Paul Maar ist längst nicht nur für seine Geschichte des Sams bekannt, sondern auch durch andere Kinderbücher wie Der kleine Troll Tojok. Letzteres stellte er beim Literaturherbst vor – und machte seiner Rolle als Erzählkünstler alle Ehre.
Von Katharina Gläßer
Schon als Paul Maar die Bühne des Deutschen Theaters betritt, ist dem Publikum klar, dass es eine lebhafte Veranstaltung wird. Dafür sorgen nicht nur Maars Geschichten, sondern auch seine herzliche Persönlichkeit. Der Kinderbuchautor strahlt eine großartige Sympathie und Souveränität aus und spricht sein Zielpublikum in einem vertrauten Ton an, der direkt Nähe schafft. Anstatt mit dem Lesen aus seinem Buch zu beginnen, visualisiert Paul Maar zunächst seine Hauptcharaktere: Auf einer Flipchart zeichnet er sie live für das Publikum. Auch das ist nicht untypisch für ihn, da er meist die Zeichnungen in seinen Büchern selbst gestaltet – so auch bei Tojok. Als Märchenerzähler hat er dabei die volle Aufmerksamkeit seines Publikums, dem er auf Augenhöhe begegnet. Das macht die Veranstaltung so erfrischend.
Beim Zeichnen der beiden Figuren Tojok und Mommo führt Maar ein Selbstgespräch im Plauderton und erzählt über den Entstehungsprozess der Geschichte. Dazu ist kein Moderator nötig, da Maar ein talentierter Erzähler ist. Bevor die Frage aus dem Publikum kommt, wie er ausgerechnet auf den Namen Tojok kam, beantwortet er diese selbst mit: »Durch Google.« Das beschert ihm nicht nur einige Lacher, sondern vor allem die Zuneigung des ohnehin schon eingenommenen Publikums. Denn genau das ist es, was ihn als großen Autor ausmacht. Wenn er von dem Erfinden seiner eigenen Geschichten berichtet, wirkt es so, als könnte jede:r in die Kunst des Geschichtenschreibens eingeweiht werden und mit ein bisschen Übung die Zuhörer:innen verzaubern. Am wichtigsten dabei ist die eigene Fantasie und der Wille einzutauchen in eine neue Welt, die zeitlich nicht genau verortbar ist, und doch an die eigene erinnert. Genau so und mit vielen Reimen, die Maar mittlerweile schon in seine Alltagssprache übernommen hat, entstanden auch die Geschichten um das Sams, die ihn berühmt machten. Schon sein Großvater erzählte gerne Geschichten und ermutigte ihn früh, sich eigene auszudenken. Zum Erfinden von neuen Welten kam er, weil er fand, dass es nicht genug gute Kinderbücher gebe – der Grundstein seiner Karriere war damit gelegt.
Und damit ich hier nicht so einsam auf der Bühne sitze, habe ich mir gedacht: Nehme ich einfach zwei Freunde mit.
Diese beiden Freunde sind Konrad Haas und Wolfgang Stute, mit denen das Troll-Trio komplett ist und die ihn auch auf seiner Lesereise mit dem neuen Sams-Band Das Sams und der blaue Drache, der im Sommer erschien, begleiten. Die beiden Musiker sorgen für die rhythmische Untermalung der Lesung, die Maars atmosphärisches Schreiben zusätzlich unterstreicht. Sofort fühlt man sich versetzt in den Zauberwald der Trolle und fantastischen Wesen und ist gespannt auf die Abenteuer, die folgen. So sind auch Maars Tojok-Bücher aufgebaut. Die für das Vorlesealter bestimmten Bände sollen das dialogische Lesen zwischen Vorleser:in und Zuhörer:in unterstützen: Immer wieder sind Aktionsfelder in die Bücher integriert, die zur Interaktion ermutigen. Zum Beispiel wird dabei aufgefordert, die Umgebung zu beschreiben oder es gibt kreative Aufgaben, die zu Wortspielen und Buchstabenlernübungen anregen. Damit verbinden die Bücher über die Abenteuer des Trolls erste Leseübungen mit einer spielerischen Art, die Erstleser:innen begeistern. Auch die Vorleser:innen haben dabei ihren Spaß, wenn es darum geht, Wörter im Text durch fremde zu ersetzen und die Zuhörer:innen raten zu lassen, was nun anders ist. Die Troll-Bücher erinnern an die eigene Kindheit und die ersten Leseerfahrungen, die die Geschichten zu einem nostalgischen Erlebnis für die ältere Generation und zu einem aufregenden, abenteuerhaften für die Jüngeren machen.
Fantastische Einfachheit der Kinderliteratur
Abgerundet wird die Vorstellung mit dem Verweis auf das neue Sams-Buch und der musikalischen Einlage des neuen Titelsongs, den das Trio spontan performt und damit die Neugier des Publikums auf die neuen Abenteuer des Sams schürt. Ganz nach dem Motto des Göttinger Literaturherbstes »Gute Literatur muss nicht schwierig sein« macht diese Lesung das Publikum nicht nur zu Liebhaber:innen von Sams, Lippel und Tojok, sondern auch von der Person, die ihnen den Zugang zu dieser Welt ermöglicht: dem Geschichtenerzähler Paul Maar.