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indiebookday
In einem Satz vermittelt

Im Interview mit LitLog: Daniel Beskos, Verleger des Independent-Verlags mairisch und Erfinder des Indiebookday. Von ihm wollen wir wissen, wie es bestellt ist um die deutsche Kleinverlags-Szene, ob gesund und glücklich wirtschaften für einen unabhängigen Verlag möglich ist, und was hinter dem »Buch-Kauf-Feiertag« steckt. Das Gespräch findet am Indiebookday zur Mittagszeit statt.

Von Johanna Karch und Leonie Krutzinna

Leonie Krutzinna + Johanna Karch: Herzlich willkommen in Göttingen, Daniel Beskos. Du bist Verleger des mairisch Verlags und Erfinder des Indiebookday. Erklär uns doch mal, was der IBD ist und ob die Idee in Göttingen angekommen ist.

Daniel Beskos: Der Indiebookday ist heute und das Prinzip ist, dass man in einen Buchladen gehen und sich ein Buch aus einem kleinen oder Indieverlag kaufen soll und das dann irgendwo im Internet postet, entweder das Cover oder ein Foto von sich mit dem Buch. Ich bin heute morgen ganz früh in den Zug gestiegen und hatte seitdem kein Internet, bin also noch relativ ahnungslos, wie gut es läuft. Ich habe allerdings von meiner Kollegin mitbekommen, dass die Webseite zeitweise nicht erreichbar war, weil so viele Leute darauf gegangen sind. Ich bin sehr gespannt, heute Abend zu gucken, was alles passiert ist, aber meine Kollegen meinten schon alle, dass es ganz viele Postings mit Fotos gibt. Ich weiß aber nicht genau, ob die Idee hier in Göttingen auch angekommen ist, außer über das Netz. Ich glaube im Buchhandel noch nicht.

L. K.+J. K.: Wieso ist das Ganze so offen gestaltet, es gibt doch sicher auch Möglichkeiten, das Konzept breiter anzulegen? Man könnte zum Beispiel ein Motto mit einbauen oder die Buchhändler mit einbeziehen. Gibt es noch anschlussfähige Ideen?

D.B.: Es ging erstmal darum, das Ganze so rudimentär wie möglich zu halten. Es sollte einfach ein Feiertag des Indiebooks werden. Die Idee ist so einfach, dass man sie in einem Satz vermittelt hat und mehr sollte es erstmal nicht sein. Es wurde auch sehr unauffällig gemacht, wir haben eigentlich nichts getan, außer das facebook-Posting und die kleine Webseite und das hat sich dann verselbständigt, so dass plötzlich hunderte von Leuten mitmachen und ganz viele Buchhandlungen. Die springen natürlich dankbar auf diese Idee an. Das zeigt mir nochmal, wie einfach sie eigentlich ist, weil sie so gut funktioniert. Ich finde es auch ganz gut, dass man das Konzept so offen lässt:

Das Datum steht fest, aber jeder kann daraus machen, was er daraus machen will. Ich will keine Vorgaben machen und ich wollte auch ganz bestimmt keine Liste von Verlagen nennen, die Indieverlage sind oder so was, weil ja oft auch ganz gern gefragt wird: Welche Verlage sind denn nun eigentlich Indieverlage?

Und dann fangen die einen an Listen aufzumachen und dann sagen die anderen: nein, da fehlt doch noch was und das wollten wir eben vermeiden. Wenn jetzt jemand aus Versehen ein Buch von einem großen Konzernverlag kauft, ja meine Güte, dann ist das halt auch passiert. Aber es ist trotzdem ein Buch-Kauf-Feiertag heute.

L. K.+J. K.: Wir wollen diese Frage trotzdem stellen: Was ist denn ein Independent-Verlag? Gibt es einen gemeinsamen Nenner dieser Verlage, bzw. reicht der gemeinsame Nenner ›jung und unabhängig‹ für so ein Gemeinschaftsgefühl? Wir denken zum Beispiel an die Leseinsel der Jungen Verlage auf der Leipziger Buchmesse. Das ist ja auch eine Art Zusammenschluss, trotz unterschiedlichster Programme.

D. B.: Dieses »jung« kommt beim Indiebookday gar nicht vor. Deshalb fühlen sich eigentlich alle Verlage angesprochen, die nicht Teil eines Konzerns sind – und das ist sehr weit gefächert. Von klassischen 68er Polit-Verlagen bis hin zu ganz neu gegründeten jungen Lyrik-Verlagen. Beim Buchmarkt geht es um die Konzernstrukturen im Hintergrund. Mittlerweile stehen nicht unbedingt verlegerische oder programmatische Überlegungen im Vordergrund, sondern ökonomische. Ich glaube, dass das bei vielen kleinen Verlagen noch nicht passiert ist, sondern dass die inhaltlichen Interessen noch immer auf Platz eins stehen, vor den vielleicht doch sehr drängenden finanziellen Interessen. Ansonsten gibt es aber keine richtige Definition, ich finde, alle Verlage, die sich selber als »Indie« oder »unabhängig« begreifen, können mitmachen. Theoretisch genauso zum Beispiel ein Verlag wie Aufbau, der drei Unterverlage hat. Das ist aber trotzdem ein Unternehmen mit 60 Mitarbeitern und in dem Sinne unabhängig. Bei Suhrkamp würde man wahrscheinlich über die Gesellschafterstruktur diskutieren. Mir ging es einfach darum, dass man einen offenen Feiertag schafft. Und das funktioniert wahrscheinlich deswegen so gut, weil man sich selber was kauft, was ja der totale Kapitalismus ist. Man muss ja nicht mal Geld spenden. Man kauft sich selber was und kann damit auch noch angeben. Und alle machen dankbar mit, na warum wohl?

