Am Graduiertenkolleg 1787 forschen Promovierende zu thematischen, ästhetischen und ökonomischen Auswirkungen der ‘digitalen Revolution’ auf literarische Texte, Akteure und Institutionen des Literaturbetriebs von den 1980er Jahren bis heute. Auf Litlog stellen die Kollegiatinnen sich und ihre Projekte vor. Heute: Bogna Kazur über »Filmisches Schreiben« im digitalen Zeitalter und US-amerikanischen Gegenwartsroman.
Bitte umreiße kurz Dein Promotionsvorhaben für uns.
Ganz grundsätzlich untersuche ich in meiner Dissertation den literarischen Bezug zum Medium Film, was zunächst nichts Neues ist. Richtig spannend wird es, wenn man sich vor Augen führt, was Film im digitalen Zeitalter eigentlich bedeutet bzw. auch nicht mehr bedeutet. Die Frage nach der verloren gegangenen Materialität des Films und nach dem so alltäglich gewordenen Special Effect findet durchaus Eingang in die Romane filmaffiner und vor allem experimentierfreudiger Autoren. Die US-amerikanische Literatur hat in dieser Hinsicht viel zu bieten – auch historisch gesehen. Mein Fokus liegt allerdings auf Werken wie David Foster Wallaces Infinite Jest (1996) und Mark Z. Danielewskis House of Leaves (2000), die wegweisend sind für die experimentell-literarische Gegenwart. Mit Marisha Pessls Night Film aus dem Jahr 2013 behandle ich außerdem ein sehr aktuelles Beispiel, das mittels einer App zum Buch – dem sogenannten »Night Film Decoder« – Zugang zu digitalem Filmmaterial ermöglicht, ohne dabei auf die Papierform des Buchs verzichten zu müssen. Die Trennlinie zwischen analog und digital ist eben alles andere als klar.
Es ist interessant zu sehen, was passiert, wenn sich ein Buch nicht in sein nostalgisches Papierhaus zurückzieht, sondern seine analoge Form dafür nutzt, die Auswirkungen des Digitalen augenscheinlicher und haptischer zu machen. Dadurch wird man sich ausgerechnet beim Lesen nicht nur seiner ständigen Zuschauer- und Userrolle, sondern auch sehr explizit seiner Rolle als Leser bewusst. Tatsächlich sind die romanbasierten Filmwelten teilweise so ausgefeilt und lebendig formuliert und gestaltet, dass man nach der Lektüre, oder besser gesagt nach der Erkundung des Buchs, das Gefühl hat, einen Film gesehen zu haben. Hinzu kommt die hyperaktive YouTube-Fankultur, die nicht akzeptieren will, dass es bestimmte Filme nur zwischen zwei Buchdeckeln geben soll. Paradoxerweise kommt durch diese Hybridisierung der Medien auch ihre in einer digitalen Umwelt neu entfachte Rivalität zum Vorschein.
Welchen Stellenwert hat die Digitalisierung für dein Promotionsprojekt?
Die Digitalisierung spielt in meiner Dissertation in vielerlei Hinsicht eine sehr konkrete Rolle. Zum einen möchte ich die Entwicklung der Filmkultur unter dem Einfluss der Digitalisierung aufarbeiten und kritisch reflektieren. Technische Fortschritte sind dabei ebenso relevant wie das Wiederaufleben humanistischer Filmstile als Gegenreaktion zur »numerischen Keimfreiheit« des digitalen Codes. In direkter Anknüpfung dazu sehe ich mir an, wie sich dieser Diskurs in Form und Inhalt der Romane niederschlägt bzw. darin fortgesetzt wird. Dabei ist es ebenso wichtig eine »digitale Brille« zu tragen. Denn manchmal fordern gerade Romane über vordergründig analog produzierte Filme eine digitale Perspektive ein.
Gibt es ein Netzfundstück, das zu deiner Arbeit passt?
Das sind die Honest Trailers, weil sie oft sehens- und vor allem hörenswerter sind als die Filme selbst.