50 Jahre James Bond. 23 Filme. Der dritte mit Daniel Craig. Der erste von Erfolgsregisseur Sam Mendes. Wohin führt der neue Regisseur den berühmtesten aller Geheimagenten? Die Heldendämmerung im Westen scheint ihre Spuren auch in den Kinos hinterlassen zu haben. Rüdiger Brandis über Skyfall.
Von Rüdiger Brandis
James Bond – an dieser Stelle muss ich bereits inne halten. Mit diesem Namen schwingt so vieles mit. Inzwischen 50 Jahre Kinogeschichte, Berg- und Talfahrten, Kritiken, die die Filme um den Charakter mit diesem Namen als platt verschrien, Kritiken, die den Humor und die subtile Brillanz priesen und was weiß ich nicht alles. Es ist bereits so viel mit, von und über Bond geschrieben und gefilmt worden, dass die Filmreihe über der üblichen Kritik zu stehen scheint. Jetzt ist Skyfall, der inzwischen 23. Bondfilm, in den Kinos. Was hat sich in diesen 50 Jahren verändert? Und kann Bond uns immer noch überzeugen mit ihm zu fiebern?
Skyfall beginnt mit einer für Bond untypischen, wenn auch nicht komplett unbekannten Szene: dem scheinbaren Tod von James Bond (Bonds Tod wurde in You only live twice fingiert). Nach einer wilden Verfolgungsjagd stellen Bond und seine Kollegin Eve den Auftragskiller Patrice, der eine Festplatte gestohlen hat, die alle Identitäten der Agenten enthält, die in terroristischen Organisationen operieren. Eve eröffnet schließlich aus einiger Entfernung auf Drängen M´s das Feuer auf Patrice, trifft jedoch versehentlich Bond, welcher von einer Brücke in den scheinbar sicheren Tod fällt. Patrice entkommt mit der Festplatte. Einige Monate später soll M auf Druck der Regierung ihren Posten als Geheimdienstchefin freiwillig räumen, kurz darauf erschüttert eine Explosion des Hauptquartier des MI6. Einige Menschen sterben. Bond, der den Sturz überlebt hat und seitdem im Exil lebte, kehrt nach London zurück und wird von M trotz seiner offensichtlichen körperlichen Defizite erneut auf Patrice angesetzt, um Informationen über seinen Auftragsgeber in Erfahrung zu bringen. Die Spur führt schließlich zum Cyber-Terroristen Raoul Silva, einem ehemaligen MI6-Agent.
Einer der häufigsten Kritikpunkte, die ich über Skyfall bisher gehört habe, ist der Vorwurf, dass er zu sehr der Batman-Trilogie von Christopher Nolan, ganz besonders The Dark Knight, ähneln würde. Dieser Vorwurf ist nicht einfach von der Hand zu weisen. Der Plot weist ähnliche Elemente auf wie zum Beispiel Bonds Rückkehr aus dem Exil. Dies ähnelt stark Bruce Waynes Rückkehr von seiner jahrelangen Reise um die Welt und seiner Ausbildung von der Gesellschaft der Schatten nach Gotham in Batman Begins. Auch der Charakter von Bonds Gegenspieler Silva erinnert in vielem, vor allem seinem beinahe zu genial geplanten Plan, an Heath Ledgers Joker aus The Dark Knight. Dennoch ist Skyfall bei weitem keine Kopie. Im Gegenteil, Regisseur Sam Mendes stellt sich mutig der Aufgabe, Bonds Weg sinnvoll zu Ende zu bringen, den er seit Casino Royale eingeschlagen hat. Mit Casino Royale wurde Bond zum ersten Mal in seiner Leinwandgeschichte fehlbar gezeigt, als ein Mann, an dem all das Töten und der Stress nicht spurlos vorbeiziehen, sondern ihn beeinflussen und sogar brechen können. Sam Mendes baut dies noch weiter aus und zeichnet einen auch körperlich gebrochenen Bond in Skyfall, auch wenn knallharte Action und Verletzung ihm nach wie vor lediglich ein Grund für einen zynischen Kommentar liefern.
Dies zeigt sich auch in der visuellen Umsetzung. Wer Filme wie American Beauty und Road to Perdition gesehen hat, der weiß um die inszenatorische Brillanz von Sam Mendes. Seine Stärken liegen im Entwerfen symbolisch aufgeladener, zum Teil surreal wirkender Bilder, die seine Filme durchziehen wie ein rotes Band und den Plot metaphorisch untermauern. Man denke zum Beispiel an die berühmten Rosenblätter aus American Beauty. Natürlich ist das Genre der Bondfilme nicht für solche visuellen Spielereien zu haben, aber Sam Mendes schafft auch hier wieder den Spagat zwischen dem, was das Genre verlangt, und seinen eigenen Vorstellungen der Filmkunst. Denn die Bondfilme selbst bieten durch ihre eigene Geschichte einen Reichtum an Symbolen und Elementen, die man nur gekonnt platzieren zu braucht. Dazu gehören zum Beispiel die exotischen Schauplätze, die Bondgirls, Gadgets, M, Q und Moneypenny. Und genau mit diesen Elementen spielt Mendes, so dass aus Skyfall nicht nur ein perfekt inszenierter Thriller wird, sondern auch wieder all die Elemente in sich vereint, die wir seit dem letzten Film mit Pierce Brosnan nicht mehr zu Gesicht bekommen haben. Dabei ist für Albernheiten wie unsichtbare Autos allerdings kein Platz mehr. Qs Gespräch mit Bond ist kurz und pointiert. Die Gadgets für diesen Film sind die übliche Walter PPK mit einem Sicherungsscanner, der die Waffe nur für Bond entsichert und sie ansonsten unbrauchbar macht, und einem kleinen Sender, der Bonds Position anzeigt.
