Michael Kessler ist vielen vielleicht eher als Günther Jauch aus Switch geläufig. Gerade an der Million vorbeigeschrammt, ist der Comedy-Star aber nicht nur im Fernsehen, sondern derweil sogar in Göttingen zu sehen. Bereits zum zweiten Mal ist er als Regisseur zu Gast am DT und arbeitet zur Zeit an der Inszenierung Der nackte Wahnsinn. Was ein solcher Job bedeutet und wie Michael Kessler diesen erlebt, hat er im persönlichen Interview genauer erläutert.
Von Stefanie Glowinski und Johanna Harms
Geboren wurde Michael Kessler 1967 in Wiesbaden. Er studierte Schauspiel und war danach an verschiedenen Schauspielhäusern in Deutschland und der Schweiz engagiert. Zu großer Bekanntheit gelangte der Comedian durch zahlreiche Film- und Fernsehproduktionen. In Kesslers Expedition fährt er beispielsweise mit einem Rasenmäher auf den Brocken, in der Berliner Nacht-Taxe können sich Leute kostenlos von Michael Kessler im Taxi chauffieren lassen – sofern sie zustimmen, dabei gefilmt zu werden. In Switch und Switch Reloaded imitiert er die verschiedensten Promis, unter anderem auch Günther Jauch. So saß Kessler auch beim diesjährigen Promi-Wer wird Millionär als Günther Jauch dem echten Günther Jauch gegenüber.
Abgesehen davon ist Michael Kessler auch als Autor und Sprecher für Film, Fernsehen und Bühne tätig. Sein Regie-Debüt gab er mit dem Stück Die 39 Stufen in der Spielzeit 2011/12 am Deutschen Theater Göttingen; momentan steckt er mitten in der Stückerarbeitung der Komödie Der nackte Wahnsinn von Michael Frayn. Als Regisseur trägt er die Verantwortung für die künstlerische Gestaltung des Stücks und ist somit neben der Inszenierung zum Beispiel auch in die Gestaltung des Bühnenbildes und der Kostüme involviert.
Das DT, an dem Michael Kessler nun zum zweiten Mal für sechs Wochen beschäftigt ist, ist das größte Sprechtheater in Göttingen. Das Stück Der nackte Wahnsinn feiert am 19. Januar 2013 Premiere im großen Haus des DT.
Johanna Harms: Wie sind Sie darauf gekommen, am DT zu arbeiten?
Michael Kessler: Mark Zurmühle, der Intendant des DT, war Hausregisseur am Theater in Mannheim, als ich dort von 1992 bis 1996 engagiert war. Wir haben relativ viele Stücke miteinander gemacht und haben gut zusammen gearbeitet. Und vor 2 Jahren rief er mich einfach mal an und fragte, ob ich mir vorstellen könnte, ein Stück am DT zu inszenieren.
Es ging um eine Komödie, und da ist es nicht einfach, jemanden zu finden, denn eine Komödie erfordert ein ganz bestimmtes Handwerk, das nicht viele Regisseure beherrschen, und viele interessiert das auch gar nicht.
Ich habe gleich ja gesagt, weil es für mich immer schon ein Traum war, mal zu inszenieren. Es ging damals um Die 39 Stufen, ich kannte das Stück auch schon, und so kam ich nach Göttingen.
J.H.: Was haben Sie als erstes getan, nachdem Sie das Angebot erhielten?
M. K.: Ich habe mich gefreut. Ja, wirklich, weil ich so etwas schon immer mal machen wollte, mich aber nie irgendwo beworben habe geschweige denn einen meiner alten Theaterkontakte angerufen habe nach dem Motto: »Hallo, ich möcht´ jetzt mal inszenieren. Geht das bei dir?« Ich hab stattdessen immer gedacht: »Vielleicht ergibt es sich irgendwann mal«. Und Mark Zurmühle war so schlau, das mal mit mir zu probieren (lacht), ist ja keine doofe Idee.
J.H.: Hat die Tatsache, dass Sie bekannt sind, die Arbeit hier am Theater beeinflusst?
M. K.: Ich denke schon, dass es etwas anderes ist, wenn da so eine Fernsehnase kommt. Schließlich kennen mich alle und wissen auch was ich tue. Ich hoffe immer, dass das eine positive Auswirkung hat. Ich glaube, dass sich die Theaterleute auch gefreut haben.
Schließlich hätte ich ja auch sagen können: »Och nee, nach Göttingen geh ich nicht, sondern nur nach München oder so.« Aber ich habe mir das Theater hier angeguckt, und ich halte es für ein sehr intaktes Theater vom Ensemble, von der ganzen Zusammenarbeit her.
Hier herrscht eine gute Arbeitsatmosphäre und das war für mich entscheidend. Ich habe viel Zeit am Theater verbracht, war da auch oft sehr unglücklich. Deshalb bin ich auch weggegangen vom Theater. Von daher war es für mich klar, dass die Konditionen stimmen müssen, und ich arbeite hier wirklich sehr, sehr gerne mit dem Ensemble.
J.H.: Fiel Ihnen die Umstellung, hinter und nicht auf der Bühne zu stehen, schwer?
M. K.: Lustigerweise gar nicht. Man begleitet das Projekt sechs Wochen lang und dann muss man es loslassen. Man fährt wieder nach Hause und die andern spielen das Stück, stehen jeden Abend auf der Bühne und bekommen den Applaus, aber das macht mir nichts aus. Ich lasse gern los, kann die sechs Wochen, diese intensive Zeit, genießen und dann ist aber auch gut.
