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Was ist Kunst?
Farbe Form Empfindung

»Kunst ist Magie, befreit von der Lüge, Wahrheit zu sein« – von dieser abstrakten Kunstdefinition Theodor W. Adornos bis zu Karl Valentins pragmatischer Aussage »Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit!« gibt es so viele Kunstansichten, wie Menschen auf der Welt. Litlog versucht in der neuen wöchentlichen Interviewreihe «Was ist eigentlich Kunst?« Licht ins Dunkel des künstlerischen Stimmenwirrwarrs zu bringen. Der Göttinger Künstler Georg Hoppenstedt macht den Anfang und verrät, wie man überhaupt zum Künstler wird, ob man Kunst eigentlich lernen kann und wie der ideale Besucher einer Kunstausstellung ausschauen sollte.

Von Verena Zimmermann

Verena Zimmermann: Herr Hoppenstedt, Sie beschäftigen sich als Künstler Tag ein Tag aus mit Kunst. Aber was ist denn eigentlich alles Kunst für Sie?

Georg Hoppenstedt: Das ist eine Frage, die eigentlich niemand beantworten kann… Kunst ist eine Auseinandersetzung mit Menschen, die in den kulturellen Zusammenhängen geführt wird, dabei aber immer mit Grundproblematiken des Menschen zu tun hat. Da gibt es natürlich die verschiedenen Ebenen: Mein Bereich ist z.B. die bildende Kunst und die Art und Weise, wie man sich mit Farben, Linien und Formen ausdrücken kann. Das ist für mich eine andere Art von Sprache.

V.Z.: Und wie wird man dann zum Künstler?

G.H.: Das ist ja schon wieder so eine schwierige Frage… Erstmal weiß man ja nie, ob man es wirklich geschafft hat, also ob dieses Attribut des Künstlers überhaupt zu einem passt. Es ist eben eine bestimmte Einstellung, dass man etwas erarbeiten will, etwas herausfinden will. Es geht darum, sich über bestimmte Sachen Klarheiten zu verschaffen – und das mit dem Medium der Sprache bei Literatur, mit Klängen bei Musik und bei mir eben mit Farben, Formen und Linien.

V.Z.: Haben Sie selbst denn einen Lieblingskünstler und ein Lieblingskunstwerk?

G.H.: Ja, ich habe viele Künstler, die ich sehr schätze und es gibt auch viele Bilder, die mir sehr wichtig sind. Es gibt natürlich immer wieder Stationen, die man durchläuft: Das heißt, es verändert sich ständig; bestimmte Dinge werden wichtiger als zuvor, aber es bleibt auch so eine gewisse Art von Ahnenreihe bestehen, die man eigentlich als Wegmarken seiner künstlerischen Entwicklung ansehen kann.

Zum Projekt

In der Interviewreihe »Was ist eigentlich Kunst?« soll der Göttinger Kunstszene ein wenig auf den Zahn gefühlt werden. Nächste Woche verraten Jette Richter und Kani Sido, zwei Kinder aus dem Kinderkunstklub des Künstlerhauses, wie sie es mit der Kunst halten.

 
 
V.Z.: Sie selbst haben ja Malerei an der Hochschule der Künste in Berlin erlernt. Kann man Kunst denn überhaupt lernen?

G.H.: Tja, das ist eine ganz schwierige Frage… Ich selbst gebe ja auch Kurse in der Volkshochschule und habe diese Frage auch mal in einer Einführungsrede aufgeworfen. Im Grunde wird es etwas anders gemacht: Man lernt vieles drumherum, aber das eigentliche Kunst machen ist etwas, das man selbst finden muss. Man lernt verstehen, wie andere etwas gemacht haben und man bekommt Hilfestellungen, um bestimmte Sachen zu verfolgen oder zu vermeiden. Es gibt ja schließlich auch einen Anteil in der Kunst, der handwerklich geprägt ist. Da gibt es natürlich bestimmte Erfahrungen, die jemand anderes einem vermitteln kann, um Fortschritte machen zu können.
Es gibt also eine Menge, was man lernen kann, aber eine Hochschule ist vor allem auch ein Ort, an dem man Gleichgesinnte und Gleichinteressierte findet. Dadurch entsteht ein besonderer Gedankenaustausch und eine besondere Förderung.

V.Z.: Und wovon lassen Sie sich selbst für Ihre Kunst inspirieren?

G.H.: Ich bin im Laufe meiner Entwicklung immer mehr dazu gekommen, Naturformen auf mich wirken zu lassen. Formstrukturen in der Natur sind einfach dermaßen faszinierend, anregend und spannend. Ich muss schon sagen, dass das die große Schule ist, die man durchmacht.

