Bei dem ganzen Trubel um die Streaming-Wars sind die Tonträger-Troubles beinahe komplett in Vergessenheit geraten. Höchste Zeit also, eine Liebeserklärung an ein unterschätztes Medium zu schreiben, denn Compact Discs sind besser als ihr Ruf.
Eine Liebeserklärung von Oke-Lukas Möller
MySpace, Fettes Brot und Satellitenschüsseln: Einige Dinge fallen irgendwann einfach aus der Zeit. Auch der CD scheint dieses Schicksal nicht erspart zu bleiben. Selbst der 90er-Jahre-Hype, der mittlerweile zu einer festen Konstante der Fast-Fashion-Popkultur erstarrt ist, haucht den silbernen Scheiben kein neues Leben ein. Ähnlich wie USB-Anschlüsse an monolithischen Apple-Geräten sind auch CD-Laufwerke mittlerweile maximal »Legacy Hardware«.
Zum Prestigeschwund der Compact Disc hat in den letzten Jahren auch ihre Verpackung beigetragen. Galt das Jewel Case früher noch als Sinnbild für die Möglichkeit eines luxuriösen Lebensstils für alle, wird es nun als Manifestation der Wegwerfgesellschaft wahrgenommen. In einer ökologisch-ambitionierten Welt, in der alle streamen, um bloß nichts zu besitzen, bleibt kein Platz für die CD. Nicht einmal als Staubfänger wird sie akzeptiert, die einzige Frage lautet, ob sie im gelben Sack eigentlich fachgerecht entsorgt ist. Dabei bleibt festzuhalten, dass niemand Compact Discs entsorgen muss, denn Jewel Cases spark joy!
Doch werfen wir zunächst einen Blick auf die Konkurrenten der CD, bevor wir uns ihren Vorzügen zuwenden: Den größten Prestigefaktor besitzen sicherlich Schallplatten. Bei flüchtiger Betrachtung mögen sie durch ihre Pappschuber mit verschwenderisch großformatigen Farbdrucken beeindrucken. Wer jedoch schon einmal eine angeregte Konversation geführt hat, die maßgeblich von Musik aus der vinylen Konserve untermalt wurde, weiß, dass Schallplatten immer genau dann umgedreht werden wollen, wenn das Gespräch interessant zu werden beginnt.
Vinylfetischist:innen betonen zudem gerne, dass das arhythmische Knarzen von Platten ebenso wohlige Gefühle auslöse wie das Knacken eines Kaminfeuers. Aus der Not eine Tugend zu machen, mag in einigen Fällen erstrebenswert erscheinen, hier lohnt die Selbsttäuschung aber nicht: Zum einen ließe sich das Knacken bequem per Smartphonelautsprecher hinzumischen, zum anderen ist ein Tonträger per definitionem genau dann erfolgreich, wenn er ebenjenen Ton ohne nennenswerte Verluste oder Abweichungen überträgt.
Damit wären wir bei dem schwächsten Kontrahenten der CD, der Kassette. Ihre Klangladung kann spätestens beim zweiten Hören lediglich als ein geleierter Abklatsch der originalen Tonabfolgen umschrieben werden. Aufgrund ihrer frappierenden Kurzlebigkeit sind Kassetten die Wegschmeiß-Tamagochis der Musikkultur. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass sie immer noch ein gewisses urbanes Prestige besitzen. Letzteres geht hauptsächlich darauf zurück, dass sie die Möglichkeit bieten, Mixtapes zusammenzustellen. Es ist allerdings ein besonders hartnäckiger Mythos, dass dies ein Alleinstellungsmerkmal der Kassette sei.
Nach diesen weitestgehend technischen Vorzügen der Compact Disc, sollen auch ihre sozialen Qualitäten nicht unerwähnt bleiben: Im Gegensatz zu den anderen beiden physischen Tonträgern lassen sie sich außerordentlich gut teilen. Wer das anzweifelt, sollte sich im Eingangsbereich der Stadtbibliothek umschauen: Es hat einen Grund, weshalb die Primeposition hier den CDs gewidmet ist. In Zeiten allgemeiner Vereinzelung tauschen sich Musikliebhaber:innen hier angeregt über die Meilensteine der Musikgeschichte aus.[1] Wer der »Legacy« der CD nun immer noch skeptisch gegenübersteht, der:die sollte sich einmal von der Goldgräberstimmung auf Flohmärkten oder ihren virtuellen Ablegern anstecken lassen. Compact Disc in a Jewel Case: Nothing Compares 2 U.
[1] Weitere Informationen zu Räumen, in denen sich auch Musik tauschen lässt, und zu den vermeintlichen Vorzügen der Onlinepiraterie finden sich hier.