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Interview
Surfen mit dem Reimegott

Käptn Peng und die Tentakel von Delphi füllten am 12.Janaur 2014 die Musa bis auf den letzten Platz. Robert Gwisdek, a.k.a Käptn Peng, der Citizen Kane des Sprechgesangs, spricht im Interview mit LitLog-Autor Andre Groß übers Wandern, einsames Schreiben im Gartenhäuschen und seinen Debütroman Der unsichtbare Apfel – und offenbart nebenbei die buntesten Facetten seiner Persönlichkeit(en).

Andre Groß: Deine Texte handeln häufig von einer persönlichen Identitätsfindung. Wie fühlt sich das an, so etwas vor so einem großen Publikum zu vollziehen? Ist das ein komisches Gefühl oder für dich als Schauspieler ganz natürlich?

Robert Gwisdek: Interessanter Punkt. Das ist tatsächlich manchmal merkwürdig, weil es Texte sind, die hauptsächlich in einer ganz anderen Phase meines Lebens geschrieben wurden. Viele sind schon älter. Die haben dann mit der Band und den Videos eine Bühne bekommen. Dadurch verändert sich tatsächlich auch der Zustand, in dem ich bin, ein bisschen. Aber es passt irgendwie zusammen, weil ich, während ich die Texte geschrieben habe, in so eine Erimitenphase gekommen bin und schon wusste, dass ich auf irgendeine Art explodieren muss, sonst drehe ich durch. Ich wusste, dass Energie aus mir raus will und, dass eine Bühne sehr dazu passt.

Also wurden deine Texte nur noch vertont?

Nicht alle. So Sachen wie Oha habe ich in einer anderen Phase geschrieben. Sein Name sei Peng ist dann während des Plattenprozesses entstanden. Es gab ein halbes Jahr, in dem ich etwa 80% der Texte geschrieben habe. Da habe ich eigentlich jeden Tag geschrieben und wusste nicht für welche Songs. Ich habe immer noch sehr viele Texte davon übrig. Das war so eine verrückte Phase, in der ich irgendwie nur noch in Reimen denken wollte, weil das aus den ganzen Rätseln eine Art von logischem Faden gemacht hat. Es hat einen roten Faden durch alles genäht, was ich vorher als unlogisch empfunden habe. Und dann habe ich die Texte in den Songs verwertet und nur ein bisschen verändert.

Du sagst »denken wollen«. Ist das eine ganze bewusste Entscheidung, dass du für dich sagen kannst, ich möchte jetzt so denken?

Das kommt und geht. Man muss es ernten, solange es raus will. Deswegen hatte ich auch keine Lust mehr auf so viele berufliche oder studentische Verpflichtungen. Ich merkte die ganze Zeit, dass etwas raus will, aber irgendetwas behinderte es. Später habe ich mich dann zurückgezogen, um eine Art Kanal dafür offen lassen zu können.

Es hat bei euch alles super geklappt, was nicht selbstverständlich ist. Was hättest du gemacht, wenn es nicht so gekommen wäre?

Mir ist das zum Glück egal. Es ist sehr schön, dass es so abläuft, wie es gerade abläuft, also dass wir uns von der ganzen Musikwelt so extrem unabhängig gemacht haben, unser eigenes Label sind, unsere Videos selbst machen und unsere Platten selbst aufnehmen. Wir bauen so ein bisschen eine Extrawelt und haben uns alles über den Prozess beigebracht. Das ist ein sehr schönes Gefühl. Das kann dir auch keiner mehr nehmen, dass du rausbekommen hast, wie es so ungefähr funktioniert. Das machen in unserer Größe ganz wenige. Und jetzt kann man natürlich machen, was man will. Das Lustigste ist, dass ich weder vorhatte Schauspieler noch Rapper zu werden. Ich wollte mein Leben lang Regisseur werden – Regisseur und Wanderer. Ich wollte die Hälfte meines Lebens alleine sein und durch die Natur wandern. Die andere Hälfte wollte ich gerne Filme machen, weil ich schon immer das Gefühl hatte, meinen Ausdruck in Filmen zu finden; gar nicht als Schauspieler, sondern wirklich als Ausdenkender. Aber das kann vielleicht noch passieren. Ich habe zwei relativ aufwendige Kurzfilme gemacht. Das waren keine Riesenerfolge, aber das ist gerade auch erstmal egal. Auf der Lesereise, die ich bald mit meinem Buch mache, werde ich jeweils einen vorher nicht veröffentlichten Kurzfilm als kleine Premiere zeigen.

Jedes Mal einen neuen?

