Mit tränengepresster Stimme grölt Katharina Hacker mit Alix, Anton und die anderen den Midlifeblues der Fortysomethings, die sich mit Tod, Schuld und Enttäuschungen auseinandersetzen – und das auf Repeat. Hinterm Ofen hervor lockt diese midlifekriselnde Leere niemanden, findet Nadja Reusch.
von Nadja Reusch
Als Generationenroman kommt Katharina Hackers Alix, Anton und die anderen daher, und knüpft so an die buchpreisgekrönte Geschichte von den Habenichtsen an. Diesmal sind es jedoch keine Mittdreißiger, sondern ein paar Fortysomethings, die ihr Leben – nun da es halb vorbei ist – einer Neubewertung unterziehen. In Wahlverwandschaft verbunden treffen sich Alix, Jan, Anton und Bernd seit rund 20 Jahren bei Clara und Heinrich zum sonntäglichen Abendessen. Ansonsten spaziert man um den Schlachtensee und denkt bei sich an die Scheidung, für die es zu spät ist, die Kinder, die man nie hatte und an den wundersamen Gleichmut, mit dem man bisher all den unerfüllten Träumen begegnet ist.
Hinterm Ofen hervor lockt das niemanden. Höchstens andere Mittvierziger, die mit dem Klappentext einen Roman versprochen bekommen, der von »ängstlicher Liebe« und »Begierde« erzählt, statt von midlifekriselnder Leere. Oder aber LiteraturwissenschaftlerInnen und Feuilletonisten, die durch die komplikationsreiche Publikationsgeschichte des Romans neugierig gemacht wurden. Kasus Knaxus des Streits zwischen Katharina Hacker und Suhrkamp waren die zwei Spalten, in denen der Text angeordnet ist. Die Autorin bestand auf zwei gleich große Blöcke, so dass die beiden Erzählstränge gleichberechtigt nebeneinander stünden. Der Verlag blieb stur und setzte die eine Spalte letztlich nur in Kommentarbreite.
Hackers Sorge, der eine Erzählstrang würde so marginalisiert, scheint berechtigt. Zu fragen bleibt aber, was die Teilung des Textes überhaupt rechtfertigt. Wenig vergnüglich ist doch die Lektüre, wenn man immer von Spalte zu Spalte springt, Zusammenhänge verliert, vergeblich sucht und schließlich das Gefühl nicht loswird, der ganze Aufwand sei auch noch umsonst. Themen und Perspektiven sind austauschbar. Kunstfertig mutet das an, halbherzig auch. Schwer zu durchschauen allerdings kaum: Der eine Erzählstrang läuft auf einer tieferen Bewusstseinsebene, hier werden Ängste und Schuld eingestanden, Verbotenes wird gedacht. Etwa: »Wir sind übriggeblieben, irgendwie steckengeblieben in unserem Leben. Und es muß beinahe ein Wunder geschehen, damit sich das noch ändert.« So wird die Ploterzählung durch intimes Dunkel ausstaffiert, die Multiperspektivität und Achronologie des Textes noch gesteigert. Retrospektiv wird hier gelebt, es geht um das bigger picture des eigenen Lebens. Fehlt die zweite Spalte einmal und die Seite bleibt fast unbeschrieben, wissen wir: Oha, hier eine Leerstelle.
Figuren und Sprache bleiben dabei zu hülsig, als dass sie einen hielten. Hier verbrennt sich keiner die Finger, man ist wahlweise »hoffnungsvoll gestimmt« oder »schwermütig« und sagt Sätze wie: »Stelle dir nur vor, wie nett es wird, wenn Anton womöglich glücklich ist«. Die wiederkehrenden Motive Tod, Schuld und Enttäuschung werden zudem bis aufs äußerste strapaziert und verlieren so an dramatischem Gewicht. Wenn letztlich auch noch in einem Nebensatz der Großvater an Fischsuppe verendet, liegt darin fast schon unfreiwillige Komik.
Die Rechnung Hackers geht nicht auf. Der Roman flüstert nicht von »ängstlicher Liebe«, sondern grölt den Midlifeblues mit tränengepresster Stimme. Und das auf Repeat.