Einmal in die Südsee und zurück. Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee, nach Erich Kästner, feierte am 06. Dezember Premiere am Theater im OP. Mit einer Inszenierung von Carola Croll bringt das Ensemble eine gelungene Vorstellung.
Von Nils Finck
Es ist Donnerstag, der 35. Mai, und wie alle wissen, die Erich Kästner kennen, ist dieser Tag prädestiniert dafür, völlig verrückte Abenteuer bereitzuhalten. Der junge Konrad (Michel Kramer) will seinen Onkel, den Apotheker Ringelhuth (Martin Liebetruth), besuchen, so wie jeden Donnerstag. Doch dieser Donnerstag ist nicht wie jeder andere: Konrad muss einen Aufsatz über die Südsee schreiben, da er seinem Lehrer zufolge zu gut in Mathe sei und keine Fantasie besäße. Und als wenn das nicht schon genug wäre, begegnet Konrad und Ringelhuth auf der Straße das arbeitslose, rollschuhlaufende Pferd Kaballo (Mark Tsiolis). Für ein Stück Zucker erklärt es Konrad und seinem Onkel den Weg in die Südsee und schließt sich den beiden an.
»In den Kleiderschrank und immer geradeaus!«Konrad zögert keine Sekunde und geht mutig voran. Doch diese Reise führt sie nicht direkt in die Südsee, sondern nimmt immer wieder verrückte Wendungen, die die Abenteuerbereitschaft der bunt zusammengewürfelten Truppe auf die Probe stellt. So landet das Trio über den Blumenwald im Schlaraffenland, wo sie vom Präsidenten, dem dicken Seidelbast (Tobias Wojcik), empfangen werden. Dort werden alle Wünsche wahr und ein einfaches »Zurück, Marsch, Marsch« reicht aus, um den wahrgewordenen Traum wieder ins Reich der Fantasie zu schicken. Nachdem die drei
Inszeniert nach: Erich Kästner
Regie: Carola Croll
Premiere: 06. Dezember 2019
In der verkehrten Welt sind die Kinder die Lehrer und versuchen die Erwachsenen zu erziehen. Die Eltern müssen dieselben Strafen aushalten, die sie in der normalen Welt ihren Kindern aufgebrummt haben. In diesem vielleicht ernstesten Abschnitt des Stückes konfrontiert Charlotte Korte als Konrads Schulfreundin Babette glaubhaft und emotional die Erwachsenen mit ihrem eigenen grausamen Verhalten. So muss eine Mutter auf ihrem Balkon in der Kälte leiden, da sie ihr Kind in der realen Welt genauso bestraft hat. Über die Stadt Elektropolis erreichen sie dann den Äquator. Dort begegnen sie zwei Damen (Anja Kütemeyer und Sarah Pantke), deren wichtige Aufgabe es ist, den Äquator zu putzen, damit er nicht durchrostet. Mit Hilfe der Putzfrauen erreichen sie dann endlich ihr ersehntes Ziel: Die Südsee. Hier lernen sie Petersilie (Mina Varela) und den Häuptling Rabenaas (Richard Varela) kennen. Zusammen bekämpfen sie einen Walfisch im Urwald und kosten von exotischen Spezialitäten.
Der Weg ist das ZielKaballo fühlt sich in der Südsee nicht nur wegen der wohlschmeckenden Zuckerrohrfelder wohl, sondern auch weil er eine schöne Schimmeldame kennenlernt. Er will hier bleiben, aber Konrad muss bald wieder zur Schule und seinen Aufsatz schreiben; auch Onkel Ringelhuth muss rechtzeitig zum Nachtdienst in der Apotheke kommen. Also verabschieden sie sich von Kaballo und schaffen es mit der Hilfe von Häuptling Rabenaas gerade noch rechtzeitig durch den Wandschrank nach Hause. Ein letztes »Hacke, Spitze, Hoch das Bein« und schon ist die Reise wieder zu Ende.
Zu Beginn des Stückes erscheint die Bühne des ThOP überraschend leer. Lediglich der Balkon, auf dem sich die Wohnung des Apothekers Ringelhuth befindet, ist mit einigen wenigen Möbeln und Requisiten ausstaffiert. Das Publikum ist also keineswegs vorbereitet auf die materialintensive Inszenierung, die auf der schlichten, schwarzen Bühne stattfindet. Insbesondere die Kostüme der Nachwuchsdarsteller*innen sind mit viel Liebe zum Detail arrangiert worden und bieten zusammen mit dem oft wechselnden Bühnenbild eine bunte, schräge Show, die zu keiner Zeit langweilig wird. In jeder einzelnen Szene wird bemerkbar, wieviel Zeit und Liebe das Ensemble und alle Beteiligten in diese Produktion gesteckt haben.
So abstrus und fantastisch diese ganze Reise klingt, so relevant ist sie als Kommentar auf das aktuelle Zeitgeschehen. Zum Beispiel bemerkt Konrads Onkel beim Betreten des Schlaraffenlandes, dass die Menschen es einem beim Grenzübertritt aber auch immer besonders schwer machen müssen. Die Aktualität des Stückes und der dazugehörigen Themen wie eben den Rechten von Kindern und der Fantasie als Rückzugsort für Menschen, die keinen anderen Ort haben, an den sie fliehen können, erklärt sich von selbst und wird vermutlich niemals überholt sein. Trotzdem oder gerade deswegen kann eine Erinnerung daran nicht schaden und ergibt besonders in diesem Kontext Sinn.
Das Ensemble wird der Vorlage von Erich Kästner mitsamt dem charmanten Humor und der übersprühenden Kreativität zu jeder Zeit gerecht und überzeugt mit jeder Szene aufs Neue, was sich in dem wiederkehrenden Szenenapplaus und dem begeisterten Jubel am Ende des Stückes niederschlägt. Im Gedächtnis werden den Zuschauer*innen nach der Premiere wohl neben dem unterhaltsamen, leichten Abend auch die großartigen Leistungen der drei Hauptdarsteller Martin Liebetruth, Michel Kramer und Mark Tsiolis bleiben. Mal herrlich abstrus und mal herzerweichend unbeschwert nehmen die Drei das Publikum auf ihre wunderbare Reise mit und das wird niemand im Publikum an diesem Abend bereut haben.