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Grenzüberschreitungen

Sie trainieren, bis der Arzt kommt und sie lassen den Arzt kommen, um sich zu dopen: Das Theater M21 erforscht anhand zweier Sterngestalten des Sports die Droge Sieg und die traurige Währung, mit der sie bezahlt wird. Was ist denn »wahr« im »sauberen« Geschäft mit dem Fairplay, im Vorbild-Business schlechthin, dem Sport? Über die Inszenierung von Das Blaue vom Himmel in der Cheltenham-Passage.

Von Silvana Zehnpfennig

Wir alle kennen das Phänomen der Grenzüberschreitung. Wir sind bestrebt, absolute Leistungen zu erbringen und doch ist es nicht auch selten der Fall, dass wir schnell an unsere Grenzen geraten. Unsere Ansprüche, allem und jedem gerecht zu werden, erschöpfen sich schnell. Uni, Sport, Freizeit, Familie und last but not least: das eigenen Ich. Alles will unter einen Hut gebracht werden. Doch müssen wir immer und zur aller Zeit allem gerecht werden?

Leistungen um jeden Preis?

Und genau da setzt die Dramaturgie Nicola Bongards an. In ihrem Stück Das Blaue vom Himmel. Was wir sehen und was wir glauben wollen lässt sie die zwei größten Sportler aus dem Tennis und dem Radrennen die Eindrücke und Erlebnisse ihrer Karrieren auf die Bühne bringen. Dabei sind ihre Erfahrungen der Grenzüberschreitungen besonders extrem, da ihnen die ganze Welt zuschaut und hohe Erwartungen an ihre Fähigkeiten setzt – eine Fangemeinde wird nur äußerst ungern enttäuscht.

Kathrin Müller-Grüß, Andreas Klumpf, Jan Exner

Theater M21

Theater M21 setzt sich neben der Konzentration auf theaterferne Texte und Vorlagen, auch und vor allem mit Deutschland und seinen (jeweils aktuellsten) Befindlichkeiten auseinander. Dabei geht es weniger um deutsche Literatur oder ausdrücklich mit ´deutsch´ umrissene Lebenswelten, sondern um Deutschland im Spiegel der Medien, des Imports und Exports von Gedankengut und Überlebenstechniken. So wird das Ausland, vor allem Amerika, wird als Spiegel, Vorreiter und damit Projektionsfläche in den Stücken thematisiert.

 

Das Stück

Das Blaue vom Himmel
Inszenierung: Joachim von Burchard
Ausstattung: Jeannine Simon
Dramaturgie: Nicola Bongard
Musik: Jan Exner
Mit Kathrin Müller Grüß, Andreas Klumpf, Jan Exner
Weitere Aufführungstermine: 20.+21. Juni 2015 in der Cheltenham-Passage

 
 
Wir vernehmen den kleinen Andrew, zu sich selbst sprechend und innerlich mit sich darüber verhandelnd, ob er nicht mit seinen Spielkameraden spielen sollte und dann doch emsig weiter den Aufsatz übt. Und so anstrengend ihm das Tennisspielen auch ist und er es im Grunde hasst, weil er keine Zeit für sich hat, ist das Bälle-Schlagen dennoch die einzige Erfüllung, die das Leben bereit hält.

Dann hören wir Lance in einem Interview, wie er sich in der Öffentlichkeit aus dem Dopingverdacht herauszuwinden versucht. Unter peinlichen Fragestellungen muss er den Prozess seiner Krebsheilung darlegen und den Sieg der Tour der France im Jahre 1999 verteidigen. Dreizehn Jahre später sollen ihm sämtliche Rennsiege aberkannt und eine lebenslängliche Sperre für die Tour-de-France verhängt werden.

Sisyphos der Postmoderne: dem Erfolgsdruck davonradeln.

Die teils filmische, teils schauspielerische Inszenierung von Joachim von Burkhard präsentiert auf recht plakative Art und Weise zwei Ausschnitte des Sports. Der Sport als solcher jedoch soll an der Stelle nicht an der Pranger gestellt werden. Und doch regt das Stück letztlich auch aufgrund der eindrucksvollen Darstellung der Schauspieler Kathrin Müller-Grüß und Andreas Klumpf zum Nachdenken an. Zischen dem inneren Monolog der Figuren und dem inszenierten Dialog wirkt immer wieder die scheinbar leerlaufende Darstellung des Films kommentarlos auf die Zuschauer. Dabei bewegen sich die Schauspieler beinahe während des ganzen Stückes in expressiver Aktion, um den Gegenstand der Thematik fortlaufen zu visualisieren. Das ist eine schauspielerische Leistung, die an der Stelle gewürdigt werden darf.

Fazit

Ein Ziel vor Augen zu haben und die Herausforderungen sportlich anzunehmen und zu meistern, ist sicherlich für jedes sich entwickelnde Individuum erstrebenswert. Aber nicht jeder Sieg führt auch zum Ziel und manchmal können die Strecken auch ganz schön lang sein, da ist es gesünder, seine Kräfte ein wenig maßvoller einzusetzen.



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 Veröffentlicht am 25. Mai 2015
 Mit freundlicher Genehmigung des Theaters M21
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