Von unten nach oben nach unten: Juri Lotmann hätte seine Freude an einer Geschichte wie der, die momentan im ThOP gespielt wird. Was vom Himmel fällt darf als Exempel raumsemantischer Interpretationsmöglichkeiten oder einfach als »skurriles Liebesstück« gesehen werden. Magdalena Kersting beschaute die Premiere.
Von Magdalena Kersting
Regen, Frösche, Fische, Geldscheine, Kühe, Weltraumschrott: Der Himmel ist groß und die Angst allgegenwärtig. Keraunothentophobie – die Angst vor herabfallenden Satelliten – ist in James Grahams romantischer Komödie der Beginn einer zarten und originellen Liebesgeschichte, die das ThOP in deutscher Erstaufführung zeigt.
Robin hat seit Jahren nicht mehr seine Wohnung verlassen. Seit ihm als Kind aus heiterem Himmel ein Herrenschuh auf den Kopf fiel, ist der Bücherwurm ein Gefangener seiner absurden Angst vor allem, was vom Himmel fallen könnte. Am liebsten sitzt er deshalb auch unter der dicken und schützenden Platte seines Esszimmertisches und schreibt Kinderbücher. Allen Versuchen seiner Mutter und einer Psychiaterin zum Trotz hat er sich mit der Situation abgefunden und lebt zufrieden in seinem selbst gewählten Käfig. Bis er Jacqui kennen lernt – natürlich in einem Chatroom. Jacqui ist selbst eine Keraunothentophobin und in langen Webcam-Gesprächen tauschen sich die beiden über ihre Furcht und ihre Albträume aus und kommen sich langsam näher. Doch Jacqui, die die Welt und das Leben außerhalb ihres Zimmers vermisst, sind die Online-Kontakte bald nicht genug und sie will mehr…
Robin wird in der Inszenierung von Christopher Seltmann bestechend authentisch verkörpert. Als liebenswürdiger Antiheld in Jogginghose und Wollsocken, der schüchtern zwischen seinen Bücherstapeln kauert, stellt er gekonnt den Gegenpart zu Ayse Bolik dar, die mit ihrer starken Präsenz Jacquis energischen und lebenshungrigen Charakter auf die Bühne bringt. Das ungleiche Paar agiert leichtfüßig und überzeugend im Licht- und Schattenspiel der Kulisse, das nicht nur optisch die Zimmer der beiden trennt, sondern auch geschickt den Eindruck des durch einen Bildschirm Lugens beim Publikum erweckt. Zudem wird damit der ständige Wechsel zwischen Hoffnung und Enttäuschung, zwischen Liebe und Angst der Protagonisten atmosphärisch unterstrichen.
Das Stück ist ein außergewöhnliches und modernes Liebesabenteuer, das gleichzeitig ernst und mit einem unterhaltsamen Augenzwinkern die Möglichkeiten und Grenzen des Zusammenseins sowie die Sehnsucht nach echter Gemeinschaft im Internetzeitalter thematisiert und gerade durch die überspitzt skurrile Keraunothentophobie im Zentrum der Handlung die Bodenhaftung nie verliert.
Hier der Bühnen-Teaser