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Sachbuch
Musenküsse

Über faule Äpfel und nacktes Turnen: KünstlerInnen und ihre bizarren Rituale, sich in kreative Stimmung zu versetzen, zusammengestellt von Mason Currey in seinem englischsprachigen Blog Daily Routines und nun auch im Buchformat und auf deutsch als Musenküsse im Verlag Kein & Aber erhältlich. Theresa Schlote got inspired.

Von Theresa Schlote

Was hat eigentlich Einstein den ganzen Tag gemacht? Und was hat wohl Fitzgerald in seiner Freizeit getrieben? Diese und andere Fragen werden in Mason Curreys Anekdotensammlung Musenküsse. Die täglichen Rituale berühmter Künstler beantwortet.

Die Idee zum Buch entstand, wie Currey im Vorwort erzählt, während eines »inspirierenden Abschweifens«, als er eigentlich einen Artikel hätte schreiben sollen, der schon am nächsten Morgen fällig war. Anstatt zu arbeiten räumte er seinen Schreibtisch auf, kochte sich Kaffee und surfte im Netz. Um sich nicht mehr ganz so schlecht wegen des ewigen Aufschiebens zu fühlen, suchte er nach den Arbeitsgewohnheiten anderer Autoren und noch am selben Nachmittag entstand sein Blog Daily Routines, das zum Vorgänger des Buchs wurde. Darin lässt Mason Currey möglichst alle Personen für sich selbst sprechen, zum Beispiel durch Briefe, Tagebucheinträge oder Interviews.

Buch


Mason Currey
Musenküsse. Die täglichen Rituale berühmter Künstler
Original: Daily Rituals. How Artists Work
Aus dem Amerikanischen von Anna-Christin Kramer
Verlag Kein & Aber, Zürich, 2015
272 Seiten, 16,00 €

 

Biografie


Mason Currey, Arno Frank
Mehr Musenküsse

Aus dem Amerikanischen von Anna-Christin Kramer
Verlag Kein & Aber, Zürich, 2015
249 Seiten, 16,00 €

 
 
Die Sammlung ist unterteilt in 88 Kapitel, in denen jedes die Alltagsstrategie eines Schriftstellers, Komponisten, Malers, Filmemachers oder einer anderen berühmten Person schildert. Jedes dieser Kapitel ist nur ca. eine bis höchstens drei Seiten lang, was das Leseerlebnis angenehm kurzweilig macht. Wird man neugierig und will mehr über eine bestimmte Persönlichkeit erfahren, sind sämtliche Quellen am Ende des Buches angegeben.

Ausschnitte aus dem Leben von Künstlern

Man könnte das kleine Buch als eine Sammlung voller Mini-Biografien betrachten, in denen die alltäglichen Abläufe der Personen während ihres Schaffens beschrieben werden. Bestimmte Rituale, sowohl normale als auch recht merkwürdige, kommen dabei zum Vorschein. So lagerte beispielsweise Friedrich Schiller faule Äpfel in einer Schreibtischschublade, da er der Meinung war, der Geruch des Verfalls helfe ihm beim Schreiben. Charles Dickens »brauchte« diverse Zierelemente auf seinem Tisch: zwei putzige Bronzestatuetten, einmal zwei dicke, sich duellierende Kröten und ein von Welpen umringter Herr, beflügelten den wahrscheinlich größten Romancier des viktorianischen Zeitalters. Kafka dagegen turnte täglich zehn Minuten nackt bei offenem Fenster und bei Beethoven waren für jede Tasse Kaffee genau sechzig Bohnen nötig, die er exakt abzählte.

Auch einige zeitgenössische Künstler kommen zu Wort: »Für mein kreatives Pensum gehe ich unter die Dusche« sagt Woody Allen bereits auf dem Cover der deutschen Ausgabe von Musenküsse. Jede kurzzeitige Veränderung sorgt bei ihm für einen frischen geistigen Energieschub, und wenn es nur das Auf- und Abgehen auf dem Balkon ist. Stephen King schreibt täglich selten weniger als 2000 Wörter, auch an seinem Geburtstag und David Lynch bekommt die meisten Ideen, wenn er sich in einen Zuckerrausch versetzt.

Prokrastination vom Feinsten

Das anfangs erwähnte Aufschieben, das wahrscheinlich die meisten Menschen kennen, war auch unter Künstlern weit verbreitet. Der Philosoph William James, Harvard-Professor und Begründer der Psychologie als Wissenschaft in den USA, erzählte seinen Seminarteilnehmern:

Ich kenne da jemanden, der schürt das Feuer, rückt Stühle gerade, liest Staubkörner auf, organisiert seinen Schreibtisch, schaut in die Zeitung, greift nach jedem Buch, das ihm ins Auge fällt, schneidet sich die Nägel, kurz, verschwendet irgendwie unbedacht den Morgen – und das nur, weil er eigentlich eine mittägliche Unterrichtsstunde in formaler Logik vorbereiten müsste, die er nun mal nicht ausstehen kann.

Für den Mathematiker Paul Erdős , u.a. Namensgeber für die Erdős-Zahl, waren neunzehnstündige Arbeitsschichten keine Seltenheit, dafür konnte er allerdings weder eine Mahlzeit noch Teewasser kochen, da er es schlichtweg nie lernte.

Inspirationen im Taschenformat

Musenküsse ist ein inspirierendes und unterhaltsames Buch, das sowohl motivierend als auch tröstend wirken kann, wenn man mal wieder nicht ganz so viel geschafft hat wie eigentlich geplant. Da die Kapitel in sich abgeschlossen sind, kann man es gut immer mal wieder zur Hand nehmen und etwas darin lesen, ohne zu lange abgelenkt zu sein. Der Autor bringt die interessanten Fakten kurz und gut auf den Punkt und beschränkt sich auf das Schildern von Tatsachen, ohne groß auszuschweifen. Mit dem zweiten Band Mehr Musenküsse, der im Oktober 2015 erschienen ist, wird man sicherlich nicht weniger unterhalten werden.



Metaebene
 Autor*in:
 Veröffentlicht am 30. November 2015
 Kategorie: Belletristik, Misc.
 Muses von Eugenia Loli via Flickr
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