Es fand sich in einer leerstehenden Fabrikhalle eine Gruppe junger Kreativer zusammen. Sie hatten eines gemeinsam: Die Idee, Göttingen als Filmstadt wiederaufleben zu lassen. Und so kam es in zwei ausverkauften Vorstellungen des entstandenen Krimis Das letzte Hotel im darniedergehenden cinema zu folgenden Eindrücken:
Von Malte Gerloff
Häuserkanten. Häuserwände. Fensterfronten. Abrissbauten. Schnitt. Insekten laufen über die Bettdecke. Laufen über Tische. Sind auf Eiswürfeln in Drinks. On the Rocks. Wieder Bilderfluten. Ein Koffer voll Koks. Das Große Ding. Abwarten in der letzten Hurenabsteige, auf den Mann, der kommen wird. Und doch ausbleibt. Tod des Gangsterbosses. Treibjagd. Falsches Zimmer, falsches Opfer. Der Protagonist entkommt. Ein Karton in einem Abstellkeller. Eine Reporterin, die keine ist, und die der hauptdarstellende »beste Mann« letzte Nacht für ein leichtes Mädchen gehalten hatte. Die eine Killerin des anderen Syndikats ist. Pianogepänkel. Und wieder die Bilder der Straßen. Immer wieder erscheint ein bärtiger Mann in einem Unterhemd. Eingeblendet. Eine Stimme aus dem Off. Innerer Monolog. »Vielleicht habe ich die Kapitel nicht ganz gelesen, vielleicht nur die Überschriften, vielleicht habe ich ganze Seiten ausgelassen.« Wieder Bilderfluten. Andere Häuserwände. Andere Kanten. Der Himmel bedeckt. Wolken ziehen vorbei.
Die Bilder flackern durch den kalten Kinosaal, es wird auf der Leinwand festgestellt: »In dieser Stadt gibt es keinen Weg nach oben, sondern nur nach unten.« Es ist wieder der beste Mann, der auf die sich als Reporterin ausgebende Killerin trifft. Der beste Mann weiß inzwischen, dass sein Boss tot ist. Er weiß nur nicht, wer ihn erschossen hat. Als er in die Absteige am anderen Ende der Stadt zurückkehrt, wird er aus seinem Zimmer gebeten; ein Stammgast verlangt es so. Er bezahlt es mit einer gebrochenen Nase, die ihm der Protagonist zufügt, und seinem Leben.
Schließlich Finale furioso im Hotel No. 3. Die verdeckte Killerin, der beste Mann und deren Verfolger, der Mann mit Hut. Und die Frage, warum ein Foto von der verdeckten Reporterin im Karton mit den Erbsachen von der Mutter des besten Mannes war. Die Story reduziert auf ein Minimum. Die Bilder ausgedehnt, immer wieder aufs Neue wiederholt. Kaum möglich, diese eindringlicher zu präsentieren. Kaum möglich, sie öfter zu präsentieren. Manchem vielleicht zu oft. Aber genau diese Bilder tragen den Film.
Da sind diese fiktionsdurchbrechenden Fehler, die in ihrer Häufigkeit nicht funktionslos sein können, die eher als Reminiszenz an die alten Gangster-Filme, in denen dies als Easter-Egg auch derweil immer mal wieder vorkam, verstanden werden will. So steht der Protagonist vor einem schwarzen Fenster und schaut auf eine taghelle Straßenszenerie, der Pianospieler zieht die eine Hand nach, so dass es unwirklich wirkt, dass er die fehlerfrei erklingende Musik spielt.
So wird die Unsicherheit auf den Zuschauer projiziert, die auch den besten Mann heimsucht, wenn er feststellen muss, dass er gar kein Insekt in seinem Drink hat. Sondern dies alles möglicherweise nur ein großer Drogentrip war. Dies würde dann auch erklären, warum immer wieder dieser bärtige Mann im Unterhemd auftaucht. Vielleicht war alles nur in seinem Kopf? Das sind die guten Gründe, warum man sich diesen Film anschauen könnte.