Wer hineinspringt, bricht sich das Bein, und es gibt keine Fritten. Der Blick für die gesellschaftlichen Tiefen des Baggersees muss geschärft werden. Denn die Oberfläche birgt Erkenntnisse über Arbeit und Vergnügen. Einige Anmerkungen zur deutschen Institution Baggersee.
Von Anna-Lena Heckel
Der geringste Teil der Menschheit packt die Badehose ein und macht sich auf den Weg durch den Grunewald nach Wannsee. Eher üblich ist der Besuch eines mehr oder weniger nah gelegenen Baggersees. Die Besucher*innen lassen sich in Gruppen aufteilen, was zu zeigen sein wird. Erstens wäre da die »See«-Fraktion. Sie verschweigt wider besseres Wissen den Bagger (eine Verneinung des Proletariats also) und spricht einzig davon, den Tag »am See« verbracht zu haben. Man stellt sich vor: Genfersee, Weite, Sonnenbrille, eine sanfte Brise, der Ausblick auf Berge, kulturkritische Lektüre (Litlog!).
Gruppe Zwei könnte man die Bodenständigen nennen. Bei ihnen ist die Erwähnung des Baggers, also der menschlichen Arbeit, die hinter dem Vergnügen steht, unerlässlich: Der Satz »Na, kommste mit zum Baggersee?« kommt nicht ohne dies aus. Zugleich Reminiszenz an Zeiten, in denen das Naherholungsgebiet noch geschätzt wurde, und in seliger Gewissheit der
Die dritte Gruppe ist eng verwandt mit den Bodenständigen, wenn auch eine spezielle Ausformung: die Profis. Baggerseeprofis haben ihre Prinzipien, die sich in Ritualen manifestieren (Litlog lesen!). Sie sonnen sich täglich in derselben Ecke, kennen einander beim Vornamen, führen Gespräche in den allermeisten Fällen nackt und wissen alles über Wetter, Wassertemperatur und die Welt. Man darf begeistert sein: Der Besuch des Baggersees ist nicht nur ein romantischerer Freibadgang ohne Eintritt und Kiosk. Vielmehr offenbart er ebenso eine politische Haltung, Solidarität und die Antwort auf die Frage, wer man wirklich ist. Getrost kann man sich dem Sommer widmen in der Gewissheit: Der Baggersee ist ein gesellschaftliches Ereignis!