L. K.+J. K.: Dadurch dass der Tag so vermarktet wird, geht es mehr um einen Stil oder um ein Image und nicht um das einzelne Produkt. Außerdem ist der Indiebookday sehr produzentenorientiert, welche Resonanz erhoffst du dir?

D. B.: Ich hoffe schon, dass die Bücher im Vordergrund stehen werden. Ich hoffe, dass heute Abend die Leute sagen »ich habe mir dieses Buch gekauft«. Dann guckt man sich das an und es gibt vielleicht sogar noch eine Begründung, weshalb sie das gekauft haben. Wir machen heute Abend auch nochmal einen Blog-Eintrag, in dem wir unsere sechs ausgewählten Bücher vorstellen, so dass man einfach die Bücher in den Vordergrund stellt und die Konzern- oder Indiebook-Überlegung in den Hintergund tritt und es mehr darum geht, dass man heute ein tolles Buch entdeckt hat. Da geht es auch um die persönliche Empfehlung, also dass man weiß, der oder die hat jenes Buch gekauft, dem vertraue ich und der hat dieses Buch gekauft, vielleicht interessiert es mich ja auch. Es geht darum, Vielfalt zu zeigen. Es gibt einfach noch unheimlich viel da draußen und so vielfältig man auch denkt, es gibt immer wieder jemanden, den man vergisst. Gestern zum Beispiel hab ich einen relativ bösen Blogeintrag gekriegt von so einem Fantasy-Forum, das sich beschwert hat, dass die Fantasy-Welt beim IBD ausgeschlossen würde und die ganzen relevanten Fantasy-Verlage gar nichts mitbekommen hätten, und warum die nicht benachrichtigt worden wären. Dann habe ich denen gesagt, dass niemand benachrichtigt wurde und dass sich da jeder selber informiert hat und dass die das dann zufällig nicht mitgekriegt haben. Es ist aber nicht so, dass sie außen vor wären.

L. K.+J. K.: Heißt das, es gibt auch Leute, die gegen eure Idee sind?

D. B.: Nein, das war jetzt nur eine negative und subjektive Rückmeldung. Es gab am Anfang die Frage, warum man das genau an dem Datum machen würde und warum ich mir das einfach so ausgesucht hätte, wieso der Buchhandel da nicht stärker mit einbezogen sei. Und dann habe ich gesagt, dass es auch für einen kleinen Verlag unheimlich schwierig ist, in den unabhängigen Buchhandel reinzukommen und der deshalb auch nicht mein erster Ansprechpartner ist. Mein erster Ansprechpartner sind die Leser und irgendwie geht´s darum zu sagen »Leute, kauft euch ein Buch! (Wenn ihr´s dann bei Amazon kauft, dann habt ihr zwar die Idee verpeilt, aber ihr habt trotzdem irgendwie mitgemacht.)«

L. K.+J. K.: Es gibt den Indiebookday auch in Amerika und du sagtest in anderen Interviews, dass der nicht Vorbild gewesen ist, sondern der Record Store Day aus England. Wie spontan kam dir denn die Idee des deutschen Indiebookday und war dir schnell klar, dass das jetzt im Alleingang von dir in Angriff genommen wird?

D. B.: Es war schon so, dass ich das relativ spontan festgelegt habe. Ich dachte mir, ich hätte gern einen Termin im Frühjahr, damit man dieses starke Herbstprogramm und Weihnachtsgeschäft außen vor lässt. Ich dachte, nach der Buchmesse wäre gut, dann kann man auf der Buchmesse schon mal davon reden. Das nächste Wochenende ist Ostern, das ist vielleicht nicht so gut, dann sind alle weg und dann dachte ich, der Samstag dazwischen, der passt doch gut. Das war die reine Willkür, wie die ganze Idee auch.

Man hätte auch mit anderen Verlagen reden können. mairisch steht zum Beispiel mit ungefähr zehn anderen Indie-Verlagen in relativ gutem Kontakt. Man hätte auch einen größeren Kreis aufmachen können und mit der Kurt-Wolff-Stiftung sprechen oder mit noch mehr Verlagen. Aber so was zerredet eine Idee ja auch gerne mal und ich dachte mir, wenn keiner mitmacht, macht keiner mit und wenn alle mitmachen, dann deswegen, weil sie die Idee gut finden. Also gibt es gar nichts zu verlieren dabei.

