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InSerie
Litlog präsentiert: InSerie

»Nur noch eine!« Da liegen wir, da sitzen wir, da hängen wir und schwören uns, dass wir wirklich gleich schlafen gehen, ernsthaft in ein paar Minuten die Wohnung verlassen, unsere Verabredung können wir eigentlich auch mobil mit »Will be late!« vertrösten und die Nudeln im Topf…ach Gottchen, die brauchen noch! Das Serien-Streaming hat Konsequenzen.

Von Dorothee Emsel

Video-on-Demand-Portale wie Netflix, Amazon, Watchever, Maxdome etc. haben uns Folge für Folge mit ihren Serien durch den Winter gebracht und sie werden es auch im Sommer tun – Draußen kann ja jeder. Die Konstruktion komplexer Charaktere und Figurenkonstellationen erhält durch Serienformat eine ungeheure Entfaltungsmöglichkeit, im Gegensatz zum Film ein großer Vorteil. Und eben diese andauerende Bindung an die Entwicklung von Story und ProtagonistInnen-Psychologie erlaubt es uns, sich in einem Kreis fiktiver Freunde aufgenommen zu fühlen, wenn wir auf den Start-Button der nächsten Episode klicken. Wo früher die Sims soziale Interaktion simulierten, tut dies heute ein Francis J. Underwood.

Die Litlog-Redaktion ruft ein neues Projekt ins Leben, das sich dem mondänen Zuschauen widmet: InSerie. Die Monolithen der Serien-Landschaft werden hier von unseren Autoren und Autorinnen genau unter die Lupe genommen. Was beschäftigt? Was bewegt? Was ist schön? Jede/r ist willkommen, Rezensionen zu seiner/ihrer Lieblings-Serie zu verfassen. So, wie ZuschauerInnen entscheiden, was sie sehen möchten und wann, entscheiden unsere AutorInnen, welche Serien als Highlighter präsentiert werden sollten. Binge-log together!

Das Buch zur Serie

Wer sich erst langsam an den Waldrand serieller Neuerscheinungen herantasten möchte oder sich für Wahrheitsgehalt und defektive Lücken in der Serien-Logik interessiert, dem sei an dieser Stelle Andrea Gentiles Kann mein Chemielehrer Chrystal Meth herstellen? Wissenschaft in Kultserien empfohlen. Der Wissenschafts- und Kulturjournalist sieht seine aufklärerische Arbeit, die er mit diesem Buch betreibt, darin begründet, dass sich am Jahr 2015 gemessen die ca. 75 Millionen Netflix-AbonnentInnen rund 42,5 Milliarden Stunden Filme, Dokumentationen und Serien einverleibt haben. Das leitet über zu wissenschaftlichen Forschungen, die sich mit den Sehgewohnheiten der ZuschauerInnen beschäftigen und damit, was sich in unseren Gehirnen abspielt, wenn wir fernsehen – so beispielsweise der Forschungszweig »Neurocinema«. Gentile verweist an dieser Stelle auf Alfred Hitchcock, für den »die Produktion eines Films auf einer wissenschaftlich genauen Untersuchung der Reaktionen des Publikums« basierte. Und was liegt da näher, als das »Geheimnis der perfekten Fernsehserie« lüften zu wollen?

Gentile präsentiert Serienformate wie u.a. The Walking Dead, Dr. House, Game of Thrones, Star Trek, True Detective und, titelgebend, Breaking Bad. Er liefert eingangs einen Überblick über Inhalt und Figuren, um dann analytisch zum Kern vorzudringen: Kann ein kleiner Kristall eine ganze Wohnung in die Luft jagen wie Walter White, inkognito als Heisenberg, dies tut? Kann man durch die Zeit reisen wie Dr. Who? Kann man menschliche DNA patentieren lassen wie Orphan Black es uns glauben machen will? Und was ist wichtiger: die theoretische Physik oder die Experimentalphysik – ewiger Streitpunkt zwischen Cooper und Hofstadter aus The Big Bang Theory?

Buch


Andrea Gentile
Kann mein Chemielehrer Crystal Meth herstellen? Wissenschaft in Kultserien
Hoffmann und Campe Hamburg, 2016
224 Seiten, 17,00€

 
 

Indem Gentile zu jedem Format einen durchaus zulässigen Fragenkatalog eröffnet, zeigt sich, und das kann man nicht oft genug hervorheben, Ideenreichtum und Skript-Stringenz der SerienautorInnen. Gleichzeitig auch, wie akribisch Gentile selbst recherchiert haben muss. Chapeau. Sympathisch auch die zu einer Serie jeweils angegebene »Gesamtdauer Binge-Watching« und die 10 Hintegrund-Facts: In gesellschaftlicher Runde zum besten geben zu können, dass Stephen Hawking in einer Episode sich selbst verkörpernd mit Einstein, Newton und Data auf dem Holodeck der Enterprise pokert oder die Symbole in der Serie Fringe, die vor einer Werbeunterbrechung gezeigt werden, Buchstaben darstellen und in Verbindung gelesen das zentrale Stichwort der akutellen Folge ergeben, macht schon was her. Gut, die geodätischen Ausführungen im Game of Thrones-Kapitel Der Winter naht – aber wann ist er endlich da? zu Erdachsenneigung und Sonneneinstrahlung wirken etwas zwanghaft integriert in die fiktionale Ebene der Serie. Und die Überlegungen dazu, was sich im Gehirn eines Zombies abspielt (The Walking Dead) oder ob es echte Vampire gibt (True Blood) erregen wohl eher die Gemüter der »Angslustigen« und Grusel-Aficionados. Aber darum geht es ja letztlich auch: ein bisschen herumflippen zwischen den Realitäten, in den Alltag intergrierte Phantasmagorien, Urlaub im Hypothalamus.

Den Startschuss zu unserer neuen Reihe gibt Adrian Bruhns mit seinem Artikel zu The Americans. So mögen ihm die Serien-MarathonistInnen folgen und monatelang in ihren Zimmern eingeloggt bleiben – es dient einer guten Sache.



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 Veröffentlicht am 5. April 2017
 Kategorie: Misc.
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