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GRK 1787
Literaturkritik im Umbruch?

Am GRK 1787 forschen Promovierende zu den verschiedenen Auswirkungen der ‘digitalen Revolution’ auf den gegenwärtigen Literaturbetrieb. Auf Litlog stellen die Kollegiaten sich und ihre Projekte vor. Heute: Katharina Lukoschek über Veränderungen literarischer Kommunikation im und durch das Internet.

Bitte umreiße kurz dein Promotionsvorhaben für uns.
In der letzten Dekade hat sich das Feuilleton einen neuen Erzfeind auserkoren: Das Internet und seine Nutzer, die auf nicht-professionelle Weise über Literatur kommunizieren und die Literaturkritik sukzessive abzulösen scheinen. Ganze Horden von Bloggern, Kunden und Hobbylesern urteilen laut einiger Kulturpessimisten über ihre Lieblingsbücher, schildern ungehemmt ihre Emotionen, sympathisieren mit Protagonisten und sprechen Empfehlungen auf der Basis sehr simpler Wertmaßstäbe aus. Nicht lange hat es gedauert, da hat auch die literaturwissenschaftliche Forschung damit begonnen, sich diesen alternativen Arten des Kommunizierens über Literatur zu widmen. Es wurden und (werden immer noch) Fragen in etwa dieser Art gestellt: Wird die Literaturkritik durch Kundenrezensionen&Co. abgelöst? Verliert sie an Qualität? Hat sie an Deutungshoheit eingebüßt? Und ist sie gegenüber User Generated Content überhaupt noch zeitgemäß? Diese Fragen sind zwar sehr wichtig und die Forschung tut auch gut daran, sich mit dem Internet und der Digitalisierung als wesentlichen Einflussfaktoren für die Literaturvermittlung zu beschäftigen – allerdings tut sie das m.E. noch zu undifferenziert. Diesem Defizit soll meine Arbeit nun entgegenwirken: Indem ich eine Analyseinstrumentarium erarbeite, mit dem es möglich sein soll, verschiedene Arten der Kommunikation über Literatur zu untersuchen, möchte ich erstmals einen fundierten Vergleich von Literaturkritiken mit anderen literaturbezogenen Texten anstellen und ergründen, ob tatsächlich Veränderungen in der literarischen Kommunikation stattfinden.

Welche dieser verschiedenen Arten der Kommunikation hältst du für besonders interessant? Und kann sie der konventionellen Feuilletonkritik sogar Konkurrenz machen?
Ich hatte zwar schon vor meiner Praxisphase den Eindruck, dass Social Reading mehr als nur die Manifestation eines flüchtigen Leseenthusiasmus sein könnte, aber nachdem ich mein Praktikum bei der Social Reading Community LovelyBooks gemacht habe, bin

Kolleg

Das DFG-Graduiertenkolleg Literatur und Literaturvermittlung im Zeitalter der Digitalisierung ist einem hochaktuellen Themenfeld gewidmet und fördert Dissertationen, die die thematischen, ästhetischen und ökonomischen Auswirkungen der ‘digitalen Revolution’ auf literarische Texte, Akteure und Institutionen des Literaturbetriebs von den 1980er Jahren bis heute untersuchen. Zugleich setzt das Kolleg ein neuartiges Modell geisteswissenschaftlicher Graduiertenförderung um und ermöglicht seinen Doktorandinnen und Doktoranden außer einer hohen wissenschaftlichen Qualifikation auch Praxiskompetenzen im Bereich der Literaturvermittlung. Weitere Informationen zum Projekt gibt es hier.

 

K. L.

Katharina Lukoschek studierte Literaturwissenschaft, Alte Geschichte und Politikwissenschaft an den Universitäten Erlangen-Nürnberg und Lissabon. Während ihres Studiums hat sie oft im Ausland gearbeitet, u. a. in Brasilien und Australien. Nachdem sie im Februar ihr Praktikum bei LovelyBooks beendet hat, arbeitet sie nun wieder an ihrer Promotion, für Litlog und seit einiger Zeit auch für UNICEF.

 

Buchmesse

Im Rahmen des vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels ausgelobten Ideenwettbewerbs 2014 präsentierten sich das Graduiertenkolleg und Litlog am 11. Oktober 2014 in der Arena Digital im Forum Zukunft auf der Frankfurter Buchmesse (Halle 3.1, K 15). Dabei sollte gezeigt werden, wie Literaturwissenschaft heute aussieht und wie Digitalisierungsprozesse die Literatur aus unserer Sicht verändern.

 
 
ich mir ganz sicher: Das ist eine Form der Kommunikation, die das Feuilleton und der ausschließlich an Hochliteratur orientierte Literaturbetrieb ernstnehmen sollten, wenn sie früher oder später nicht ins Hintertreffen geraten wollen. Beim Social Reading im Internet herrscht ein andauernder Austausch über Bücher, deren Inhalte und buchverwandte Themen; ein wesentliches Merkmal dabei sind Leserunden, bei denen im Schnitt 25 Nutzer über ein Buch diskutieren und nach Ablauf der Leserunde eine Rezension schreiben. Die Genres, aus denen die Bücher stammen, sind so vielfältig wie die Nutzertypen: es gibt Vielleser, Gelegenheitsleser, Genrespezialisten, Liebhaber, Enthusiasten und wer weiß, welche noch… Im Gegensatz zur Literaturkritik, die mit ihrem Gegenstand »Hochliteratur« nur eine vergleichsweise kleine Nische bedient, ist das Social Reading in Leser-Communities so facettenreich, dass es fast für die gesamte Leserschaft interessant ist. Dies ist wiederum ein optimales Marketinginstrument für die Verlage, denn das Gros der Leser erreicht der Buchmarkt über Communities und nicht über Feuilletons. Zugespitzt formuliert: Der tatsächliche Literaturbetrieb findet längst nicht mehr im Feuilleton statt, sondern in der Community.

 
 
 

Wer hat heute noch die Deutungshoheit über Literatur?

 
 
 

Welchen Stellenwert hat die Digitalisierung für dein Promotionsprojekt?
Es ist nicht nur so, dass es ohne die Digitalisierung mein Projekt nicht gäbe, sondern auch gar keine jüngste Auseinandersetzung mit dem Thema »Literaturkritik«. Die letzten Arbeiten dazu sind bis ca. 2007 entstanden. Seitdem ist der Literaturkritikforschung keine wesentliche oder bahnbrechende Arbeit mehr hinzugefügt worden. Was für mein Projekt relevant ist, sind aber mehr die Konsequenzen der Digitalisierung und weniger die Digitalisierung selbst.

Gibt es ein Netzfundstück, das zu deiner Arbeit passt?
Das gibt es in der Tat! Gerade bei der schier unendlichen Anzahl untersuchenswerter Seiten im Internet lohnt es sich bisweilen, einen Schritt zurückzutreten und das große Ganze in den Blick zu nehmen, wenn man Gefahr läuft, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen. Unterstützend kann dabei dies hier wirken:

 

 
 


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 Autor*in:
 Veröffentlicht am 27. April 2015
 Kategorie: Misc., Wissenschaft
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