by Craig Arnold
Muse we make our occupation
breaking ourselves against you bottles
cracked on a ship’s prow christening
new each time names painted over names
not one of which will stick and still
we beg to be seduced and you oblige
you teach us all your tricks to be alone
and need our solitude and not to talk
to lose tickets and tokens to contemplate
the air about us colorless as tears
to lie to make love standing up
to write letters and burn them last of all
to be abandoned to stand alone
on castle walls that the wind peels apart
to empty gaps between impermeable stone
to stare at the ivy-heavy trees
the galaxies put forth in every leaf
and see no blonde angel’s faces
beside their raw transparency
and come always at last to grief
What would we do without you dance
on sunlit ruins self-possessed
lie back in our pleasure boats
on our made lakes trail our fingers
feel the little ripple lapse
and level again to calm behind us
We would be smooth and slick and perfect
and we would never break if you did not
break us how would we ever open
if not to you then who
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des luxbooks-Verlags
von Craig Arnold
Es ist uns aufgegeben, Muse,
uns an dir zu brechen: Flaschen
an einem Schiffsrumpf splitternd, von neuem
jedes Mal getauft, Namen überpinselt,
kein einziger bleibt haften – und dennoch
wollen wir verführt sein und du erfüllst uns das.
Lehrst uns deine Schliche – allein zu sein,
unsre Einsamkeit zu nutzen, nicht zu reden,
Billets und Blumen zu verlieren, die Luft umher
zu sammeln, farblos wie es Tränen sind,
zu liegen und im Stehen uns zu lieben,
Briefe zu schreiben, die man verbrennt, und zuletzt
verstoßen zu sein, an Burgmauern die
der Wind abträgt allein zu stehen,
Höhlen im unspaltbaren Stein zu graben
efeuschweren Bäume anzustarren
aus jedem Blatt Galaxien sprießend
und keinen blonden Engel zu erblicken
neben ihrer groben Transparenz
und am Ende immer ohne Trost zu bleiben –
was wären wir ohne dich? Auf Ruinen
tanzten wir im Sonnenlicht, von uns eingenommen,
lägen zurückgelehnt auf unsren Lustkähnen
in künstlichen Gewässern, steckten in die Wellen
unsre Finger um dem Verebben nachzuspüren
und würden uns der Stille dahinter überlassen,
wir wären schlank und glatt und tadellos
und zerbrächen nie – wenn nicht an dir:
Wie könnten wir uns jemals öffnen
wenn nicht deinetwegen – und wem sonst?
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des luxbooks-Verlags
ARNOLD (etym.) – das setzt sich aus dem althochdeutschen arn (»Adler«) und dem Verb waltan (»walten, herrschen«) zusammen, was so viel bedeutet wie »der wie ein Adler herrscht«. Und es kann kein Zufall sein, dass der Name ARNOLD sich erst durch den gleichnamigen LAUTENSPIELER am Hofe Karls des Großen um 806 n. Chr. wie süße Töne mit der Zeit verbreitete. Und HOLD sind auch die – – BLABLABLA
Die ersten Verse verraten es, es ist uns aufgegeben, uns an dir zu brechen, Muse. Sie lehrt uns die Kniffe, die alles schwieriger und einsamer, aber schöner machen – und mehr will der Dichter uns nicht sagen. Alle Verse sind Variationen dieses zwiespältigen Fatums, kunstvoll durch die Arnoldschen Tricks gestaltet. Aber was sind das für Tricks?
Arnold ist ein achtunddreißigarmiger Krake. Mit der ersten Tentakel schlägt er das Metrum, mal den Jambus mal den Trochäus, nie blind, immer um den Zwiespalt zu vertonen. Schleppend zieht der Trochäus die schicksalhafte Last des Dichters in den ersten Versen.
Ab der zweiten Strophe übernimmt der Jambus für weite Strecken. In nicht weniger als elf Infinitivsätzen stellt der Leichtfuß unter den Metren die Kniffe der Muse vor. Sie »lehrt allein zu sein«, »nicht zu reden« und »Höhlen im unspaltbaren Stein zu graben« – der Jambus lässt diese schweren Sätze hüpfen. Arnolds zweite Tentakel hält und verzögert für eine Silbe den ersten Muskel, der ansonsten so punktgenau schlägt. Eingeschlossen von zwei Senkungen (»that the wind pells apart«) kann der Wind erst jetzt richtig aufheulen. In dem Vers »to write letters and burn them« hört man erst durch den kurzerhand eingeschobenen Anapäst wie schnell und eifrig diese Briefe geschrieben worden sind, nur um dann genauso schnell verbrannt zu werden. Das verleiht Arnolds Kunst nicht nur hier eine eigene Komik, die mit romantisch-antiquierten Vorstellungen, denen der Dichter wahrscheinlich hilflos ausgeliefert ist, ironisch zu brechen weiß.
Arnolds eigentlicher Zauber entfaltet sich im Vers- bzw. Wortinneren. Dort finden sich Alliterationen wie »What would we do without you«. Eine stürmische Liaison mit dem Konsonanten »k«, die immer mal wieder aufflammt wie in »make our occupation/breaking…/cracked« oder wie in der ménage à trois mit dem »t« »and not to talk/ to lose tickets and tokens to contemplate«.
Und schließlich sei das ungeheure Spiel mit den Vokalen erwähnt z.B. mit dem »i« in den letzten Versen der zweiten und in der dritten Strophe: »peels – between impermeable – the ivy heavy trees – galaxies – leaf – see – transparency – grief«.
Von Craig Arnold kann man hören lernen. Es scheint als hätte dieser Krake alle sinkenden Konsonanten und Vokale noch im Ohr und holt sie dann, wenn sie fast verklungen sind, mit mächtigem Effekt zurück an die Oberfläche.
Arnold ist ein verzweifelt romantischer, zuweilen ironischer, aber immer überaus raffinierter Dichter, und man kann nur erahnen, wie viel er seiner Muse verdankt. Der Phosphoreszierende Tiger hingegen weiß, dass ihr und ihm und seinem Übersetzer Jan Volker Röhnert für ein gutes Dutzend Gedichte zu danken ist, deren lautliches Spiel dann und wann wagt, sich vom Inhalt loszuwinden.
Von Niels Klenner