Dann habe ich gedacht, wir machen es jetzt einfach und so hab ich dann diese Webseite gebaut und das dann bei facebook gepostet und seitdem läuft es eigentlich, ohne dass wir was machen. Wir kommentieren natürlich manchmal facebook-Einträge oder auf Twitter macht Blanka ziemlich viel, aber wir haben ansonsten keine Arbeit. Wir haben jetzt noch einen Flyer gedruckt für die Buchmesse, wo wir das beworben haben. Ich wollte das Ganze ja eigentlich mit null € Budget durchkriegen, aber meine Kollegen waren der Meinung, wir bräuchten diese Postkarten, also sind wir jetzt bei 28€, glaub ich.

L. K.+J. K.: Das setzt ja eine recht Internet-affine Zielgruppe voraus. Wie ist das mit älterem Lesepublikum?

D. B.: Das Problem ist, dass es nicht ohne Internet funktioniert. Sowohl die Verbreitung, Bewerbung als auch das Posten der Inhalte geht gar nicht anders. Also in welcher Form sollte man das sonst machen? – Und die Älteren, die sind doch alle im Internet! Alle Eltern oder Schwiegereltern, die ich kenne, die haben auch ein iPad und machen damit rum. Ich glaube schon, dass das auch viele ältere Leute ansprechen könnte.

L. K.+J. K.: Wie viel kommerziellen und ideellen Erfolg und welche Art von Nachwirkung wünscht ihr euch?

D. B.: Ich glaube nicht, dass es für uns finanziell eine relevante Sache wird. Ich denke schon, dass ein paar Leute mairisch-Bücher kaufen werden, aber das werden wir kaum merken neben dem normalen Geschäft. Ich glaube aber, dass es insgesamt schon viele Leute sein werden, die das merken. Also Buchhändler zum Beispiel, wenn sie Aktionen machen. Ich bin schon erstaunt, wie viele Leute dieses Indiebookday-Schaufenster oder so einen Tisch gemacht haben.

L. K.+J. K.: Wie viele sind das denn?

D. B.: Auf facebook habe ich gestern kurz bei mindestens sieben oder acht verschiedenen Buchhandlungen geguckt. Da stand »wir sind ready for Indiebookday«, also Wahnsinn. Die hatten dann auch alle unser Logo ausgedruckt oder sogar fürs Schaufenster nachgestickt, was eigentlich echt ein Witz ist, denn das Logo war der allererste Entwurf. Da hatte ich einfach gesagt, »ach ja, passt schon, das nehm´ ich so!«. Dabei war es einfach nur der Screenshot, den ich zum Download zur Verfügung gestellt hab, also das ist auch ein bisschen absurd alles. Am Anfang war unser Verlagsname gar nicht auf der Webseite, da stand einfach nur »Indiebookday«. Dann sagte Steffi, die bei uns die Presse macht, da müsse aber stehen, dass es eine Initiative des mairisch-Verlags ist.

L. K.+J. K.: Soll denn der Indiebookday ein Indiebookday bleiben oder könntest du dir vorstellen, dass man das zum Beispiel zu einer Indiebook-week ausweitet?

D. B.: Och das weiß ich nicht, ich glaube, ich werde großen Spaß daran haben, einen neuen Termin auszusuchen. Man könnte einmal bei anderen Ländern schauen, zum Beispiel wie die Amerikaner das so machen. Bei denen war der IBD am 16. März, aber habt ihr etwas davon mitgekriegt? Also ich nicht. Und die Webseite ist immer noch vom August 2012. Da ist nichts aktualisiert, also in den USA gab es diesen Trend wohl einfach nicht. Deswegen hab ich dann noch ein bisschen dreister gesagt, naja, dann pfeif ich auch auf deren Datum. Bei Twitter gab es auch ziemlich viele englische Beiträge dazu, da müssen wohl in Berlin lebende Engländer und Amerikaner etwas dazu gepostet haben und da habe ich gedacht, vielleicht überträgt sich das ja nach Großbritannien, Holland, Österreich oder sonst wie und wird dann einfach jedes Jahr wieder gemacht. Aber vorerst als Tag, ich glaube, das reicht erstmal.

L. K.+J. K.: Also ist der 23. März kein fester Termin?

D. B.: Nein, es muss ein Samstag sein, damit die Leute auch zum Einkaufen kommen. Es wird also jedes Jahr ein anderes Datum sein.

L. K.+J. K. Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für den heutigen Rest-Indiebookday!

D. B.: Ich bedanke mich auch, wir können ja jetzt gleich mal im Netz gucken, wenn ihr mir das Passwort für euer Wireless gebt…

… das taten wir und Daniel wurde sogleich mit einer Lawine an Postings überrascht. Eine Erfolgschronik des Indiebookday findet ihr hier.



Metaebene
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 Veröffentlicht am 4. April 2013
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[…] oft das Nachsehen, dabei sind ihre Titel ja ebenso lesenswert und gut gemacht. Deswegen hat Daniel Beskos (mairisch Verlag) den Indiebookday gestartet und möchte damit dazu aufrufen, dass die Buchhandlungen zu diesem […]

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