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Göttinger Szenen
Göttingens Glanzlicht

Im Oktober 1986 zog das Programmkino Lumière in die Geismar Landstraße 19 ein – eine Adresse, wo schon Einrichtungen wie das Junge Theater oder das Göttinger Symphonieorchester residierten. Katrine Hviid, die ein Semester als Erasmusstudentin an der Uni Göttingen studierte, zeichnet den Werdegang des Lumières nach und vergleicht das Profil des Programmkinos mit Kinos in ihrem Heimatland Dänemark.

Von Katrine Hviid

Kultur ist ein merkwürdiger Kauz – Mit dem Begriff Kultur kann man Zahlreiches in Verbindung bringen. Kultur ist theoretisch gesehen alles, was nicht Natur ist. Der Volksmund versteht unter Kultur zum Beispiel das Schauspiel, Geschichte, Kino, Kunst, Literatur oder Musik. Kultur ist vielfältig – aber für die Menschen eines Landes ist sie etwas, durch das sie sich von anderen Kulturen unterscheidet. Filme spiegeln die kulturellen Gepräge jenes Landes wider, in dem sie produiziert wurden, sei es durch die Sprache oder durch die Sitten und Gepflogenheiten.

Geismar Landstraße 19 als kultureller Mittelpunkt

Göttinger Szenen


In der Reihe Göttinger Szenen widmet sich Litlog in Reportagen, Berichten oder Kommentaren verschiedenen Orten und Milieus aus Göttingen. Die Beiträge entstanden im Rahmen eines Seminars zum Thema »Literatur und Journalismus« im Sommersemester 2010.
 
 
In Göttingen ist die Adresse Geismar Landstraße 19 vielleicht nicht allen gleichermaßen bekannt, aber für die Eingeweihten ist es ein Gebäude, das im Laufe der Zeit der Mittelpunkt für vier große, kulturelle Institutionen gewesen ist. Das Junge Theater, Barbara Monique Serf, das Göttinger Symphonieorchester und das Lumière haben sich in die Geschichte des Gebäudes eingeschrieben. Das Junge Theater war die erste kulturelle Institution, die ihren Sitz hier gehabt hat. Die bekannte französische Sängerin Barbara Monique Serf hat im Rahmen eines Gastspiels im Jungen Theater Göttingen besucht und dort ihre Hommage an die Stadt in Form des Liedes Göttingen geschrieben. Nachdem das Junge Theater an Grenzen räumlicher Art gestoßen ist, zog das Göttinger Symphonieorchester in das Haus ein. Im Laufe der Zeit wurden die Räume auch für das Göttinger Symphonieorchester zu eng und das Lumière bekam die Möglichkeit, das Haus vom Jungen Theater zu mieten. Obwohl das JT eine Zeit lang hier seinen Übungsraum gehabt hatte, baute das Lumière interessanterweise selbst eine Bühne im Saal ein, um den Raum besser auszunutzen.



Die Gedenktafel von Barbara Monique Serf am kulturträchtigen Gebaüde der Geismar Landstraße 19.

Kino für das Volk

Die Idee, ein Kino in einem eigenen Haus zu betreiben, wurde am 31. Oktober 1986 von verschiedenen Kinogruppen in Göttingen und im Umland in die Realität umgesetzt. Die Inspiration stammt aus dem Zentralen Hörsaalsgebäude, wo Studenten ein Campuskino gegründet hatten. Mit einem festen Boden unter den Füßen in 37083 Göttingen richtete sich das Lumière mit Kino und Café ein. Im Laufe der Zeit wurden Kino und Café getrennt, das Café wurde von einem Kollektiv übernommen. Heute heißt das Café Kabale; zudem gibt es im Keller des Kinos den T-Keller. Der Schwerpunkt des Lumière war darauf ausgelegt, anspruchsvolle Filme auszuwählen und gleichzeitig auch neue Veranstaltungen zu etablieren. Zwar wurden auch schon vor der Gründung des Lumière anspruchsvollere Filmveranstaltungen wie die Afrikatage durchgeführt, aber immer in geliehenen Räumen. Das Profil des Kinos bestand in den Anfangsjahren eher darin, jüngere deutsche Filme zu zeigen. Regisseure wie zum Beispiel Rainer Werner Fassbinder wurden oft aufgeführt. Heute wird man Rainer Werner Fassbinders Filme eher selten auf der Leinwand sehen, aber anspruchsvolle Kunstfilme stehen immer noch auf dem Programm.



