Hetzerei von einem Lesungstermin zum anderen, lange, dicht gestaute Gänge, das ständige Gefühl, etwas Wichtiges zu verpassen, schlafreduzierte Nächte und am nächsten Morgen der (intellektuelle) Kater. Es ist wieder soweit: Die weltgrößte Buchmesse lockt 2015 mit Gastland Indonesien. Annie Rutherford und Marisa Rohrbeck schauen dem Betriebswahnsinn ins Gesicht berichten in den kommenden Tagen für Litlog aus Frankfurt. Vorab A Beginners‘ Guide to the Frankfurt Book Fair
Von Annie Rutherford und Marisa Rohrbeck
Der medizinische Begriff für unseren Zustand auf der Rückfahrt von der Frankfurter Buchmesse 2013 war Messeüberdruss: Ein Zustand, der zu visuellen Störungen führen kann, wie etwa der Eindruck, dass alle Verlagsstände gleich aussehen. Auch die Neigung, Elemente des Small Talk in der falschen Reihenfolge zu wiederholen, kann ein schwerwiegendes Symptom sein. Die häufigste Ursache von Messeüberdruss sind Besuche bei einer Buchmesse (in manchen Fällen können aber auch lange Fahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln ähnliche Auswirkungen hervorrufen). Obwohl Messeüberdruss nur in den seltensten Fällen lebensgefährlich ist und Patienten meistens ohne medizinische Hilfsmittel wieder gesund werden, empfiehlt es sich, ein paar Tricks anzuwenden, um Ansteckung zu vermeiden. Hier ein paar Tipps, wie dies am besten zu schaffen ist.
Get the AppSchon bevor man die Frankfurter Buchmesse betritt, können die ersten Symptome von Messeüberdruss auftreten – bei dem Versuch, den Tag auf der Messe zu planen. Das liegt teilweise an der überwältigenden Zahl der Veranstaltungen – wenn es abertausende von Lesungen, Empfänge und Preisverleihungen gibt, ist ein ziemlich gutes System notwendig, um durch die ganzen Möglichkeiten zu navigieren. Und genau das bietet die Webseite der Frankfurter Buchmesse nicht: Die größte Buchmesse der Welt durfte sie sein, aber was übersichtliche Suchfunktionen angeht, könnte sie immer noch etwas lernen.
Eine Lösung hierfür wäre die Messe-App, die, im Gegensatz zu der Webseite, tatsächlich für Menschen gebaut worden ist. Eine andere Alternative bieten die Webseiten von anderen Veranstaltern – wie Open Books (mehr dazu unten), oder Verlage und Medien, z.B., die die eigenen Veranstaltungen bewerben. Zwar erfährt man hier nicht von der ganzen Vielfalt des Messeangebots, hat aber vielleicht ausgerechnet deswegen mehr Chance, etwas zu finden, was einen interessiert.
Pläne schmieden, aber nicht zu vieleUnd hier kommen wir schon zum zweiten Punkt: Wer als Tourist stolz sagt, »Ach, großartig planen tue ich nie, ich gucke einfach, wohin der Wind mich weht, so entdeckt man immer die schönsten Ecken«, wird irgendwann merken, dass er an Verlagsständen entlang läuft, die alle zunehmend ähnlich aussehen (oder waren wir hier eben schon einmal?). Zum dritten Mal kommt er zum Ende einer Lesung und starrt nur den Rücken der Autorin an, in der verzweifelten Hoffnung, herauszufinden, wer sie ist.
Was auch an den letzten Familienurlaub erinnern könnte: Sandwiches und Wasserflasche solltest du nicht vergessen. Zugegeben, gelegentlich macht es Spaß, lange Schlange zu stehen, nur um zu entdecken, dass das Essen bei der schicken Salatbar genauso teuer ist, wie die Pommes von gegenüber und dass wahrscheinlich nur die Plastikverpackung mehr Nährstoffe enthält. Für den Fall, dass einem aber nicht danach ist, raten wir zu der Tupperdosen- und Thermoskannen-Variante.
Dabei lohnt es sich, dich mit jemandem anzufreunden, der bei einem Messestand arbeitet, wo es Kaffee gibt – und im besten Falle auch Schokolade. Die Volontärin von der Literaturagentur, deren Namen du immer vergisst, ist deine neue beste Freundin. Lass sie nie den Verdacht schöpfen, dass dies vielleicht nicht der Fall sei.
The Do’s and Don’ts of FreebiesNach dem letzten Besuch der Frankfurter Buchmesse kamen wir nebst Taschen voll großartiger Zeitschriften, Literaturbeilagen und einem Fahrradsattelschutz mit einem Führer durch die Welt der Supermarkt-Weine. Ja, richtig, genau unser Geschmack. Er hat, ääh, unsere Gewohnheiten, Wein auszuwählen, völlig verändert…
Ein Hinweis also: Nur weil es kostenlos ist, bedeutet es nicht, dass du es morgen noch gut finden wirst, geschweige denn gebrauchen kannst. Wenn ein Buch verschenkt wird, gibt es häufig einen Grund dafür. Und auch Kugelschreiber hat man irgendwann genug.
Aber den kostenlosen Jutebeutel? Den nehmen wir doch gerne.
You may go to the ball, CinderellaWer denkt, der Messespaß sei vorbei wenn sich die Tore der heiligen Hallen schließen, verpasst eine Menge. Denn am Abend (und gern auch mal die ganze Nacht) gibt es unzählige Lesungen, Parties und Events. Open Books zum Beispiel organisiert Lesungen überall in der Stadt, mit Autorinnen, die am Tag auf der Messe nur an einem vorbei zischen. Auch bei Parties von Frankfurter Verlagen und Preisverleihungen trifft sich das Who’s Who der Literaturbranche. Die gute Nachricht: Viele dieser Events scheinen zwar exklusiv, aber feiern und tanzen zu Musik, meist aufgelegt von Autoren, darf jeder.
Die Kunst bleibt dann, nach nur zwei Stunden Schlaf am nächsten Morgen wieder frisch auf der Messe zu erscheinen. Wie du nach drei Nächten dieser Art den Messeüberdruss vermeiden kannst, können wir dir allerdings nicht verraten.