Am Graduiertenkolleg 1787 forschen Promovierende zu den Auswirkungen der ‘digitalen Revolution’ auf den Literaturbetrieb. Auf Litlog stellen die Kollegiatinnen sich und ihre Projekte vor. Heute: Friederike Schruhl über die Digital Humanities und ihr Verhältnis zur Literaturwissenschaft.
Bitte umreiße kurz dein Promotionsvorhaben für uns.
Ich beschäftige mich mit den Entwicklungen der Literaturwissenschaft vor dem Hintergrund der Digitalisierung. Also u.a. mit folgenden Fragen: Wie integriert die Literaturwissenschaft beispielsweise digitale Editionsformen, quantitative Textanalyseverfahren oder computergestützte Visualisierungsprogramme? Wie verhandelt sie Kooperationsangebote der sogenannten Digital Humanities? Welche Konflikttraditionen oder wissenschaftsgeschichtliche Evolutionen zeigen sich in diesen Auseinandersetzungen? Die Herausforderung in meinem Projekt bestand zunächst darin, Gegenstände zu identifizieren, die von diesen Prozessen innerhalb der Literaturwissenschaft berichten können. Das war gar nicht so leicht, denn mein Forschungsmaterial liegt weder versammelt in Bibliotheken, noch systematisiert in Archiven. Im Augenblick beschäftige ich mich mit der wissenschaftlichen Kleingattung der Call for Papers. Da sie dezidiert auf das hindeuten, was es zu besprechen gilt und beispielhaft vorführen, wie man literaturwissenschaftliche Beobachtungsperspektiven einnimmt und relevante Fragen stellt, sind sie quasi forschungsorientierte Einführungen in die Literaturwissenschaft in Echtzeit. Anhand der Calls – und einigen anderen wissenschaftlich bislang noch nicht nobilitierten Textsorten, wie Modulhandbüchern, Editorials, Abstracts etc. – versuche ich den komplexen Aushandlungsprozessen der Literaturwissenschaft in der Gegenwart auf die Spur zu kommen.
Und was sind jetzt eigentlich Digital Humanities?
Digital Humanities haben eine schon viel längere Tradition als man vielleicht vermuten könnte. Die Anfänge in Deutschland lassen sich bis in die 1970er Jahre zurückverfolgen. Damals hießen sie allerdings noch nicht so, sondern »Computing in the Humanities« oder »Humanities Computing« bzw. in der Literaturwissenschaft »Computerlinguistik« oder »Computerphilologie«. Ich verstehe die Digital Humanities – wie im Übrigen auch die Literaturwissenschaft – nicht als geschlossene, homogene Entität, sondern vielmehr als weiche, instabile Formation, deren Grenzen ständig neu verhandelt werden. Um einen ersten Einblick in die Vielfalt der Definitionen der Digital Humanities zu erhalten, kann ich aber diese Website empfehlen. Mit jeder erneuten Aktualisierung wird einer von über 500 Definitionsversuchen gezeigt.
Nenne uns dein liebstes Netzfundstück!
Als Netzfundstück vielleicht zur Zeit das Blog zu Netzfundstücken, »Phänomeme«