Frankfurt: Alle Möglichkeiten
Wie kann man als kleiner Verlag gelten, sichtbar werden? Wie in die Buchläden kommen, in die Feuilletons, auf die Preislisten? Dies ist wohl seit jeher die Crux der unabhängigen Verlage. Auf der diesjährigen Buchmesse wird genau diese Sichtbarkeit der Indie-Verlage zum Thema. Wir haben uns aufgemacht, sie zu finden, großartige Verlagsprogramme aufgespürt und uns vielfältig verliebt. Unsere dritte Begegnung.
Von Annie Rutherford und Marisa Rohrbeck
»Wir haben theoretisch die Möglichkeit, viel mehr von der Welt zu wissen«, meint Christiane Frohmann über das Leben im digitalen Zeitalter. Christiane ist eine leidenschaftliche Verfechterin der digitalen Literaturszene: Sie kuratierte die Electric Book Fair, Deutschlands allererste E-Book-Messe, begründete den monatlichen Katersalon und ist anerkannter Guru in Sachen Bücher und Digitalisierung. Dazu gewann sie 2011 die Auszeichnung als Deutschlands erste E-Book-Verlegerin.
Unsere Autorinnen, die zwei Kulturvermittlerinnen
Annie Rutherford und
Marisa Rohrbeck, zieht das Buchbetriebs-Gewimmel magisch an. Kein Wunder also, dass es sie nun auch nach Frankfurt am Main verschlagen hat. In den nächsten Tagen kommentieren sie für Litlog Verlagstrends, Eventformate und das, was man gemeinhin als persönliche Degeneration bezeichnen würde, allesamt Effekte der Frankfurter Buchmesse-Woche.
2012 gründete Christiane Frohmann den
Frohmann Verlag. In ihrem eine-Frau-Verlag werden literarische und wissenschaftliche Texte rund um Neue Literaturen und netzkulturelle Phänomene veröffentlicht. Das Projekt
#1000Tode, bei dem in kurzen Texten subjektive Gedanken zum Tod zum Ausdruck gebracht werden, wurde vom Frohmann Verlag initiiert. Ihre Bücher werden über die »ebook Boutique«
minimore vertrieben.
Christiane Frohmann (Hrsg.)
Die Berlin Unschick
Essays
Frohmann Verlag, Berlin
laufendes Projekt, 2,99€
In der Arbeit vom
Frohmann Verlag, der aus dem Digital-only-Verlag
eriginals berlin entstand, wird klar, dass E-Books keine reine Digitalisierung von Printprodukten sind, sondern ganz eigene Potentiale haben. Durch Bücher, die sich «updaten« lassen, und Projekte, die hunderte Autor*innen einbinden, werden die Möglichkeiten von Literatur völlig neu geschrieben. So erscheint zum Beispiel alle drei Monate eine neue Version der Prosa-Sammlung
Berlin Unschick, »so lange, bis die Luft raus ist, weil niemand mehr etwas zu sagen oder herzuzeigen hat«, laut der Frohmann-Webseite. Wer ältere Versionen gekauft hat, bekommt die jeweils neue dann »geschenkt«.
Obwohl Christiane den Laden allein schmeißt, betont sie die kollaborative Natur ihrer Arbeit: »Durch soziale Netzwerke geht man über die Grenzen des Individuums hinaus«, erklärt sie. Durch Twitter und Facebook, wo sie Debatten immer wieder anreichert, stößt sie schnell auf Mitstreiter. Die digitale Literaturszene ist so jung, erläutert sie, das sei ganz toll: Da verstehen Akteure einander nicht als Konkurrenz, sondern als Verbündete.