Jedes Mal den selben, aber den hat davor ja noch keiner gesehen. Und ich möchte mehr Rückwärstvideos machen. Ich glaube, das macht mich sehr glücklich.

So einen habe ich gesehen. Das hat wahrscheinlich ewig gedauert.

Der Autor

Robert Gwisdek, geboren 1984 in Berlin, ist der Sohn des Schauspielers Michael Gwisdek und der Schauspielerin Corinna Harfouch. In seinem früheren Leben war auch er Schauspieler. Heute ist er Autor, Rapper, Regisseur, Eremit und Wanderer.
Sein Debütroman Der unsichtbare Apfel erscheint am 4. März 2014 im Kiepenheuer & Witsch Verlag.

 

Band

Hieß das Projekt ursprünglich noch »Shaban & Käptn Peng«, versammelten sich schnell die Tentakel von Delphi als verlängerter Arm um Shaban (Robert Gwisdeks Bruder Hannes Gwisdek) und den Käptn. Das Merkmal der Band sind die »vom Kuchenblech über einen alten Koffer bis zum abgewetzten Besen« -reichenden, selbsterfunden Instrumente. Ihr findet Käptn Peng & die Tentakel von Delphi auf Facebook und Kreismusik.

 

Lese-Tour

Robert Gwisdek tourt mit seinem Debütroman durch die Bundesrepublik und macht an folgenden Orten halt:

Di, 11.3. Berlin – Volksbühne
Sa, 15.3. Leipzig – Schaubühne Lindenfels (Leipziger Buchmesse)
Do, 20.3. Köln – Litcologne
Di, 1.4. Osnabrück – Lagerhalle
Mi, 2.4. Wiesbaden – Walhalla
Do, 3.4. Karlsruhe – Tollhaus
Fr, 4.4. Zürich – Bundeshaus zu Wiedikon
Mo, 7.4. Wien – Stadtsaal
Di, 8.4. München – Lustspielhaus
Mi, 9.4. Erlangen – E-Werk
Do, 10.4. Dresden – Schauburg
Sa, 12.4. Essen – Zeche Carl
So, 13.4. Hamburg – Ü+G
Sa, 26.4. Magdeburg – Buchfest (Moritzhof)

 
 

Drei Tage. Das war das Schöne. Es hat mich total erfüllt, weil ich wieder so einen Rausch hatte, wie mit den Texten. Dass ich einfach nicht mehr aufhören konnte, mir immer mehr Sache auszudenken und aneinanderzuhängen. Durch das Video zu Der Anfang ist nah habe ich total viel »Rückwärts-Denken« trainiert. Und dadurch war dieser Muskel aktiviert und hat sich immer weiter vorgestellt, was man noch alles machen könnte. Ich warte schon darauf, dass ich endlich wieder ein bisschen Freizeit habe und die Ideen umsetzen kann. Ich will gerne eine Reihe daraus machen.

Würdest du sagen, dass die Figur Peng sich durch den Erfolg verändert hat? Kann sie sich überhaupt verändern, oder ist das einfach diese Figur, die einen gewissen Teil deiner Persönlichkeit repräsentiert und asynchron zu deiner persönlichen Entwicklung ihr Dasein fristet?

Ich glaube, das geht nicht asynchron. Das entwickelt sich schon zusammen. Aber ich glaube, dass die Figur Peng eh nicht so greifbar ist, dass man jetzt sagen könnte: »oh, jetzt ist er aber nicht mehr Peng«. Der ist ja, wie man durch die Videos kennengelernt hat, nicht auf eine Eigenschaft beschränkt – der kleine Lustige oder der ernste Verrückte oder irgendwas. Der gleitet durch die Klischees ohne sich irgendwo festzuhalten.

Du spielst mit verschiedenen Persönlichkeiten und bezeichnest das auch als einen Kampf. Welche deiner Figuren gefällt dir zurzeit am besten?

Es gibt die Zirkusdirektor-Persönlichkeit und die hat sich ganz gut entwickelt. Die kann die anderen ganz gut im Zaum halten und trotzdem auf ihre Bedürfnisse eingehen. Der Zirkusdirektor macht zurzeit einen guten Job, sodass alle an einem Strang ziehen und nicht total durchdrehen.

Nun hast du mit Der unsichtbare Apfel deinen ersten Roman geschrieben. In einem früheren Interview hast du gesagt, dass du bereits einen Roman in der Schublade liegen hast. Ist der das oder hast du einen neuen geschrieben?

