Impressum Disclaimer Über Litlog Links
Wissenschaftliche Rezension
Literaturgeschichte kompakt

Benedikt Jeßings Einführung in die neuere deutschsprachige Literaturgeschichte liefert einen kompakten, auf die Bedürfnisse der Bachelor-Studiengänge zugeschnittenen Überblick über die Literatur von 1500 bis zur Gegenwart.

Von Marco Henkel

Werke, die einen Überblick über die deutschsprachige1 Literaturgeschichte liefern, sind nicht erst seit Einführung der Bachelor-Studiengänge Legion. Einige sind dabei sehr umfangreich und erstrecken sich über mehrere Bände;2 andere, wie die 2008 erschiene Monographie Neuere Deutsche Literaturgeschichte des Bochumer Professors für Sprach- und Literaturwissenschaften Benedikt Jeßing, versuchen einen knappen, zugleich aber auch möglichst informativen Überblick zum Thema zu liefern. Jeßings Ziel war es, auf etwas über 250 Seiten eine speziell auf die Bedürfnisse von Studierenden der modularisierten Bachelor-Studiengänge ausgerichtete Einführung in die Literatur vom Jahr 1500 bis zur Gegenwart zu liefern.

Reflexionen zur Literaturgeschichtsschreibung

Bevor Jeßing jedoch seinen Streifzug durch die Literaturgeschichte beginnt, reflektiert er zunächst, welche Kriterien der Literaturgeschichtsschreibung überhaupt zu Grunde liegen und was zum Objektbereich der Literaturgeschichte gehört. Ausgangspunkt ist dabei die Theorie von Friedrich Schlegel, der drei Kategorien (charakteristisch, chronologisch, geographisch) zur Einteilung von Literatur liefert. Natürlich kann die Literaturgeschichte nicht völlig losgelöst von ihren historischen Kontexten gesehen werden. Vielmehr müsse die Sozialgeschichte, Ideengeschichte, Diskursgeschichte, die Gattungsgeschichte und auch die Mediengeschichte als Kontext für das Entstehen der Texte betrachtet werden, so Jeßing.

Auch der Status von Epochenbegriffen wird von Jeßing problematisiert, sind diese doch, wie er feststellt, »in fast allen Fällen Hilfskategorien« (S. 7). Bei Studierenden können die oft wechselnden Epochenbezeichnungen und divergierenden Zuordnungen schnell für Verwirrung sorgen. Besonders in der Literaturgeschichte ab dem 19. Jahrhundert falle die Einteilung durchaus schwer, da viele Strömungen parallel verlaufen. Schließlich reflektiert Jeßing die Kanonisierung, die mit der Literaturgeschichtsschreibung einhergeht. Dass einer Literaturgeschichte immer ein Selektions- und Hierarchisierungsprozess vorausgeht, dessen ist sich der Autor durchaus bewusst, doch hält er die Kanonisierung zugleich »für das kulturelle Selbstverständnis eines Volkes für unverzichtbar« (S. 9).

Gestaltung des historischen Teils

Im historischen Teil gliedert Jeßing die Literaturgeschichte grob, mitunter vielleicht etwas zu grob, in fünf Kapitel ein. Dabei steht jedes Kapitel für ein Jahrhundert: 16. Jahrhundert: Reformation und Gegenreformation, 17. Jahrhundert: Barock, 18. Jahrhundert: Aufklärung, 19. Jahrhundert: Romantik bis Ästhetizismus und 20. Jahrhundert: Vom Expressionismus bis zur Gegenwart. Flankiert von Verweisen auf die wichtigsten historischen Ereignisse und die sozialen Umstände der Zeit, erklärt Jeßing in einfacher, angemessener und bildhaften Sprache die wichtigsten literarischen Strömungen und Gegenströmungen und nennt ihre wichtigsten Vertreter. Zur Auflockerung wie zur Ergänzung sind die Kapitel großzügig, wenn auch leider nur in Schwarz-weiß bebildert, was zwar eher den Eindruck eines Schul-, anstatt eines Studienbuches hervorruft, aber für den Verständnisprozess durchaus hilfreich ist. Darüber hinaus ist die Gestaltung mittels Randbemerkungen und Absatzüberschriften überaus gelungen und sehr übersichtlich.

Buch-Info

literaturgeschichte
Benedikt Jeßing
Neuere Deutsche Literaturgeschichte
Eine Einführung
Narr Verlag: Tübingen 2008
264 Seiten, 14,90 €

 
 
Leider fehlen am Ende der Kapitel die von Studierenden so geschätzten Übersichtstabellen, die das Wichtigste noch mal auf einen Blick zusammenfassen. Damit wäre das Buch als Nachschlagewerk und zur Wiederholung vor Klausuren sicherlich noch wertvoller geworden. Auch die Bibliographie mit vertiefender und weiterführender Literatur hätte durchaus etwas üppiger ausfallen dürfen. Wünschenswert wäre schließlich eine umfangreichere Verwendung von Textbeispielen gewesen, durch welche die Besonderheiten und Merkmale der jeweiligen Epochen in manchen Fällen konkreter hätten veranschaulicht werden können.

Fazit

Entsprechend der Anlage des Werks als Einführung verzichtet Jeßing auf detaillierte und allzu ausführliche Darlegungen, was jedoch nur im Einzelfall zu einer allzu starken Verknappung führt: Besonders der Abschnitt zur Literatur nach 1989 ist mit drei Seiten sehr kurz ausgefallen. So bietet Jeßings Einführung vor allem für fortgeschrittene Studierende nicht viel Neues; insgesamt aber ist das Buch trotz kleiner Abstriche durchaus gelungen und nicht nur für Studienanfänger, sondern auch für Schülerinnen und Schüler zu empfehlen, denn es bietet das, was man von einer soliden Einführung erwartet: Einen groben, aber guten und verständlichen Überblick über die Geschichte der deutschsprachigen Literatur mit ihren wichtigsten Vertretern und Epochen.

  1. Der Begriff der ›deutschen Literaturgeschichte‹ ist für mich problematisch, da auch deutschsprachige Autoren aus dem Ausland zur ›deutschen Literaturgeschichte‹ zählen. Deswegen soll im Folgenden der Begriff der ›deutschsprachigen Literurgeschichte‹ gewählt werden.
  2. Einen Überblick bietet Jeßing selbst in: Benedikt Jeßing: Bibliographien für Literaturwissenschaftler. Stuttgart 2003. S. 54 – 63.


Metaebene
 Autor*in:
 Veröffentlicht am 9. April 2010
 Kategorie: Wissenschaft
 Bild von Nasos3 via flickr
 Teilen via Facebook und Twitter
 Artikel als druckbares PDF laden
 RSS oder Atom abonnieren
 Keine Kommentare
Ähnliche Artikel
Keine Kommentare
Kommentar schreiben

Worum geht es?
Über Litlog
Mitmachen?