Das DT Göttingen trotzt der Pandemie und öffnet die Pforten zur Tiefgarage. Ab dem 9. Mai gibt es dort eine Adaption von Juli Zehs Corpus Delicti zu sehen. Ende April lud man zur Pressekonferenz, um über Details zu informieren.
Von Stefan Walfort
»In Wohnkomplexen, deren Hausgemeinschaft sich durch besondere Zuverlässigkeit auszeichnet, können Aufgaben der hygienischen Prophylaxe von den Bewohnern in Eigenregie übernommen werden. Regelmäßige Messungen der Luftwerte gehören ebenso dazu wie Müll- und Abwasserkontrolle und die Desinfizierung aller öffentlich zugänglichen Bereiche. Ein Haus, in dem diese Form der Selbstverwaltung funktioniert, wird mit einer Plakette ausgezeichnet und erhält Rabatte auf Strom und Wasser.« Alle anderen müssen sich darauf gefasst machen, von staatlichen Institutionen und dem »Methodenschutz« engmaschiger kontrolliert zu werden. Jede*r trägt einen Chip unter der Haut. Regelmäßig sind ein »Schlafbericht und Ernährungsbericht« abzuliefern. Bei Verstößen oder Auffälligkeiten wie ein »Überschreiten der Blutwerte im Bereich Koffein« oder »Missbrauch toxischer Substanzen im Bereich Nikotin und Ethanol« setzt es Verwarnungen und im Wiederholungsfall saftige Strafen. Aus der Reihe zu tanzen und für Individualität einzutreten, wird gnadenlos verfolgt.
Wie weit sind wir noch von einem solchen Szenario entfernt? Ein bisschen scheint es so, als hätte sich Juli Zeh, bevor sie die zitierten Auszüge in ihrem Roman Corpus Delicti unterbrachte, mal kurz ins Jahr 2020 gebeamt und sei zurückgekehrt, um uns noch rechtzeitig vor einer kommenden
Durch die derzeit geltenden Einschränkungem, von denen alle tiefgreifend betroffen sind, gebe es »plötzlich einen Fokus auf das Solidaritätsprinzip«, so hob Sidler gegenüber den Journalist*innen hervor, die ihrerseits nur unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen zusammenkamen: an weit auseinandergerückten Tischen. Jeder war mit einer farbigen Decke verziert; darauf lag eine bunt gemusterte Maske bereit, die sich kontrastiv von ihrer Unterlage abhob. Schon 2400 Masken habe das DT bislang hergestellt – unter anderem für Seniorenheime, die Feuerwehr, Mitarbeiter*innen des Nahverkehrs und des städtischen Krisenstabs. Man übt sich also in praktischer Solidarität. Eine abstraktere sieht Sidler ohnehin als »Dauerthema« in Stücken seines Hauses reflektiert. Nun, angesichts der Pandemie, stelle sich auf außergewöhnliche Weise »besonders die Frage nach Nähe und Distanz«, mit der das Ensemble »normalerweise einen ganz virtuosen Umgang« pflege, und allen Kolleg*innen sei es ein dringendes Bedürfnis, mit der Covid-19-Krise einhergehende Ängste auf der Bühne zu verhandeln. Corpus Delicti dürfte dafür eine hervorragende Grundlage bieten; das DT macht daraus ein Stück namens Die Methode.
Leiten wird das Projekt Antje Thoms, mit der Tiefgarage bestens vertraute Hausregisseurin des DT, die dort unten schon 2017 Orwells 1984 und ein Jahr später In Alice Welt inszenierte. Sie selbst betonte bei der Konferenz, wie wichtig sie es finde, dass Menschen sich nicht in ihren Wohnungen verschanzen. Ausschließlich im virtuellen Raum aktiv zu werden, empfinde sie als »unbefriedigend«. Sidler stimmte dem zu und erinnerte daran, dass erst direkte Begegnung Theater seinen Eigenwert verleihe. »Möglichst bald« wolle das DT-Team daher »weitere Alternativen zu dem, was im Netz stattfindet, anbieten«. Genaueres wird man beizeiten erfahren.