Baz Luhrmanns Verfilmung von F. Scott Fitzgeralds Klassiker Der große Gatsby ist ein glamouröser Film mit hochkarätiger Besetzung und beachtenswerter Musik – bleibt aber am Ende hinter dem Original zurück.
Von Luisa Sennhenn
»Die goldenen Zwanziger Jahre«, »The Roaring Twenties« – das ist: wirtschaftlicher Aufschwung in den Städten und gleichzeitig extreme Armut in den Vororten. F. Scott Fitzgerald liefert uns mit seinem Meisterwerk Der große Gatsby auch heute noch Einblicke in das pompöse und doch so abgründige Leben der Generation, die nach dem Ersten Weltkrieg im Überfluss lebte und glaubte, sich alle Wünsche und Träume erfüllen zu können. Regisseur Baz Luhrmann, der bereits die dramatischen Filmstoffe Romeo & Julia oder Moulin Rouge auf die Leinwand brachte, versucht sich nun auch an dem Werk, das den amerikanischen Traum wie kein anderes verkörpert.
»New York 1922. Das Tempo der Stadt hatte sich stark verändert, die Gebäude waren höher, die Partys waren größer, die Moral war lockerer und der Alkohol billiger, die Rastlosigkeit näherte sich der Hysterie…«
So der fulminante Filmauftakt. Mitten im Trubel der Stadt taucht immer wieder ein Name auf: Jay Gatsby. Doch wer ist der Mann, der die größten und legendärsten Partys in seinem, einem Schloss ähnelndem Zuhause gibt, dabei aber nie präsent zu sein scheint? Die einen sprechen von ihm als Kriegshelden, für andere ist er ein »Oxford- Mann«. Dritte wiederum verneinen alles und bezweifeln gar seine Existenz. Nur einer schafft es, sich dem geheimnisvollen Mann zu nähern, zum Schluss sogar zu seinem engsten Vertrauten zu werden. Nick Carraway ist es, der über seine Erlebnisse in New York nicht länger schweigen kann und uns mit deren Verschriftlichung eintauchen lässt in die wunderbare, aber zugleich auch verdorbene und bedauernswerte Welt des Jay Gatsby. Einem Mann, der sich von Gott zu Höherem berufen fühlt, seine erfolglose Familie verlässt und fortan versucht, sich den Traum vom Leben in besseren Kreisen sowie dem Zusammenleben mit seiner großen Liebe, Daisy, zu erfüllen, letztlich aber genau an diesem Traum scheitert.
Hip Hop trifft auf KlassikBesonders in musikalischer Hinsicht ist es Baz Luhrmann gelungen, den Kontrast zwischen glamourösem Partyleben und verzweifelter Suche nach Anerkennung und Liebe zu untermalen. Fergies »A little party never killed nobody« lässt den Zuschauer Teil der leichtlebigen Überflussgesellschaft werden und auch der Rapper Jay –Z unterstützt mit seinem Song »100$ Bill« glaubhaft den sorglosen Umgang mit Geld. Auch Beyoncé ft. Andre 3000s Neuauflage des Amy Winehouse Songs »Back to Black« gehört ins Hip Hop-Genre.
Die Kluft zwischen arm und reich wird also unter anderem auch durch die Songauswahl repräsentiert. Die gesamte Hip- Hop Szene scheint hier Pate gestanden zu haben, um den Aufstieg vom abgesonderten Wohnviertel zur Glamourwelt zu illustrieren. Fast schon als Hymne des Filmes betiteln lässt sich dann aber ein anderes Lied: Lana del Reys »Young and Beautiful« sorgt für die hollywoodobligatorische Gänsehaut und lässt auch den Zuschauer ein Stück von Daisys Zerrissenheit und Jays unvorstellbarer Liebe spüren.
Hochkaräter in teuren RobenNicht nur die Musikinterpreten übertreffen sich in ihrer Popularität, auch die Schauspieler sind Routiniers auf ihrem Gebiet. Tobey Maguire, der besonders durch seine Hauptrolle im Film Spider Man Ruhm erlangte, spielt Long Islands Neuankömmling Nick Carraway überzeugend zurückhaltend. Einerseits begeistert vom aufregenden Leben der Stadt muss er andererseits mit ansehen, wie einer der Menschen, denen er am meisten Bewunderung schenkt, Jay Gatsby, an der Oberflächlichkeit seiner Cousine Daisy zu Grunde geht. Besonders die überzeugend verkörperte Fassungslosigkeit über die vergangenen Geschehnisse gibt dem Zuschauer zu Beginn des Filmes einen Vorgeschmack auf das folgende Drama.
Kleiden sich diese Stars auch noch mit bunten und pompösen Roben von Miuccia Prada, wird nicht nur der prächtige Lebensstil der 20er Jahre wiedererweckt, sondern auch der heutige Hollywoodglamour verkörpert. Eine aufregend farbenfrohe Verfilmung, die allerdings zu Lasten des eigentlichen Romanstoffs geht.
Enttäuschend verfilmt?Immer wieder entpuppt sich die Verfilmung eines Klassikers als enttäuschend. Doch muss ein Film wirklich die visuelle Kopie des schriftlichen Vorbildes sein? Auch dieser Verfilmung ist es, nach mehreren Versuchen in den vergangenen Jahren, nicht gelungen die Thematik des amerikanischen Traumes, des plötzlichen Aufstiegs und schnellen Falls des Protagonisten Jay Gatsby in den Vordergrund zu stellen. Besonders die gesellschaftlichen Unterschiede sind es, die in F. Scott Fitzgeralds Meisterwerk thematisiert werden.
Die Liebesgeschichte zwischen Daisy und Jay ist dabei lediglich das Mittel zum Zweck, in Hollywood jedoch genau das, was die Kassen klingeln lässt und auch von Zuschauern weltweit favorisiert wird. Natürlich verzichten die patriotischen Amerikaner damit mal wieder auf Kritik an der Vergangenheit des eigenen Landes und hüllen sich in den Glanz der Überflussgesellschaft. So setzt der Film auf bunte Bilder, vielschichtige Musik, hochkarätige Schauspieler und die kommerzielle Absicherung der Liebesgeschichte. Das ist nicht weiter verwerflich, sind es doch genau diese Punkte, die einen Film oscarreif machen können. Die Buchlektüre bleibt jedoch die intellektuell anspruchsvollere Wahl.