Max Goldts Lesung im Deutschen Theater Göttingen trug den Titel »Gattin aus Holzabfällen«, genauso wie sein neuestes Buch. Warum dies so ist, konnte auch Max Goldt nicht sagen, aus dem Buch las er jedenfalls keinen einzigen Text. Da es sich um ein Bilderbuch handelt, ist dies auch verständlich − denn wie liest man aus einem Bilderbuch vor, ohne die Bilder zu zeigen? Doch wer Max Goldt zuhört, braucht auch keine Bilder. So anschaulich und formvollendet kann kaum jemand formulieren, und so beherrscht lesen ebenso wenige. Max Goldt in Bestform!
Von Rüdiger Brandis
Max Goldt betritt die Bühne, auf der nichts weiter steht als ein kleiner Tisch mit zugehörigem Stuhl. Auf dem Tisch ein Wasserglas. Hier findet keine aufwändige Präsentation statt. Max Goldt setzt ganz auf Eigenpräsenz und die seiner Texte. Er setzt sich, schlägt seine Unterlagen auf und liest. Erst leise, dann lauter, aber beherrscht und deutlich. Ohne groß zu gestikulieren spricht er, gelegentlich ins Publikum blickend.
So führt er seine Zuhörer von einer Schilderung der problematischen Medienäußerungen über Ethnien, Alter und Geschlecht zu einer Auseinandersetzung über die moralische Selbstironie alter Kommunisten aus DDR Zeiten. Und er schließt dieses Kapitel mit der Neudeutung einer altbekannten Aussage, dass Deutschland in Ost und West zerfalle, indem er behauptet, jegliche Meinungsbildung würde sich aufteilen, da Partizipation nun mal der Sinn einer jeden Positionierung sei.
Das Verwunderliche, Absonderliche und Absurde sind Goldts Begleiter, die als solche aber doch erst von ihm enttarnt werden müssen. Wenn er zum Beispiel seine Erfahrungen im New York der 80er Jahre mit seinen Erlebnissen in der DDR vergleicht, lacht man unwillkürlich auf. Wie treffend dieser Vergleich doch dann im Nachhinein erscheint, erstaunt umso mehr: Uniformierte Menschen scheinen jeden Schritt unter misstrauischen Blicken zu überwachen und in jedem Lokal, dass man betritt, hängen große »Mitarbeiter des Monats«-Schilder an der Wand.
Max Goldt vermag es, im Kleinen das Große wiederzufinden, die Ironie des Lebens an allen Ecken und Enden aufzuspüren, und sie passend kommentiert vorzutragen. Er liefert bissige Satire auf sanfte Art und Weise. Er redet mit sich, mit dem Publikum, schweift ab und findet zurück. Sprich: Er redet wie aus dem Alltag gegriffen, so dass man oft gar nicht merkt, welch genial konstruierte Texte einem geboten werden.
»Können Männerblicke Brüste rösten?« fragt er direkt ins Publikum mitten in seiner Beobachtung über die zu knappe Bekleidung junger Nordengländerinnen und deren mögliche Intention bei der Wahl dieser Bekleidungsform. »Darf man so etwas heute denn fragen?« Na klar darf man, antwortet Max Goldt gleich selbst. Das Hin und Her von Tiefsinn und Schwachsinn entlarvt er, durch die Präsentation eigener Unwissenheit und mit dem Schlagwort einer ganzen Generation: Egal!
Man kann mit Recht sagen, dass Max Goldt einer von den ganz großen deutschen Literaten und Satirikern ist. Prämisse ist: Anschauen, hören, lesen. Erleben!