Mal sind es Weihnachten und Omas Plätzchen, mal Rotkäppchen und die kleine Meerjungfrau: Regina Schleheck lässt für ihre Fantasygeschichten keine Inspirationsquelle unangetastet. Heraus kommen dabei witzige Geschichten. In Basilikumdrache und Schöpfungskrönchen wurden einige davon zusammengetragen.
Von Belinda Schantong
Sowohl die Form der Kurzgeschichte, als auch das deutsche Phantastikgenre erfahren nur wenig Wertschätzung, bedauert der Verlag in Farbe und Bunt (kurz iFuB-Verlag) in seiner Ankündigung des Buchs Basilikumdrache und Schöpfungskrönchen. Die beworbene Anthologie, bestehend aus Kurzgeschichten und Erzählungen der Autorin Regina Schleheck, stelle daher den »Ausdruck höchster Würdigung« sowohl für die Textform als auch für die Autorin dar. Unter ›Phantastik‹ versteht der Verlag dabei unter anderem die Genres Fantasy, Horror und Science-Fiction, sowie entsprechende Unterkategorien, Abwandlungen und Crossover.
Die 35 Texte in Basilikumdrache und Schöpfungskrönchen lassen sich hauptsächlich dem Fantasygenre zuordnen, wobei auch Elemente der Science-Fiction, des Horrors und des Kriminalromans darin zu finden sind. Die Autorin Regina Schleheck wurde unter anderem mit dem Deutschen Phantastik Preis für das beste Hörspiel 2008 und dem Friedrich-Glauser-Preis in der Kategorie Kurzkrimi 2013 ausgezeichnet. Ein Großteil der Texte in diesem Band belegte außerdem hohe Ränge in den Kurzgeschichtenwettbewerben des Corona Magazines, das seit 2014 ebenfalls vom iFuB-Verlag publiziert wird.
Phantastische Späße
Was die Fantasy-Elemente ihrer Kurzgeschichten angeht, zieht Regina Schleheck alle Register. So finden sich in der Sammlung nicht nur moderne Aufbereitungen von Märchen, Sagen und Legenden, sondern auch Umdeutungen jüngerer geschichtlicher Ereignisse mit phantastischen Twists, bis hin zu Besuchen von Aliens und kosmischem Horror. Regina Schlehecks teilweise recht düsterer Humor lässt sich bereits durch Titel wie Totkäppchen und der Rolf erahnen und ist definitiv eine der stärksten Seiten der Sammlung.
Oftmals stecken im Fundament der Geschichten einfache Wortspiele, wie etwa in Web-Space, wo das ›Netz im Weltraum‹ einfach wörtlich genommen und die Geschicke der Galaxie von Spinnen in die Hand – oder vielmehr in die Beine – genommen werden. Oder in Besuch am Heiligen Abend, in der der Weihnachtsmann zum Wein-nachtsmann umgedeutet wird. Der ist hier verzweifelt auf der Suche nach einem Mittel, das ihn zum Weinen bringt, nachdem ihm die Tränen einfach nicht mehr kommen wollen. So simpel die Ideen hinter den Texten damit sein mögen, durch die Konsequenzen, die Schleheck aus diesen Wortumdeutungen zieht, entstehen bisher unerforschte Handlungsräume und unerwartete Begegnungen.
Kritik nur in Häppchen
Auch die – vom Verlag betonte – ernste Seite des Buches ist vorhanden. Insbesondere die menschliche Zerstörungswut wird mehrfach betrachtet. Auch Doppelmoral und Selbstüberschätzung sind wiederkehrende Motive. Schlehecks Figuren sind Alltagsmenschen, keineswegs immer sympathisch und stets realistisch gezeichnet, selbst wenn sie in der Haut eines Drachens stecken. Sie machen Fehler und bekommen dafür die Konsequenzen zu spüren. Aber auch wenn das ein oder andere Mal das Weltbild eines Charakters auseinandergenommen wird, wie beispielsweise in Kant ist Kacke, wo die Protagonistin mit einem kurzsichtigen Versuch, die Welt zu retten, ihren eigenen Untergang heraufbeschwört – insgesamt wirkt es nicht, als hätte sich das Buch das Kritisieren zur Hauptaufgabe gemacht. Es will unterhalten und das können die einzelnen Texte durchaus.
Dass in der Verlagsankündigung Schlagworte wie »tiefgründige und gesellschaftskritische Themen« oder »die ernsteren Töne der Phantastik« besonders ins Auge fallen, lässt es eher so wirken, als wolle man trotz aller Wertschätzung den Stärken der Texte nicht so recht vertrauen und dem Buch stattdessen ein ›seriöseres‹ Image verleihen. Auf lange Sicht bleibt der Nutzen dieser Strategie allerdings schleierhaft: Zum einen entspricht das Buch nicht den so aufgebauten Erwartungen. Zum anderen wirkt es wie ein Versuch, diesen Band über ›gewöhnlichere‹ Werke der Phantastik zu stellen, um ihn vor dem Stempel der Trivialität zu bewahren. Doch wird somit ebendieser Stempel jenen ›gewöhnlicheren‹ Werken nicht umso endgültiger aufgedrückt? Von einem Verlag, der sich wortwörtlich die Förderung von buntem Gedankengut auf die Fahne geschrieben hat, kommt dieser Zug eher unerwartet.
Dabei ist dem Verlag die Förderung und Würdigung dieser Autorin freilich anzurechnen, denn Basilikumdrache und Schöpfungskrönchen wartet mit zahlreichen Highlights auf, von denen hier einige wenige noch genannt werden sollen: In Kellergeschichte etwa steht eine berührende Mutter-Sohn-Beziehung im Mittelpunkt einer Erzählung um das Tier im Menschen. Fairmann nutzt die Wirrungen moderner Technik und führt mit dem Navi Lesende und Protagonisten gleichsam in die Irre. Gefährlicher Zeuge lässt die Lesenden an einem Rachedrama teilhaben, dessen Ende wohl niemand vorhergesagt hätte. Schließlich kombiniert Nicht Fisch, nicht Frau Hans Christian Andersens Die kleine Meerjungfrau mit den Ereignissen des Arabischen Frühlings. Regina Schleheck spielt mit unglaublich vielen Ideen und Konzepten und vermag ein ums andere Mal zu überraschen.