Die Filmrollen im Vorführraum des Lumière.

Ein Besuch im Kino ermöglicht dem Besucher eine Denkpause vom hektischen Alltag und erlaubt ihm zu reflektieren. In einem Kino wie dem Lumière gibt es Filme für jeden Geschmack, jede Laune und besonders für die Sprachinteressierten. Die Filme, die hier vorgeführt werden, sind alle im Originalton und mit Untertiteln ausgestattet. Das sichert die Vielfalt des Films in einem Land, wo es die Norm ist, Filme nur auf Deutsch zu zeigen. Was in Deutschland eher außergewöhnlich ist, ist z.B. in Dänemark alltäglich. Und doch haben sich in den größeren Städten wie Århus und Kopenhagen Kinos eingerichtet, die fast dasselbe Profil wie das Lumière haben.

Kino in Århus, Dänemark

Der kulturelle Austausch wird auch im Kino Øst for Paradis hochgeschätzt und gefördert. Das Kino wurde nach dem Kinovorbild Vester Vov Vov in Kopenhagen aufgebaut, weil den Gründern in Århus ein außergewöhnliches Kino fehlte. Den Namen verdankt das Kino  dem ersten vorgeführten Film East of Eden. Im Archiv des Kinos tauchen Titel wie Goodbye, Lenin und Der rosarote Panther auf. Außerdem ist Øst for Paradis ein Europa Cinemas-Kino. Europa Cinemas wurde im Jahre 1992 als Organisation gegründet und war die erste mit dem Schwerpunkt, europäische Filme zu fördern und durch Netzwerke Filme zu verbreiten. Ziel ist es, das junge Publikum mit Hilfe von Filmen, Sonderveranstaltungen und Initiativen zu erreichen. Bei dem dänischen Pendant zum Lumiere ist eine der populären Veranstaltungen z.B. Sonntage im Paradies. Diese Veranstaltung am ersten Sonntag jeden Monats bietet Brunch mit zwei ausgewählten Filmen an. Außerdem wird das Publikum dazu aufgefordert, Decken selbst mitzubringen und seine Schuhe auszuziehen. Die Filme sind dabei  immer neu,  Goodbye, Lenin zum Beispiel lief als so ein Sonntagsfilm.



Das Kino Øst for Paradis in Århus.

Kino als Netzwerk

In Göttingen wird vom Lumière jedes Jahr ein Stummfilmfestival organisiert – als eine Erinnerung an die Klassiker. Die Stummfilme werden etwa vom Bundesarchiv oder von der Filmstiftung NRW ausgeliehen. Beide Organisationen unterstützen sowohl die Filmproduktion als auch die fertigen Produkte. Der Stummfilm ist ein Teil des Filmerbes und wird von den verschiedenen Institutionen gesammelt und aufbewahrt. Weitere Veranstaltungen sind unter anderem das Open Air Kino im Freibad oder Filmvorführungen im Deutschen Theater. Mit den Veranstaltungen in fremden Räumen erreicht das Lumière ein ganz anderes Publikum, das das Lumière überhaupt nicht kennt oder besucht hat.

Obwohl mit Kinos wie dem Lumière oder dem Øst for Paradis häufig Gedanken wie alt, altmodisch, rückständig oder verstaubt verbunden werden, stimmt dies mit der Wirklichkeit nicht überein. Beide Kinos haben größere Erneurungen der Technik und Möblierung durchgeführt, weil die Filme es einfach wert sind. Die beiden Programmkinos stechen besonders hervor bei der Importierung und Exponierung ausländischer Filme, die nicht unbedingt in Hollywood produziert wurden.

Der Filmaustausch zwischen den zwei Kulturen grenzt auf der einen Seite die beiden Länder voneinander ab. Auf der anderen Seite werden jedoch auch Ähnlichkeiten sichtbar – und das führt zusammen. Deswegen ist die Filmkunst ein wichtiger und förderungswürdiger Teil sowohl der dänischen als auch der deutschen Kultur.



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 Veröffentlicht am 14. April 2011
 Kategorie: Misc.
 Fotos von Katrine Hviid.
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