J.H.: Worin unterscheidet sich ihre Arbeit als Schauspieler von der als Regisseur?
M. K.: Das ist eine ganz andere Verantwortung. Ich bin jetzt derjenige, der auf jede Frage eine Antwort haben muss, der jedes Problem relativ schnell lösen muss. Ich muss mein Handwerk beherrschen und ich muss eine gewisse Autorität in diesem Prozess sein, aber auch die Schauspieler pflegen, eine gute Atmosphäre schaffen, weil ich das selber wichtig finde. Bei Komik geht es sowieso nicht ohne gute Stimmung! Wenn die Stimmung schlecht ist oder es Probleme gibt, dann ist alles blockiert.
J.H.: Waren Sie mit der Inszenierung von Die 39 Stufen zufrieden?
M. K.: Ja, war ich, es war meine erste richtig große Theaterinszenierung. Sie funktioniert, die Menschen haben Spaß daran, ihnen gefällt´s und das war das Ziel. Wir haben hier mit dem Ensemble eine sehr eigene Version des Stücks geschaffen. Das find´ ich toll, da bin ich stolz drauf.
J.H.: Das Stück soll in erster Linie unterhalten?
Eine Komödie ist dazu da, dass Menschen zwei Stunden abschalten, sich hoffentlich köstlich amüsieren und lachen können. Danach gehen sie wieder heim, sind beglückt und das war’s.
Das ist mit dem Nackten Wahnsinn nicht anders. Der ist besonders lustig, weil er verdammt gut geschrieben ist.
J.H.: Erleben Sie die Inszenierung von Der nackte Wahnsinn als etwas völlig Neues oder erkennen Sie ähnliche Muster im Ablauf?
M. K.: Es gibt schon ähnliche Dinge, weil Timing und Rhythmus bei einer Komödie immer wichtig und entscheidend sind. Es ist ein sehr technisches Proben. In den Rollen gibt es nichts zu diskutieren und zu fühlen wie vielleicht in anderen Stücken. Man muss ein gutes Rhythmusgefühl haben und natürlich einen guten Humor. Ich muss ja im Grunde genommen spüren, worüber die meisten Leute lachen könnten, wenn der Witz so oder so gespielt wird. Und das versuche ich.
J.H.: Was war für Sie der besondere Reiz an der Inszenierung von Der nackte Wahnsinn?
M. K.: Ich dachte schon Die 39 Stufen sind kompliziert, weil sie mit den schnellen Umzügen einen großen logistischen und organisatorischen Aufwand darstellen. Jedoch ist das beim Nackten Wahnsinn noch schlimmer, weil wir acht Türen auf der Bühne haben, noch mehr Requisiten und das Stück wie Mathematik geschrieben ist. Es ist alles in sich logisch, aber diese Logik muss man erstmal durchschauen, um dann zu wissen, wann die Tür aufgeht und wo der Vorhang zugeht und warum wer den Teller wo hinstellt oder wieder mitnimmt. Also das ist schon Wahnsinn, dieses Stück. Und es hat den großen Reiz, dass man es einmal von vorne und einmal von hinten sieht.
J.H.: Hat ihre Arbeit am Theater Sie als Comedian beeinflusst? Oder können Sie das voneinander trennen?
M. K.: Für mich ist es eine Reise zurück zu meinen Wurzeln, die ich aber sehr gerne angetreten habe, weil ich das Theater liebe und ich finde, dass es unendlich viele, tolle Möglichkeiten hat, einen Menschen zu begeistern oder auf eine Reise mitzunehmen. Das Live-Erlebnis unterscheidet sich schon sehr von der Arbeit im Fernsehen. Das ist eine ganz andere Arbeit, aber ich mache gerne verschiedene Dinge, die Mischung macht mir Spaß. Also, dass ich sechs Wochen aussteige und etwas komplett anderes mache und in zwei Monaten wieder drehe und dann schreib ich etwas… das ist im Grunde genommen der Idealfall.
J.H.: Wie erleben Sie Göttingen und das Göttinger Publikum?
M. K.: Es ist eine beschauliche Stadt – ich lebe ja in Köln – es ist ein bisschen kleiner (lacht), insgesamt etwas ruhiger. Es gibt hier ein klassisches Bildungsbürgertum, was bestimmt auch mit der Universität zusammen hängt, es ist auch kritisch, das Publikum, und intellektuell. Jede Stadt hat ihr individuelles Publikum, ihre Energie. Theater zu machen ist heute nicht einfach, egal ob in Göttingen oder in Hamburg oder sonst wo. Die Konkurrenz ist groß und auch das Theater muss sich neu erfinden, deswegen kann man froh sein, dass immer noch Menschen kommen und sich dafür interessieren. Hier kommen viele Studenten, das finde ich super. Die Mischung ist eigentlich ganz gut.
J.H.: Nun noch eine letzte Frage: Was entspricht am ehesten der Länge von 1.000.000 längs aneinandergereihten menschlichen Spermien?
a) Streichholz
b) Computertastatur
c) Porsche 911
d) 50-Meter-Schwimmbahn?
M. K.: Es war das 50-Meter-Schwimmbecken. Leider hat Herr Jauch mir nicht geholfen. Ja, ich wollt´s fast sagen, aber ich hab mich dann nicht getraut. Wenn es für einen guten Zweck ist, muss man die Verantwortung wahren und dann lieber Schluss machen. Aber 500.000 Euro waren ja auch ganz gut. (lachen) Für die Kinder!