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Geschmack von Süß und Sauer

Grand Budapest Hotel, der neue Film des US-amerikanischen Regisseurs Wes Anderson, ist eine zwiespältige, märchenhafte Komödie. Noch bis Mittwoch wird seine erstaunliche Puppenwelt im Kino Lumière von nicht ganz so guten Helden und bissigen Bösen grundsätzlich auf den Kopf gestellt.

Von Vânia Morais

Der neue Film von Wes Anderson ist ein komplexes und buntes Abenteuer à la Hergé: groteske Figuren und ihre unheimlichen Machinationen, frenetische Verfolgungsjagden über prächtige Hotellounges oder über steile Schnee- und Eispisten und -bahnen und ein zumindest skurriler Gefängnisausbruch mithilfe winziger, schön verpackter Werkzeuge. In das zwischen karpartenartigen Bergen versteckte Land namens Zubrowka wird das glamouröse Leben der Einwohner, und insbesondere der Gäste vom legendären Grand Budapest Hotel, durch den Tod von Madame D. (Tilda Swinton) ganz und gar auf dem Kopf gestellt. Man muss hier einen Schritt zurückgehen: Denn wenngleich der Tod von Madame D. Auslöser eines lebensbedrohenden Kampfes um das unbekannte Gemälde »Junge mit Apfel« ist, geht es, wie in jedem anderen Film von Anderson, um etwas ganz anders.

Räume in Räumen

Wer Andersons frühere Filme kennt – zu nennen wären beispielsweise The Royal Tennenbaums (2001) oder The Life Aquatic with Steve Zissou (2004) – kennt auch seine Vorliebe für überorganisierte Bilderräume. Räume, die, wie das prächtige Haus von der Familie Tennenbaum in New York, sich nicht nur durch ihre polychrome Farbpalette ästhetisch ergänzen, sondern auch durch ihre beinahe perfekte Struktur ineinander verschränken. Wie bei einer bunten russischen Matrjoschka werden Andersons Räume und die kleineren Räume in den Räumen nach und nach durch aufdringliche Kamerafahrten enthüllt, ohne dass ihre raffinierte Struktur durcheinander gebracht wird. The Grand Budapest Hotel spitzt dieses Spiel, das seinen Höhepunkt mit Moonrise Kingdom (2012) zu erreichen schien, noch einmal zu: in das parallele Universum dieses Hotels werden nicht nur Räume ineinander verschachtelt, sondern auch die Zeit. Durch Rückblenden in Rückblenden reisen wir über die 80er in die 60er Jahre, wo ein noch junger Autor (Jude Law) den mysteriösen Zero Moustafa (F. Murray Abraham) kennenlernt, bis in die 30er Jahre, wo die Geschichte von Zero und seinem Mentor Monsieur Gustave (Ralph Fiennes) anfängt. Ebensolche Zeitreisen – die zudem noch von den Bildformaten aus der jeweiligen Zeit ästhetisch verstärkt werden – machen den Kern von The Grand Budapest Hotel aus: es geht eigentlich um eine nostalgische Reise in die Vergangenheit eines teilweise realen und teilweise imaginären Europas, dessen Umrisse immer brüchiger und konturloser werden.

Das Kino Lumière


Das kommunal geförderte Kino Lumière wird getragen von der Film- und Kinoinitiative Göttingen e.V. (FKI). Das Lumière versteht sich als Alternative zum Kommerzkino und zeigt künstlerisch herausragende Filme und Filmreihen, oft in Zusammenarbeit mit anderen Kultureinrichtungen und Initiativen in Göttingen. Diskussionen mit Filmemachern, Vorträge, Ausstellungen sind fester Bestandteil des Programms.

 
 
Der Film erzählt uns die Geschichte von Zero Moustafa, dem staatenlosen ‚Lobby Boy‘ des Grand Budapest Hotels, und seiner komplizierten Beziehung zu dem ungezwungen-eleganten und zugleich zynisch-charismatischen Concierge Monsieur Gustave, der alle (wirklich alle!) Wünsche seiner stets wiederkehrenden Gäste – noch bevor sie sie aussprechen können – vorausahnt. Seine überspitzte Lebendigkeit und unberechenbare Art zeigen einen nahezu lächerlichen Mann, der genauso diszipliniert wie unbedacht ist. Als er mit der Hilfe von Zero das Gemälde »Junge mit Apfel« vom prachtvollen Wohnsitz der verstorbenen Madame D. klauen will, legt er sich mit ihrem bissigen Sohn an, ohne jedoch jemals aus der Rolle des Gentlemans zu fallen! Monsieur Gustave, so wird deutlich, ist auf eine sehr besondere Art nur noch ein glänzender Anachronismus einer für immer verlorenen Epoche.

Vergangenheit bildlich illustriert

The Grand Budapest Hotel ist eine zwiespältige, märchenhafte Komödie: witzig, tiefsinnig und mit einem bittersüßen Nachgeschmack. Wes Andersons achter Spielfilm besiegt Bosheit mit Ironie und baut die Vergangenheit über die Konturen einer abscheulichen Gegenwart wieder auf. Selbst wenn so ein Wiederaufbau heute nicht mehr möglich ist, hält The Grand Budapest Hotel diese Illusion zumindest bildlich aufrecht.



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 Autor*in:
 Veröffentlicht am 21. April 2014
 Kategorie: Misc.
 Budapest Gellert baths von Joe Mabel via Wikimedia unter GNU-Konditionen.
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