FAZ-Feuilletonchef Patrick Bahners begab sich am 10. Oktober 2011 ins Literarische Zentrum, um mit der Moderatorin Isabel Schayani seine Streitschrift Die Panikmacher. Die deutsche Angst vor dem Islam zu diskutieren. Wie Bahners versucht, den Generalverdacht gegenüber Muslimen aus der Welt zu schaffen, beschreibt Imke Wittig.
Von Imke Wittig
Eines der wichtigsten Ereignisse der Zentrums-Saison sollte dieser Abend werden, so versprach die Anmoderation einer Mitarbeiterin des Literarischen Zentrums Göttingen und läutete so die Buchvorstellung Die Panikmacher von Patrick Bahners ein. Der Feuilletonchef der FAZ möchte durch sein Werk Vorurteile gegen den Islam aus der Welt schaffen und ihn von einer anderen Seite beleuchten, als es Islamkritiker wie Henryk Broder und Thilo Sarrazin tun. Sein Hauptanliegen dabei ist es, gegen den Generalverdacht gegenüber Muslimen anzuarbeiten, der sich durch »Panikmacher« in Deutschlands Köpfen festgesetzt hat. Dieses Ziel verfolgend stellte der Journalist zwei Auszüge seines Buches vor, über die er zunächst mit der Monitor-Moderatorin Isabel Shayani und anschließend mit dem Publikum diskutierte.
Der erste gelesene Auszug seines Buches setzt sich mit dem umstrittenen Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst, und in diesem Zusammenhang mit der muslimischen Lehrerin Fereshta Ludin, auseinander, durch die diese Debatte ausgelöst wurde. Der Autor vertritt hierbei eine spannende These: Der Streit um die Frage, ob es in Ordnung sei oder nicht, ein Kopftuch während des Unterrichtens zu tragen, entstamme nach Bahners nicht einer Lebenswirklichkeit, sondern sei ein gekünsteltes, abstraktes Problem, das die »Hermeneutik des Verdachts« gegen den Islam in Deutschland verdeutliche. Denn obwohl das Tragen des Kopftuches weder bei Schülern, Eltern noch bei den Kollegen zu Konflikten führe, würde es durch die Behörden als ein Problem propagiert.
»Die Bereitschaft, Gespenster zu sehen«Der Journalist fragt sich, weshalb es in Deutschland nötig sei, ein allgemein gültiges Gesetz zu verabschieden in einer Frage, die der Einzelfallprüfung bedürfe. Es müsse unterschieden werden zwischen der freien Frau, die es als angemessen empfinde, in der Öffentlichkeit ein Kopftuch zu tragen, und der religiösen Fundamentalistin, die die Schüler durch ihre Gesinnung zu beeinflussen versuche. Nach Bahners komme das Kopftuchverbot für Lehrerinnen in Schulen, das derzeit in acht Bundesländern in Kraft ist, einem Berufsverbot für muslimische Frauen gleich, die nicht bereit seien, ihre Werte zu verleugnen und auf ihre Rechte zu verzichten. Es zeichne sich ein deutliches Bild in Deutschland ab: Durch die Abstraktheit der Bedrohung durch den Islam, wie ihn viele Menschen vor allem nach dem 11. September 2001 empfänden, entstehe ein Generalverdacht, der Drang nach Präventionen und »die Bereitschaft, Gespenster zu sehen«.
Der zweite vorgestellte Auszug setzt sich mit dem Buch Die fremde Braut von Necla Kelek auseinander, wobei Bahners insbesondere auf die Darstellungsweise der Familiengeschichte der Autorin einging. Kelek beschreibe ihre Familie als westlich geprägte, wohlsituierte, nicht stark gläubige Muslime, die zu Zeiten des Wirtschaftswunders nach Deutschland kam. Obwohl die Familie zahlreiche altertümliche Sitten des Islams abgelehnt hatte, während sie in der Türkei lebte, schwand die Ablehnung dieser mit der Immigration. Der Vater, der, nach Aussagen Keleks, Deutschland für seinen überraschenden Misserfolg verantwortlich machte, wendete sich auf einmal religiösen Werten zu. Beeinflusst sei er dabei durch Keleks »anatolischen Onkel Ali« gewesen, der in einem Hinterzimmer den ersten Gebetsraum eröffnete und somit die ganze Familie zu reaktionärem Gedankengut zwang. Der Autorin zufolge stelle ihre Familiengeschichte ein Paradebeispiel der gescheiterten türkischen Integration dar. Kelek interpretiere die misslungene Assimilation als »Rache der analphabetischen Muslime am säkularen Deutschland«. Bahners kritisiert das Bild, das aus diesen Darstellungsweisen resultiert: Der türkische »Müllmann«, der es schaffe, die Kultur umzudrehen, sei eine Horrorgeschichte, ins Leben gerufen von Islamhassern.
Der Abend endete mit der Einladung Shayanis ans Publikum, an der Diskussion teilzunehmen. Leider bestand diese hauptsächlich aus nutzlosen Beiträgen der Zuschauer, während aufkommende Fragen nicht erläutert wurden. Die Einwände Shayanis klärten zwar einige Unstimmigkeiten, trugen aber leider eher zu einem Frage-Antwort-Spiel statt der eigentlich angestrebten Diskussion bei. Provokantere Fragen hätten nicht nur die teils fehlende Spannung hergestellt, sondern hätten Bahners auch die Chance gegeben, seine Darstellungen zu präzisieren und eventuell an Fallbeispielen zu erörtern. Zu einer überzeugenden Darstellungsweise des Autors fehlte es leider an Fakten und Beispielen, mit der die gewünschte und angestrebte Objektivität seiner Darstellungsweise spielend hätte untermalt werden können. Die Kapitelauswahl Bahners ist daher fraglich, wird sich in diesen zwar mit zwei interessanten Fällen auseinandergesetzt, laden sie doch wenig zu einem kontroversen Meinungsaustausch ein. Bahners Buch scheint der wünschenswerte Versuch zu sein, einen Beitrag zu einem Streit zu leisten, der von Vorurteilen und fraglichen Zusammenhängen regiert wird. Man kann nur hoffen, dass andere Thesen seines Buches durch mehr Tatsachen unterlegt sind, um anti-islamische Tendenzen des Landes weiterhin einzudämmen.