Das ist der. Der wurde angeguckt und angenommen. Dann habe ich ihn drei Monate vor meinem letzten Abgabetermin durchgelesen, für scheiße befunden, und komplett neu geschrieben. Und damit bin ich jetzt sehr froh, aber es ist quasi ein Roman, der in drei Monaten irgendwie heraus musste. Aus dem Ursprungsroman sind noch genau drei Seiten drin.

Oft entstehen unter Druck ja die besten Sachen.

Ich bin ein ziemlicher Deadline-Freund geworden. Es war toll, dass der Roman mich so durchgeprügelt hat. Dass ich plötzlich innerhalb von drei Monaten fertig werden musste hat etwas Spezielles in mir ausgelöst, für das ich sehr dankbar bin. Dahingehend hat der Roman mich schon verändert.

Kannst du schon etwas zu dem Inhalt deines Romans sagen, wovon handelt der?

Von nicht sichtbarem Obst.

Der unsichtbare Apfel – Ist das ein ganz freier Titel oder bedeutet er für dich und die Geschichte etwas?

Jein.

Jein?

Das verrate ich nicht.

War die Arbeit an dem Buch für dich ganz anders als sonst an deinen Texten?

Es ist tatsächlich extrem frei. Beim Reimen ist es immer so, dass man einen kleinen Pakt mit dem Reimgott schließt. Man kämpft für den Inhalt, den man ausdrücken will, und der Reimgott diktiert teilweise Abzweigungen, die man nehmen muss oder nicht nehmen kann. Reimen ist fast ein bisschen wie Surfen – man muss die Welle nehmen, wie sie kommt. Man weiß nie genau, wo man raus kommt mit dem Reimen. Man muss sich extrem disziplinieren, um bei seiner Story zu bleiben und lange nachdenken, um Reime zu finden, die elegant dort hinführen. Und beim Schreiben kann man einfach alles machen und man muss keinerlei Kompromisse mit anderen Menschen schließen. Man kann schreiben, was man will. Und das passt zu mir. Ich mag es, alleine zu arbeiten und mich zurückzuziehen. Ich war für den Roman lange in einem Gartenhäuschen. Es war total schön, den ganzen Tag alleine zu schreiben. Das liegt mir, daran habe ich richtig Spaß.

In deinen Songs spielst du oft mit Sprache, indem du Sachen auf absurde Weise umdrehst oder in seltsamen Kontexten verwendest. Hast du dir diesen Spaß an Sprache in deinem Roman bewahrt oder kann man einen »Standardroman« erwarten?

Nein, man kann keinen Standardroman erwarten. Der Roman war für mich selbst eine Entdeckungsreise, weil ich mir, nachdem ich das erste Fünftel geschrieben habe, nichts mehr aktiv ausgedacht habe, sondern einfach ein bisschen, wie in der Ego-Perspektive, da durch gewandert bin und vorher nicht wusste, wo ich herauskomme. Deswegen nimmt der Roman extrem seltsame Wendungen. Ich habe mir nicht ausgedacht, wovon der Roman handelt, sondern wie er sich anfühlen soll. Deswegen sind die ersten fünfzig Seiten ein noch relativ normaler Roman und die restlichen 310 Seiten relativ seltsam.

Sprache vielleicht auch im Sinne eines Schreibstils, den man beispielsweise von Uwe Tellkamp kennt. Der spielt auch auf eine Art und Weise mit Sprache, indem er drei, vier Seiten weder Punkt noch Komma benutzt. Teilweise spannend, aber auch anstrengend.

Ja, ich spiele auch mit Sprache herum. Ich knete ein bisschen.

Wer hat das Buch eigentlich geschrieben? Hat das Robert oder Peng geschrieben?

Das hat eigentlich eine dritte Person geschrieben, aber die möchte gerne Robert Gwisdek genannt werden, weil sie nicht ans Licht will. Es war nicht Käptn Peng, der taucht allerdings auf.

War der Roman etwas, mit dem du dich vordergründig selbst ausdrücken und gar nicht unbedingt ein Publikum bedienen willst oder ist das eine Geschichte, die du den Leuten gerne erzählen möchtest?

Ich glaube, so sehr man sich anstrengt, man kann gar nicht anders, als für sich zu schreiben. Auch wenn man behauptet, man schreibe für andere, spiegelt man eigentlich nur sich selbst. Die anderen sind auch man selbst. Jeder, der sagt, er schreibe etwas, das er sich für andere ausgedacht hat, drückt immer auch etwas über sich selbst aus, ohne dass er es vielleicht mitbekommt.

Danke für das Interview.



Metaebene
 Autor*in:
 Veröffentlicht am 28. Februar 2014
 Kategorie: Misc.
 Bild von David Kreitz
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