Im Jungen Theater bot der Göttinger Poetry Slam am Sonntag mit neun Bühnenpoeten und einem Musik-Trio aus Berlin ein solides Abendprogramm ohne große Überraschungen – und stillte damit den Unterhaltungshunger des vorwiegend studentischen Publikums.
Von Magdalena Kersting
Der Poetry Slam ist schon lange kein Geheimtipp mehr unter Göttingens Studierenden und steht inzwischen für kurzweilige Abendunterhaltung in gemütlicher Atmosphäre im Jungen Theater. Die Lyrik ist leicht verdaulich, oft vorhersehbar, aber irgendwie auch immer wieder gut. Quasi die Z-Mensa-Currywurst des städtischen Kulturangebots. Natürlich mit Krautsalat und Pommes – beziehungsweise mit Felix und Christopher!
Denn so bequem wie sich das Publikum ganz selbstverständlich im Saal ausbreitet, so bequem haben sich mittlerweile auch die beiden Moderatoren auf der Bühne des Göttinger Slams eingerichtet. Der »Herr Germanist« Christopher Krauß und sein nie auf den Mund gefallener Kollege Felix Römer sind eingespielt und eröffnen routiniert den Abend mit der obligatorischen Frage, wer zum ersten Mal bei einem Slam sei. Nur vereinzelt heben sich Hände – der Slam ist angekommen im Abendprogramm.
Die Kartoffel als lyrisches IchGut gelaunt sondiert Felix zunächst mit ein paar lockeren Fragen die Lage im Theater und schäkert mit den Zuhörern, die sich mit ihren ersten Lachern für die musikalische Vorspeise – The Incredible Herrengedeck aufwärmen. Angenehm unaufgeregt startet das Trio dann rhythmisch in den Abend und zeigt den Göttingern mit seinem neuesten Werk Alles nur Gelaber? Die Audioaufnahme als Medium der Selbstreflexion des Individuums in der spätkapitalistischen Gesellschaft wie sein selbst ernanntes »Ausrasten aus Berlin« funktioniert. Mit Kontrabass, Klavier und Gitarre tragen die sympathischen Jungs eingängig und mit viel Witz ihre Gesellschaftssatiren vor und wählen beispiels- (und passender-?) weise eine deutsche Kartoffel als ihr lyrisches Ich. Nach drei schmissigen Songs geht es dann zum Hauptgang, dem eigentlichen Wettstreit, über.
Dort buhlen in zwei Runden fünf geladene Poeten und vier Mutige von der offenen Liste um die Gunst des Publikums. Natürlich inklusive Klatschabstimmungen, Gehörlosenapplaus und dem traditionellen »Ganz-Körper-Schere-Stein-Papier« vor dem Finale. Nichts ist neu an diesem Abend – der Stimmung tut das aber keinen Abbruch, ja, das Publikum scheint sogar auf die altbekannten Witze und Routinen fast schon begierig zu warten.
Der Poetry Slam in Göttingen findet im Jungen Theater statt. Der offene DichterInnenwettstreit arbeitet mit einem weiten Literaturbegriff: Lyrik, Prosa, Rap, Limmericks, Kurzgeschichten, Dialoge, Wahnsinn oder was auch immer sonst auf die Bühne kommt, Hauptsache die Texte sind selbstgeschrieben, passen in sieben Minuten und werden ohne Hilfsmittel dargeboten. Durch den Abend führen Felix Römer und Christopher Krauss. Wer selbst einmal auftreten will: mind. fünf Plätze werden per Los an DichterInnen aus der offenen Liste vergeben. Einfach abends kommen, Namen auf einen Zettel am Eingang schreiben und schon ist man dabei. Der Göttinger Poetry Slam ist Kooperationspartner von LitLog. Der nächste Poetry Slam findet am 25.5.2014 im JT statt.
In der Überzahl finden sich daher an diesem Abend die fiktiven Ich-Erzähler, die ironisch von ihrem absurden Alltag berichten. Man hört von postkoitaler Verliebtheit, dem Schreiben nur für »Freibier und Frauen« oder auch von »Zuckerbärchen«, der Frau, die den Poeten überhaupt erst auf die Bühne gebracht hat. Die einzige Dame in der Runde gibt melancholisch ihren Großstadtblues zum Besten, was – wenn auch nicht originell – schön anzuhören ist. Publikumsliebling Thorben Schulte präsentiert mit »Bunt ist ihre Lieblingsfarbe« leider eine seiner schwächeren Storys, die nicht komplett überzeugen kann. So klatscht das Publikum in der ersten Hälfte Eike letztendlich noch knapp vor Thorben ins Finale.
In Runde zwei schaffen es erst die letzten beiden Poeten auf ihre jeweils ganz eigene Art, das Publikum wieder aus seiner zufriedenen Mensa-Starre zu befreien, denn beide brechen aus dem beifälligen Storytelling aus: Eberhard von der offenen Liste trägt im Tribut an Shakespeare eigene Sonette vor und es wird ganz still im Saal, während er seine Zeilen erklingen lässt. Lasse Samström hingegen kitzelt als alter Hase des Poetry Slam gleichermaßen die deutsche Sprache und das Zwerchfell der Zuhörer virtuos mit seiner Schüttelprosa. »Ich könnte rausasten« schreit er dem verblüfft amüsierten Publikum entgegen und faltet wieder und wieder seine Arme astgleich von sich weg. Das Publikum johlt und schreit und befördert ihn direkt ins Finale.
Hier lässt sich Lasse allerdings nichts Neues mehr einfallen, sondern verstrickt sich mit gleichem Vortragsstil wieder in seinen Wortverwirrungen, die so kurz nach seinem ersten Auftritt leider an Wirkung verlieren. Denn auch wenn er pathetisch über den „Abendgang des Unterlandes“ referiert, schafft es schließlich Eike dank seiner Publikumsnähe, das Finale für sich zu entscheiden. Sein unkompliziertes »mach deinen Mund auf und sag ja zum Leben« wirkt authentisch und verdient an diesem Abend zu Recht den Sieg.
Und wenn die Geschmacksnerven während dieses Slams auch nur selten gekitzelt wurden, so gehen die Zuhörer am Ende der Veranstaltung doch satt und zufrieden nach Hause – denn manchmal möchte man statt des frittierten Basilikum-Tofus einfach die gute alte Currywurst!