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Hibiskus aus Plastik und Seide

In ihrem mittlerweile dritten Gedichtband bedichtet Sabine Schiffner die Heimat und die Fremde, die Kindheit und die Einsamkeit. Dabei hält ihr Ton die empfindliche Balance zwischen Melancholie und feiner Ironie. Unsere Kritikerin urteilt: ein hübsches Buch, gepackt in einen grellbunten Umschlag.

von Sjoukje Dabisch

Es sind allein 26 Vogelarten, die in Sabine Schiffners vielseitigem Band dschinn bedichtet werden, womit ihre Zeilen »man sagt du könntest / über nichts anderes schreiben als / mondschein abendrot morgenrot« schon widerlegt wären. Man liest außerdem von Elektrolicht, Geistern, Manien, und selbst die Vogelgedichte bringen sich vor allzu viel Natursensibilität in Sicherheit, indem gegebenenfalls einer erschossen wird.

Die gebürtige Bremerin Schiffner schreibt von der Heimat und der Fremde, der Kindheit und Einsamkeit. Dabei hält ihr Ton die Balance zwischen Melancholie und feiner Ironie. Die Wendung bringen nicht zuletzt simple Reime, die uns erinnern, diese Gedichte nicht zu ernst zu nehmen, erzählen sie doch von einem alltäglichen, ertragbaren Unglück: »die nacht beginnt zu schreien / schreit mit dem käuzchen um die wette / die nacht lässt ihre federn fallen / die nacht ist eine klette«. Andere Unannehmlichkeiten erledigen sich von selbst:

ich habe ja nur mehr
so getan als würde ich schreiben
antworte ich und
schaue sie wie
unbefangen an
die mutter schaut seltsam zurück
und geht zum glück
wieder aus dem zimmer

Mit Zaubertinte und einsamem Joint vertreibt sich das lyrische Ich im Jugendzimmer das Warten auf die Levinertorte – doch weniger naiv als wissend, dass hereinbrechende Konflikte in jedem Blumengeschenk lauern können: »ich stecke mir hibiskus an / du hasst dies blumen brechen / wo es doch blumen gibt aus plastik und / aus seide«.

Die Hafentage berichten vom letzten Tag der Unschuld, dem Abschied von der Kindheit. An die erinnert auch die Mutter, allerdings eine böse, von Schneewittchen zu Recht gefürchtete Märchenstiefmutter. Es ist die Mischung aus Realität und Realitätsflucht in die Ferne und Erinnerung, die die Mehrseitigkeit dieser Gedichte ausmacht. Das Verlangen, der ans Innerste gehenden Langeweile zu entkommen, treibt in die Fremde.

Buch-Info

schiffner
Sabine Schiffner
dschinn
Gedichte
Fischer: Frankfurt am Main 2007
128 Seiten, 18,90 €

 
 
Während Schiffner heute auf Mallorca lebt, bindet sie ihre Heimatstadt und ihren früheren Studienort Köln ebenso in ihre Gedichte ein wie exotische Reiseziele. Orte sind explizit. Das titelgebende Gedicht »dschinn« (arabisch für Geist) erzählt vom Bremer Marktplatz. So wogen wir von Wasser, Weser, Wangerooge zu Wüste, Shisha und Dämonen. Doch wie die Heimat zieht das Alleinsein mit an alle Orte. Sowohl das gefühlte Alleinsein, die Einsamkeit, die einsetzt, wenn es nichts sonst zu bedauern gibt, als auch das tatsächliche Alleinsein der alleinerziehenden Mutter. Über die heißt es, für Arbeit und Wahn lohne es sich, ins Fitnessstudio zu gehen – und das philologisch gebildet, in Gedanken bei griechischer Mythologie und ägyptischer Nacht.

Doch zu exotische Lyrik treibt ab und zu viel Ferne macht sie langweilig. Die bewegenden Geschehnisse wie der Tod und dass wir zu schüchtern waren, um zu tanzen, werden auf vertrautem Boden erzählt. So stechen, neben den alltäglichen Enttäuschungen, Gedichte wie das erste über den Verlust eines Kindes und das Celansche Hochzeitsgedicht heraus: »die sonne fiel / und die braune braut sank / im wald am rhein / zu boden«.

Der 1965 geborenen Autorin gelingt es facettenreich, ihren eigenen Ton und Sinn zu treffen in ernsten wie in banalen Zeilen: »den hibiskus tu / bitte in den müll sagst du / die blumen machen mich allergisch / vor allem in geschlossenen räumen«.

dschinn ist bereits Schiffners dritter Gedichtband, einen Roman (Kindbettfieber), den sie 2005 in Klagenfurt vorstellte, schrieb sie auch. Sie weiß, manche hielten es für lächerlich, das festzuhalten, was sofort wieder vergeht, andere sahen sich gezwungen, den Schnee zu dokumentieren. Insgesamt ein hübsches Buch, gepackt in einen grellbunten Umschlag.



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 Autor*in:
 Veröffentlicht am 9. April 2010
 Kategorie: Belletristik
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 3 Kommentare
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3 Kommentare
Kommentare
 Sabine Schiffner
 2. November 2010, 08:07 Uhr

Liebe(r) Sjoukje Dabisch!

Ich möchte Ihnen ganz herzlich für die sehr schöne Besprechung meines Gedichtbandes “Dschinn” danken, die ich eben per Zufall im Internet fand! Ihre sehr präzisen poetischen Analysen, das Einfühlungsvermögen in die Gedichte und auch wie Sie Text und Zitate verbunden haben, alles das hat mir sehr gut gefallen!
Während des Lesens hatte ich das Gefühl, Sie seien schon immer auf meinen Spuren gewandelt!
Einen herzlichen Gruss von
Ihrer
Sabine Schiffner

 vox insaniae
 17. Januar 2011, 21:28 Uhr

Ganz offenbar ein nicht zu unterschätzender Vorteil des Gegenstandsbereichs zeitgenössische Literatur: Der Autor kann sich für positive Besprechungen seiner Werke direkt beim Rezensenten bedanken – ganz ohne Séance, wenn auch nicht frei von Esoterik.

[…] Sjoukje Dabisch: Hibiskus aus Plastik und Seide litlog.de, 9.4.2010 […]

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