mail-Roman-Bestsellers Gut gegen Nordwind, der bereits sehr erfolgreich auf der Bühne des Deutschen Theaters inszeniert wurde. Nun wagt sich Regisseurin Babett Grube auch an die Fortsetzung.

Ursprünglich war ein zweiter Teil laut Glattauer gar nicht geplant gewesen, aber auf Grund des Erfolgs und des Wunsches der Leserschaft, die sich mit dem Ende nicht zufrieden geben wollte, schrieb er diesen dann doch. Eigentlich geht es immer noch um dasselbe Problem. Emmi und Leo, die sich auf Grund eines Schreibfehlers bei der Eingabe der E-Mail-Adresse kennen lernten, haben durch ihren regen Schreibverkehr (und ja, man kann durchaus von einer gewissen Erotik sprechen) Gefühle füreinander entwickelt. Am Ende des ersten Teils steht das große, erste Treffen im echten Leben bevor, doch ehe es dazu kommen kann, schreibt Emmis Ehemann Bernhard eine E-Mail an Leo, in der er ihn bittet eine Nacht mit seiner Frau zu verbringen, um dem ganzen den Zauber des Unbekannten zu nehmen und den Kontakt dann einzustellen. Ob es zu dieser Nacht gekommen wäre, bleibt jedoch unklar, denn Emmi schafft es nicht zu dem Treffen und als sie Leo daraufhin eine E-Mail schreiben will, antwortet ihr nur eine automatische Nachricht, dass das Konto nicht mehr existieren würde.

»Willkommen zurück in der E-Mail-Beziehung.«

Doch wie bringt man eigentlich ein Stück auf die Bühne, in dem die beiden Charaktere nur via E-Mail kommunizieren? Der Text wird einfach exakt aus dem Buch übernommen. Klingt nicht so spannend, ist es aber. Die beiden Darsteller bringen die Geschichte so lebendig auf die Bühne, dass man oft denkt, sie würden tatsächlich miteinander sprechen, obwohl jeder in seiner eigenen Wohnung ist. Im Mittelpunkt der Geschichte steht immer noch die Beziehung der beiden Charaktere zueinander. Endlich steht das erste richtige Treffen in der realen Welt an und auch sonst gibt es einige alte und neue Wirrungen, die zu hitzigen Diskussionen führen. So weiß Emmi immer noch nicht, dass Ehemann Bernhard der Grund war, dass Leo ihr einige Monate nicht geschrieben hat und nach Boston verschwand und Leo hat sich von diesem Trip ein Souvenir mitgenommen – Pamela (oh ja, Emmi denkt auch an eine Blondine mit großem Busen). Dass die beiden trotzdem noch etwas füreinander empfinden ist klar, die Frage ist also: Leben wir weiter in der Vernunftpartnerschaft oder nehmen wir die siebte Welle, die unbekümmert und rebellisch, aber auch unberechenbar ist?

»Die siebte Welle verändert alles, nichts ist mehr wie vorher«

Die Besetzung ist zum Glück gleich geblieben. Vanessa Czapla und Ronny Thalmeyer zaubern die beiden Charaktere unheimlich greifbar und liebenswert auf die Bühne. Während Emmi sportlich-burschikos immer einen Spruch auf den Lippen hat und sich nicht von der Männerwelt einschüchtern lässt, ist Leo ein bisschen pummelig und unheimlich sympathisch, wenn er betrunken ist und auf dem Sofa umständlich versucht eine bequemere Position einzunehmen (natürlich nur in Unterwäsche).

Das Stück

nach dem Roman von Daniel Glattauer, Bühnenfassung von Ulrike Zemme
Inszenierung: Babett Grube
Dramaturgie: Michaela Oswald

Premiere:
13.04.2013

 

DT

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Das Deutsche Theater in Göttingen zeigt als größtes Theater der Stadt ein umfangreiches Repertoire auf drei Bühnen. Bereits seit den 1950er Jahren errang das DT unter Leitung des Theaterregisseurs Heinz Hilpert den Ruf einer hervorragenden Bühne. Seit 1999 garantiert Intendant Mark Zurmühle bewährte Theatertradition sowie Innovation.
 
 
Das Bühnenbild ist auch diesmal wieder minimalistisch gehalten. Ein Sofa, ein Tisch mit einer Lampe, ein kleiner Kühlschrank, eine Garderobe. Mehr braucht es auch nicht um die Geschichte von Emmi Rothner und Leo Leike auf die Bühne zu bringen, denn in der Vorlage haben sie auch nur jeweils einen Computer, der sie verbindet. Computer sind nicht auf der Bühne, aber das Sofa verbindet beide Wohnungen miteinander und sorgt so auch für einige Interaktionen der beiden Protagonisten. Der Kühlschrank wird von Leo gerne mal zur Belustigung des Publikums als Kleiderschrank bespielt, während Emmi vorzugsweise mit Buch oder Glas Wein im Schneidersitz neben ihrer Lampe sitzt. Da das Stück sehr dialoglastig ist, müssen beide Schauspieler tief in die Rhetorikkiste greifen, damit das Publikum weiter zuhört – und das meistern sie sehr geschickt. Nichts klingt auswendig gelernt oder einfach nur abgelesen, sondern hört sich tatsächlich an wie ein echtes Gespräch zwischen Mann und Frau. Unterstützt wird das von einer gut gewählten Mimik und Gestik, die natürlich theatertypisch ein bisschen überzogen, aber dennoch nie gekünstelt oder gestellt wirken. Dass die beiden Schauspieler selbst unheimlich Spaß an ihren Rollen haben, fällt besonders dann auf, wenn sie herausfallen. Da stört es auch gar nicht, dass mal der Text vergessen oder der Spielpartner mit einem nie zuvor gesagten Satz überrascht und zum Lachen gebracht wird. Es wird so lustig und geschickt überspielt, dass der Zuschauer sich eher freut auch noch diese kleine Bonuseinlage geliefert zu bekommen.

Was beim ersten Treffen passiert, wie sich die Beziehung der beiden weiterentwickelt und ob sie letztlich nur beim E-Mails-Schreiben bleiben, können Leute die bereits Karten haben diesen Juni noch erfahren, denn ansonsten sind die Vorstellungen leider komplett ausverkauft. Auf Grund der großen Nachfrage wird das Stück allerdings im Herbst wieder zurück auf die Bühne kehren. Sichern Sie sich also auf jeden Fall eine Karte, wenn Sie eine gelungene Adaption eines Romans auf der Bühne sehen wollen. Für Leute die weder das Buch noch das Vorgängerstück kennen, könnte es hier und da zu Verständnisproblemen führen, aber im Großen und Ganzen wird man schnell von der Geschichte mitgerissen (auch wenn man den ersten Teil nicht mehr ganz so genau im Kopf hat) und kann sich auf einen fröhlich-spritzigen Abend freuen.



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 Autor*in:
 Veröffentlicht am 25. Juni 2013
 Bild von Dirk Opitz mit freundlicher Genehmigung vom Deutschen Theater Göttingen
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