Auf hitrecord.org zeigt sich der Schauspieler Joseph Gordon-Levitt mal hinter der Kamera: Seine eigenen Videoprojekte sind aber nur der Auftakt für ein Stimmengewirr aus Texten, Videos, Bildern und Kurzfilmen. Diese kollektive Autorschaft dirigiert Gordon-Levitt nun in Buchform.
Von Hannes Worthmann
2005 nahm sich der damals noch vorwiegend im Independent-Film tätige Schauspieler Joseph Gordon-Levitt eigenen Angaben zufolge vor, im Alltag öfter mal den Aufnahmeknopf zu drücken. Die ersten Videos, die auf dieses Vorhaben folgten, zeigten mehr oder minder alltägliche Szenen des Schauspielerlebens. Sie waren jenen Zuschauern vorbehalten, die auf Youtube und anderen Plattformen gezielt nach ihnen suchten und sich daran erfreuten, mal etwas anderes als das ewig gleiche Interview eines Darstellers auf Promo-Tour für den neuesten Film zu sehen, in dem vor allem die Kollegen gelobhudelt werden. Stattdessen wurde man Zeuge, wie Gordon-Levitt Paparazzi mit der Videokamera verfolgte oder in deutschen Hotelzimmern improvisierte Tänze aufführte. Viele der Einlagen schienen ein klein wenig selbstverliebt, fast alle waren unterhaltsam. Gesammelt und präsentiert wurden sie schließlich auf der Webseite hitrecord.org.
In der Folge durchlief die Internetpräsenz jedoch einen entscheidenden Wandel, initiiert durch die Eröffnung eines Forums, in dem Gordon-Levitt andere dazu aufforderte, seinem Vorsatz zu folgen und die eigenen Aufnahmen online zu stellen. Der Rest der Geschichte liest sich wie die Umsetzung eines romantisierenden Plädoyers für kollektive Autorschaft: Die Teilnehmerzahlen wuchsen und es begann ein reger, freier Betrieb des Vertonens, Illustrierens, Remixens, Zitierens, Improvisierens und Inspirierens, dessen Ergebnisse in dem zweitweise labyrinthhaften Forum zu bewundern (oder zu bearbeiten) waren. Unbeeinflusst durch Regie entwickelten sich Aufnahmen aller Formate und Medien (sofern man sie irgendwie ins Internet bekam). Mit der Zeit setzte dann ein Prozess der Professionalisierung ein. Die Webseite entwickelte sich zu einer ziemlich aufgeräumten Bibliothek mit einem Bestand von derzeit 735095 Aufnahmen (am 20. Mai 2012) und parallel formten Gordon-Levitt und seine engsten Co-Recorder ein Label, welches 2011 die erste Sammlung von Aufnahmen vorlegte, die Recollection Vol. 1, die 36 Kurzfilme & Videos, 17 Songs und 64 Seiten mit Texten und Bildern umfasst.
All dies ist (physisch) um Gordon-Levitts Gedicht Nothing Big arrangiert, welches etwa in der Mitte des Buchteils abgedruckt ist, eingerahmt von CD und DVD, die sich in den Buchdeckeln befinden, so dass es den Eindruck erweckt, programmatisches Manifest der Recollection zu sein: Alles hier ist simpel, aber gut.
Groß (oder besser tief und verzweigt) wird es jedoch unter der Oberfläche und hier beginnt ein besonderes Vergnügen, sobald man sich aufmacht, die Bezüge zwischen den Aufnahmen nachzuspüren, die in ihren Ursprüngen über das Gepresste hinausgehen und sich manchmal erst auf den Seiten von hitrecord.org finden lassen. Multiple Autorschaft und der kollaborative Entstehungsprozess ergeben hier in der Tat eine unterhaltsame Rezeptionsmöglichkeit. Die Tatsache, dass es sich um ein lesens-, hörens- und sehenswertes Kunstwerk handelt, beruht jedoch nicht hierauf. Dies scheint vielmehr Joseph Gordon-Levitt (und sein Kreis kreativer Vertrauter) zu verantworten. Wenngleich Gordon-Levitt auf den ersten Blick eher als bescheidener Herausgeber und Moderator in Erscheinung tritt, überzeugt die Kollektion nämlich vor allem durch ihre Zusammenstellung und ist das Ergebnis einer guten Regie.