Das Theater im OP inszeniert Oliver Bukowskis Friday Night . Mit dabei sind ein bisschen Gesellschaftskritik, eine Prise Emanzipation, mittelgroße Verwirrung und sehr gute Schauspieler_innen.
Von Anna-Lena Heckel
Irgendwie emanzipiert»It’s Friday Night. Einmal alle vier Wochen.« Britta, Kittie, Nattchen und Krüger, vier Frauen um die dreißig, ziehen allmonatlich um die Häuser: Trinken, Tanzen, Männer aufreißen. Sie geben sich rücksichtslos, selbstbewusst und irgendwie emanzipiert. Bis zu jenem Freitagabend, an dem aus dem »irgendwie« ein »irgendwie eher weniger« wird: Abhängigkeit von einer bürgerlichen Kleinfamilie, von aufdringlichen Personalchefs, von einem, der eine gute Beziehung zu Gewürzregalen hat, von Bestätigung, von Schönheitsidealen. Dies zeigt sich durch Zoff, Schlägereien, Geschrei und Unverständnis der vier Freundinnen untereinander: »Dein Gesamteindruck lispelt ein wenig« ist eine der freundlicheren Aussagen. Eher wird ein Ton wie dieser angeschlagen: »Du Dildoschnalle!« Und trotzdem brauchen sie einander, etwa um sich kluge Ratschläge zu geben: »Ich liege da, sehe sinnlose Buchstaben und denke ›blobb‹«. … »Dann wirst du eben ohne Glück glücklich.«
So beginnt die »Zusammenarbeit«. Doch schnell wird deutlich, dass keine gemeinsame Vorstellung von der Mitarbeit Jans existiert: Die Traummänner der vier Frauen sind grundlegend verschieden, und so auch ihre Fragen an ihr Exemplar Mann. Müsste eine Person alle Ideale erfüllen, so wäre sie wohl »Rocky mit ’nem Spritzer Lassie und ’ner ordentlichen Ladung Bob der Baumeister.« So stellt Kittie fest: »Das Ich und romantische Liebe passen nicht zusammen. Wir sollten kein Ich haben.« Jan ist überfordert und versinkt in Selbstmitleid, er kommt »vom Regen unter Umgehung der Traufe direkt in die Scheiße.« Er rastet aus, schreit und lacht hysterisch. Trotzig tobt er: Frauen seien ohnehin nicht mehr wert als ihre Gebärmutter. Und wo er schon dabei ist, da vergleicht er gleich mal alle Frauen mit Hitler. Sein Toben zeigt, dass die zweigeschlechtliche Ordnung kein guter Weg ist, um menschliches Verhalten zu erklären. Dies thematisiert das Stück allerdings nicht explizit.
Die Corinnas dieser WeltZwischen all dem Gezanke solidarisieren sich die vier Frauen mit Jans Frau Corinna – oder eher mit sich selbst, denn »wir alle kennen Corinna, wir sind Corinna!« Es ist ein Kampf für die Corinnas dieser Welt. Corinna ist Projektionsfläche für die, die sich schwer tun mit der ganzen Misere um Männer und Frauen – freilich aber innerhalb der heteronormativen Ordnung.
Friday Night basiert auf Genderstereotypen, die in sich immerhin differenziert sind. Und betrachtet man es mit Wohlwollen, so kann man sagen, dass das Stück die Unzulänglichkeit der bestehenden Geschlechterordnung herausarbeitet. Oder aber man findet die Reproduktion von Stereotypen schlicht plump. Es stellt sich die Frage, ob Friday Night mit seinen starken Frauenfiguren Frauen (innerhalb der heteronormativen Struktur) bestärken soll. Diese Lesart allerdings schließt das ThOP durch seine Inhaltsangabe aus, denn dort scheint Jan der zentrale Charakter zu sein, wenngleich er vor der Pause nicht einmal im Gespräch ist.
»Meine Damen, die Spiele sind eröffnet!«Während der Gehalt von Bukowskis Stück also diskussionswürdig ist, leisten Thomas Rühling und Nikolaus Wildberg in ihrer Inszenierung erfreuliche Arbeit. Der Theaterbesuch ist eine Party auf höherer Eskalationsstufe: Die Keilereien sind spektakulär, Lichtschwerter und Stroboskoplicht kommen zum Einsatz. Es wird wild getanzt, während Jan einem Teddybären seine Liebe ins Knopfaugengesicht brüllt und anschließend mit Kettensäge und Babywindel bearbeitet wird.
Durch die Räumlichkeiten der Notaufnahme und die meist schummrige Beleuchtung entsteht ein intimer Rahmen, dem die Schauspieler_innen durchaus gewachsen sind. Sie überzeugen durch sicheres Auftreten, selbst leicht bekleidet oder in Tränen aufgelöst. Aysebike Yalcin schafft es, als Krüger durchs Publikum zu tanzen und Besucher heftig anzuflirten, ohne, dass es peinlich wird, um sich an anderer Stelle beleidigt zurückzuziehen oder Britta aggressiv anzugehen. In der Rolle von Britta präsentiert Anja Marszalek die rücksichtslosen Aussagen authentisch und mit Schlagkraft, sie überzeugt mit Distanzlosigkeit. Auch Laura Apel und Tina Schunder überzeugen als Kittie bzw. Natalie durch Präsenz auf der Bühne, Durchsetzungsvermögen und einen eigenen Typus, den sie während der Aufführung konsequent vertreten. Alle vier fallen in keinem Moment aus ihrer Rolle und haben Spaß dabei – das übertragen sie auch aufs Publikum.
»Irgendwie.«Das ist das letzte gesprochene Wort. Und es fasst die Inszenierung gut zusammen: Was das Stück will, wird nicht wirklich ersichtlich, ›irgendwie‹ was mit Emanzipation, ›irgendwie‹ Geschlechterrollen, ›irgendwie‹ Lebenskrise, ›irgendwie‹ die Angst vor einem Matriarchat. Aber die Inszenierung bringt Spaß. Es ist eine ästhetische Eskalation. Und auch, wenn am Ende alles anders aussieht als zu Beginn, so ist es doch noch immer Friday Night. ›Irgendwie.‹