V.Z.: In welchen Situationen und Momenten sind Sie denn vor allen Dingen kreativ und künstlerisch tätig?

G.H.: Da steckt immer so eine Form von Selbstbehauptung drin. Wenn es einem gerade nicht so gut geht, dann hat man häufig das Gefühl: Das brauche ich jetzt, nach meinen eigenen Fähigkeiten zu suchen, sie aufzubauen und etwas zu machen. Aber es gibt natürlich auch immer Reizfaktoren, z.B. wenn mir irgendetwas besonders aufgefallen ist und mich etwas inspiriert. Wenn etwas in mir Möglichkeiten weckt, wie ich darauf reagieren kann.

V.Z.: Jetzt habe ich noch mal eine von den schwierigen Fragen für Sie: Wie würden Sie denn Ihre eigene Kunst beschreiben?

G.H.: Ich versuche etwas zu machen, das man lesen kann, ohne irgendeine Vorbildung, einen Schlüssel oder eine Anweisung zu benötigen, sondern etwas, das man aus dem Vergleich mit den Erfahrungen verstehen kann. Das heißt, dass man eine bestimmte Emotionalität in den Bildern wiederfindet, also bestimmte Empfindungen, die mit Farben und Formen erzeugt werden. Ob mir das immer gelingt, ist eine andere Geschichte. Aber es ist so, dass ich diese Berührung über Formen und Farben für mich gefunden habe und dass ich denke, über diesen Kanal auch andere erreichen zu können. Das heißt, dass ich da versuche, ähnliche Empfindungen auszulösen.

V.Z.: Sie haben es gerade angesprochen: Ihr Ziel ist es, andere Menschen mit Ihrer Kunst zu erreichen. Wie würden Sie sich denn den idealen Besucher Ihrer Ausstellung vorstellen?

G.H.: Den idealen Besucher? Mmhh, davon träumt man, das ist richtig. Das wäre eigentlich derjenige, der sich für Kunst interessiert und schon eine gewisse Erfahrung hat, um Vergleiche anstellen zu können, aber der gleichzeitig auch immer noch offen ist. Jemand, der sich nicht einem bestimmten Dogma unterworfen hat, sondern immer bereit ist, das Neue oder Andere aufzunehmen und auf sich wirken zu lassen. Ideal ist natürlich, wenn man dann noch ein Gespräch darüber führen kann, das möglicherweise für beide bereichernd sein kann; also eine Umsetzung in Sprache und Gedanken.

V.Z.: Das wäre jetzt der ideale Besucher Ihrer Ausstellung. Es gibt aber bestimmt auch Menschen, die mit Ihrer Kunst gar nichts anfangen können. Gerade bei moderner Kunst, wie der Ihren, hört man ja oft die Aussage: Na, das könnte ich auch…

G.H.: Also im Prinzip würde ich diesen Satz »Das könnte ich auch« unterstreichen. Ich finde es so schade, dass wir im Erwachsen werden so viel von diesen Fähigkeiten, uns bildnerisch auszudrücken, verlieren. Dass die Künstler das noch aufrecht erhalten, finde ich ganz wichtig. Aber Kunst ist etwas, das eigentlich in uns allen steckt. Deshalb ist es mir auch wichtig, schon früh mit Kindern zu arbeiten, um dazu beitragen zu können, dass sie diese Ausdrucksebene bei sich wach halten, und das gleiche auch mit Erwachsenen zu machen.

V.Z.: Warum haben Sie sich denn ausgerechnet die Stadt Göttingen für Ihr künstlerisches Schaffen ausgesucht?

G.H.: Na, ich bestehe ja nicht nur aus dem Künstler-Anteil, sondern es gibt verschiedene Zusammenhänge, die für so eine Wahl letztlich ausschlaggebend waren. Göttingen ist sicherlich nicht der Ort, wo ich die große Chance als Künstler hätte. Das ist das Problem, dass man in einer Stadt dieser Größenordnung nicht das ideale Umfeld hat, um Resonanz und Austausch zu haben. Aber ich arbeite daran, hier mit meinen Kolleginnen und Kollegen eine Auseinandersetzung zu führen. Deshalb engagiere ich mich auch hier im Göttinger Künstlerhaus, weil da für mich die Möglichkeit besteht, ein Forum für Auseinandersetzungen zu finden. Das ist dann Kulturarbeit vor Ort und die ist genauso wichtig, wie große Kulturförderung.

Weiter geht es zur Glosse Kunstbetriebsschaden von Verena Zimmermann.



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 Veröffentlicht am 26. August 2011
 Kategorie: Misc.
 Foto von Verena Zimmermann.
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