Mit Der Killer hat genug vom Töten beendet der gebürtige Schotte Malcom MacKay seine sogenannte Glasgow-Trilogie um Auftragsmörder Calum MacLean. Der Titel ist Programm. Calum will seinen Job als Killer an den Nagel hängen, dabei läuft allerdings einiges schief. Schließlich hat er es mit der Glasgower Unterwelt zu tun und da kündigt man nicht einfach, wenn man keine Lust mehr hat.
Von Joana Kolbach
Der Killer hat genug vom Töten ist ein leises Finale. Reißerisch und laut waren aber auch die Vorgänger Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter (erschienen 2014) und Der Killer hat das letzte Wort (erschienen 2015) des Autors Malcolm MacKay nicht.
Der Protagonist Calum MacLean, mittlerweile festangestellter Haus- und Hofkiller des Glasgower Unterweltbosses Peter Jamieson, will nicht mehr. Sein Beruf füllt ihn nicht mehr aus – hat er noch nie. Und seit er nicht mehr freiberuflich unterwegs ist, sondern für Jamieson arbeitet, ist es eher noch schlimmer geworden. Seine Chefs, Jamieson und dessen rechte Hand John Young, haben das auch schon festgestellt und sind besorgt. Aber Calum ist nicht ihr Hauptproblem, sondern die Intrigen, deren Anfänge bereits in den ersten beiden Bänden zu erkennen sind und jetzt auf ihr unvermeidliches Ende zustreben. Sie haben also ganz andere Probleme als einen Killer mit Midlife-Crisis und nehmen deshalb die Vorboten von Calums Verrat nicht so richtig ernst. »Calum denkt schon seit Wochen daran, abzuhauen. Eigentlich seit Monaten, doch anfangs war es nur so ein Gedanke. Dann wurde ein Plan daraus.«
Und dann wäre da ja auch noch die Polizei, ewiger Freund und Helfer. Doch im Roman wimmelt es nur so von Spitzeln. Eine Ausnahme bildet der verbissene, ganz und gar nicht weißwestige Detective Inspector Michael Fisher, der es auf nicht weniger als die Könige des Milieus abgesehen hat. Und das Verschwinden von zwei Handlangern, vermutlich ermordet, gibt den Anstoß. Fisher fragt sich immer wieder, was die Unauffindbarkeit von einem, seinem, Informanten und einem kleinen Buchhalter mit dem großen Ganzen zu tun hat. Denn dass sie noch am Leben sind, ist gelinde gesagt selbst für ihn unwahrscheinlich. Genervt von der Freundin seines Informanten, die ihn immer wieder über die Umstände ausfragt und selbst ein verkapptes Spiel treibt, schaut er sich das Verschwinden der beiden Personen genauer an. Schlussendlich, erkennt er, kann er an diesem Verbrechen den Hebel ansetzen, den es braucht, um ein paar von seinen persönlichen Erzfeinden endlich in die Finger zu kriegen.
»Fisher lächelt. Er hat genug Beweismaterial. Für alles Mögliche. Und ja, Calum MacLean hat sein Spiel mit ihm getrieben. Sie treiben alle ihr Spiel. Aber diesmal könnte Fisher am Ende gewinnen.«
Malcom MacKay macht Spaß. Die Morde, Dreh- und Angelpunkt der gesamten Geschichte, sind lakonisch, fast nebensächlich dahingeworfen. Auch der Rest beeindruckt nicht etwa mit Geschwätzigkeit oder pompös inszenierten Blutbädern. Stattdessen glänzt MacKay mit exakt positionierten Worten, ein jedes so präzise gesetzt wie ein Schuss aus Calums Waffe. Seine Sprache hat nichts Überflüssiges an sich, nichts Pathetisches, nichts, was man bei so einem Stoff an schmückendem Beiwerk auffahren könnte. Ebenso die Handlung. Was passiert, ist ein Ränkespiel allererster Güte, aber erzählt mit einer einsilbigen Präzision, die man selten findet.
MacKay schafft egozentrische, widerwärtige, verlogene, kurzsichtige, naive, geldgierige Figuren, die sich in ein Dickicht aus Lügen und Verrat verstricken, in dem jeder nur erahnen kann, was der andere als nächstes tun wird – das aber ist entscheidend für alle Beteiligten.
Da die Handlung von den ersten beiden Bänden fortgeführt wird, ist sehr zu empfehlen, die Vorgänger zu lesen, auch wenn MacKay dem Roman eine Liste der Personen voranstellt, in der er alle Figuren kurz charakterisiert. Das ist hilfreich, wenn man zwischendurch mal den Überblick verliert, erklärt aber nicht alles.
Erfrischend ist, Calums emotionale Seite kennen zu lernen. Er hat genug davon auf dem Schachbrett der Mächtigen umhergeschoben zu werden. Stattdessen beißt der Hund in die Hand, die ihn füttert und wird damit zu einem Risikofaktor, den niemand einkalkuliert hat. Die Frage, die sich hier dem aufmerksamen Leser stellt, ist: Kann Calum das? Kann er sein altes Leben einfach so hinter sich lassen? Das ist eine Frage, die auch er selbst sich des Öfteren stellt.
»Er muss sich mit der Langeweile eines Achtstundentags abfinden. Öde, geisttötende Arbeit ertragen. Den Adrenalinjunkie in sich ignorieren. Den faulen Sack, der nur alle paar Monate ein paar Tage arbeiten will. Den Perfektionisten, der tun will, was er gut kann.«
Doch dann geht etwas fürchterlich schief in seinem Plan und Calum beschließt etwas, das so gar nicht seinem Arbeitsethos entspricht. Statt sich – wie es klug wäre – aus dem Staub zu machen, sinnt er auf Rache. Ganz banal. Wer jetzt aber ein tarantinosches Gemetzel erwartet hat, der wird enttäuscht. Calums Rache ist genauso überlegt wie er selbst und entfaltet eine Wirkung, die niemand so richtig erwartet hat. An einem Ende schlägt der Schmetterling mit seinen blutbesudelten Flügeln und hebt damit am anderen Ende Glasgows mächtige Unterweltbosse unversehens von den Füßen – gerade dieses Spiel mit unvorhergesehenen Zwischenfällen und deren Konsequenzen beherrscht Malcom MacKay bis zur Perfektion. Aktion- Reaktion, das ist es, was den Roman so lesenswert macht. Die Ereignisse haben sich vom ersten Band an aufgebaut und kommen jetzt endlich zum Abschluss. Dieses Finale ist vielleicht nicht elegant oder den Erwartungen an den Stoff entsprechend laut, aber es wirkt. Scheinbar dahingeworfen, passiert zwischen den Zeilen eine ganze Menge mehr. MacKay schafft mit wenigen Worten ganz großes Kino. Die Glasgow-Trilogie endet nicht mit einem Knall, sondern still und leise, fast schon verstohlen. Aber darum nicht weniger eindrucksvoll.
Und das alles nur wegen zwei Morden, die der Glasgower Unterwelt an einem normalen Tag nicht mal ein müdes Lächeln entlocken würden.