Skyfall stellt daher in vielerlei Hinsicht ein klassischeres Abenteuer dar als sein direkter Vorgänger, das Elemente der Filme vor Daniel Craig mit den Stärken von Casino Royale verbindet. Der stark kritisierte 22. Bondfilm A Quantum of Solace wird dabei merkwürdigerweise ignoriert. In diesem auch im Plot spürbaren Übergehen liegt dann auch die einzige Schwäche von Skyfall, denn er ist nicht wirklich ein Schritt nach vorn. Er ist der beste Film, den man nach A Quantum of Solace machen konnte, wollte man weiterhin kommerziellen Erfolg haben, was, bedenkt man die Pleite von MGM und dessen Übernahme durch Sony, auch dringend erforderlich war (man beachte die vielen Sony Vaios und Sony Handys, die im Film an allen Ecken und Enden zu sehen sind). Mendes besinnt sich auf die Stärken von Casino Royale und verbindet dies mit den Gadgets und Gimmicks von früher. Dabei werden aber leider die Neuerungen von A Quantum of Solace übergangen, die diesen ausgezeichnet haben: der Fokus auf Bond und seinen Konflikt mit dem Tod von Vesper aus Casino Royale; die virtuos, poetisch anmutende Actionszene, in der Bond seine Gegenspieler während einer Aufführung der Oper Tosca von Giacomo Puccini verfolgt und stellt, parallelisiert zum dramatischen Tod auf der Opernbühne. Dies fällt alles unter den Tisch. Stattdessen konzentriert sich Mendes auf die Konflikte zwischen den Protagonisten und entwickelt den Plot bis zum furiosen Finale stringent linear weiter.
Skyfall führt damit die ästhetischen und erzählerischen Fäden der Daniel Craig Bonds vorerst wieder zusammen. Mit Skyfall steht Bond dort, wo er bereits im ersten Film von 1962 stand: vor M im altbekannten Büro in Erwartung neuer Aufträge. Sein Weg aus der Moderne begann mit Casino Royale und war nicht so eben, wie vielleicht von den Machern erhofft. Die Frage, die am Ende von Skyfall steht ist: Wohin geht es mit Bond nun? Die Welt ist inzwischen eine andere als 1962. Der Bond von damals wurde ein Held, eine Ikone der Modernität. Was wird Bond heute? Er wurde mehrmals gebrochen und stand wieder auf, fast so als würde sich der Held von damals auf der Leinwand immer wieder aufrappeln, während die Hybridität postmoderner globaler Logiken bereits zum nächsten Schlag ausholt. Bond ist ein Anachronismus und musste sich in seinen letzten Filmen mehr als je zuvor seiner eigenen Vergangenheit, seinem eigenen Mythos stellen. Mit Skyfall ist ein weiterer Schritt zu einem postmodernen Bond gegangen worden. Ein Bond der nicht mehr gegen einen eindeutigen Gegner kämpft, sondern immer auch gegen sich selbst. Ob die Filme diesen Weg weiterhin gehen wollen, ist mit dem Ende von Skyfall fraglich. Ob sie versuchen den Held Bond wieder aufzubauen ebenso. Die Heldendämmerung im Westen hat ihre Spuren hinterlassen und wirft die Frage auf, was Bond in unserer Welt noch zu suchen hat.
Skyfall ist somit postmoderner, als man annehmen mag. Der Film befasst sich mit seiner Vergangenheit, also seinen Vorgängern und deren Bonds. Er lotet eine Balance zwischen Vergangenheit und Gegenwart aus, aber wie so vieles in der Postmoderne hat auch er noch keine Idee, wie die Zukunft aussehen wird. Die Zukunft, die für den Weltenretter Bond eigentlich immer recht klar gewesen ist, ist zu einer dunklen Straße in der Nacht geworden.
Und gerade deswegen reißt mich Bond immer noch mit. Die Filmreihe ist nach wie vor ein Spiegel vieler Entwicklungen in Film und Gesellschaft. Sind sie bei Bond angekommen, kann man davon ausgehen, dass sie eine breite Relevanz erlangt haben. Die Filme sind nicht immer clever und gewiss nicht immer die besten ihrer Zeit, aber bisher haben selbst die obskursten von ihnen (Die another day) durch ihren Charme, ihre intermedialen Referenzen oder eben doch durch ihre Brillanz überzeugt. Skyfall gehört für mich definitiv zur letzten Kategorie und beweist damit, dass die Filmreihe noch immer Relevanz besitzt. Denn bei all der Jagd nach Plot- und Logiklücken sollte man bedenken, dass es bei Bond immer hauptsächlich darum ging, zu unterhalten. Und mit Skyfall, wie schon mit den vorherigen Daniel Craig-Bonds, ist diese Unterhaltung auf ein vorher nicht erreichtes Niveau gehoben worden, das dem typisch zynischen Bond und seinen größenwahnsinnigen Gegnern und den völlig übertriebenen Storys und Gadgets erfrischende Elemente von Realismus hinzugefügt hat.