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Der Phosphoreszierende Tiger Spezial III
Steffen Popp

Diggin’ in the Crates! Der Phosphoreszierende Tiger im Weltall. Nahe der Sonne stößt er auf eine Raumkapsel – in ihr mumifizierte Dokumente: drei Gedichte, wie es scheint, von Steffen Popp. In Text, Bild und Ton. 2011 las er live in Göttingen – jetzt für immer digital!

nächster Text

O elefantischer Pan im Porzellantrakt der Musen
hinter den Schleiern suchst du Gesang, übst dich
in Gedanken: »Wir sind
              ein Gespräch« sagst du, »Wir sind
                                                                            Elefanten«

und bist ganz allein mit diesen Sätzen
einsamer als Dialoge, Dickhäuter
einsamer als die Elektrogeräte des Weltalls

stromsparende Lampen, Wärmepumpen
verwahrlost und hungrig nach Liebe kommen sie
langsam heran aus dem unendlichen Dunkel

an deiner Raumkapsel, ihren geheimen Sprossen
an deinen klugen Händen und Knien
deinen schlafenden Füßen, geträumten Flügeln
reiben sie ihre Felle aus Chrom und Kunststoff.

Die angelernte Hilflosigkeit der Gegenstände
Unmöglichkeit einer Berührung

das Lied, unter seiner Nachtmütze aus Sternen
bewegt es den einsamen Boiler, den irrenden
                                                                            Ventilator

dein irrendes Auge
auch

in eine Nestgemeinschaft ohne Strom
ohne Gedanken
nur gravitierende Körper, ihre beinahe
staatenbildende Panik vor dem Winter.

Bukolische Postkarten IIInächster Text

Dieses Orchester grenzt an Stille
dünne Kristallsohlen, Splitt
das Herz redet wahr, Draht, Mark

unverzagt, auf einem Heupferd
über Staatsstraßen
am Grund des Kriteriums liegst du
verkrallt in Kanülen, Lava.

Der Vogel mit schönen Füßen
geht durch mich wie das Meer
ich sah auch die Inseln und
einmal bewohnt er die Luft.

Schneeode, später Schneezum Anfang

O schwarzer Schlaf, o Axt
o große Trauer, Herz
ich ging hinaus, über das Gras
ich ging hinaus um deine Augen.

Filzstift, Baumpilz, Hydra
ich ging hinaus, ich ging hinaus
über das Gras, um deine Augen.

Achte auf kleines Gewölk
achte auf Tote, ihren besonderen Traum
achte auf Vögel, die Spannung der Haut
das Schlagen, die Stimme, das Lied.

Dieses Gefühl überwintert
in deinem Handschuh, leise schnaufend
wie ein zu großes Tier
unter dem Waldboden.

Einmal im Schnee, gräbst du es aus
und findest Knochen

ich ging hinaus um deine Augen
ich ging hinaus um deine Augen

da sind die Toten, das Weltall
da sind die Vögel, das Lied.

Das gelbe Gedicht

Wege, Zeiten und Erinnerungsräume gibt es in Steffen Popps Texten. In seinen Gedichten lotet er die Welt und ihre Träume aus, was auf den ersten Blick geographisch und historisch ist, wirkt auf den zweiten Blick mythisch und sagenhaft und auf den dritten Blick doch lebensweltlich und akut. Michael Braun nannte ihn: »legitimer Nachfahre der Surrealisten«.

S. Popp

Steffen Popp wurde 1978 in Greifswald geboren, er wuchs in Dresden auf und lebt seit 2001 in Berlin. Er studierte nicht nur Literatur und Philosophie, sondern ist auch ausgebildeter Lehrer für Anusara-Yoga. Zwei Lyrikbände hat er bislang veröffentlicht, der erste trägt den Titel Wie Alpen und erschien 2004, 2008 folgte der Band Kolonie zur Sonne. 2006 erschien sein Debütroman Ohrenberg oder der Weg dorthin. Außerdem übersetzt Popp Gedichte, unter anderem die des iranischen Autors Alireza Behnam.
 

Kolonie


Steffen Popp
Kolonie zur Sonne
kookbooks: Idstein 2008
64 Seiten, 19,90 €

 

D.P.T.

Der Phosphoreszierende Tiger ist der Lyrik-Essay auf Litlog. Er bespricht Gedichte jenseits der Lehrbücher. Er legt einen anderen Zugang zum Gedicht – eine Sammlung mit schiefem Blick. Wer am Projekt mitwirken möchte, meldet sich bei den beiden Herausgebern Andreas Bülhoff und Niels Klenner unter phosphor@litlog.de.
 
 
In der Tat sind seine Gedichte trojanische Pferde, in deren Bäuchen kühne Metaphern versteckt sind, die anarchische Spannungen und Nervenschichten aufleben lassen. Mit dieser Kriegslist demonstriert Popp die Macht der Poesie: »Das Gedicht«, sagt er, »ist in seiner Lebensferne nichts anderes als eben unser Bemühen um dieses Leben.« »Risse gehen durch alles«, heißt es in einem Gedicht, »und nur das Licht geht durch die Risse«. Nicht weniger als diesem alle Zeiten und Räume Durchdringenden spürt Popp nach, mittels Postkarten aus der Sternenstadt kommuniziert er mit den Toten, er legt Drainagen zu Kindheitserinnerungen und zelebriert doch immer die Gegenwart: »Ich wollte immer genau sein, genau // hier«, heißt es im selben Gedicht. Dass er jetzt und genau hier ist, darüber bin ich froh.

Von Wiebke Schuldt



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 Autor*in:
 Veröffentlicht am 19. September 2011
 Kategorie: Misc.
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