In jedem Jahr lädt die Göttinger Graduiertenschule für Geisteswissenschaft zu einer Festveranstaltung ein, dem »Tag der GSGG«. Im November 2010 präsentierten einige Mitglieder ihre Forschungsprojekte – unter ihnen Carola Croll. Ein Gespräch über die Erforschung Yorkshires in der Literatur.
Von Kathrin Winkler und Kim Seifert
Kathrin Winkler: Liebe Carola, du hast gerade bei der Veranstaltung Geisteswissenschaftliche Einblicke der Göttinger Graduiertenschule für Geisteswissenschaft (GSGG) Dein Promotionsprojekt vorgestellt. Könntest Du Titel und Thema Deiner Arbeit noch einmal kurz zusammenfassen?
Carola Croll: Der Titel meines Vortrags lautete »Wo spielt Literatur? Landschaften Yorkshires im Wandel der Zeit«, aber der eigentliche Titel der Arbeit ist »Literary Yorkshire«, und es geht darum, wie Yorkshire in der Literatur im Verlauf der letzten 200 Jahre beschrieben wurde.
Kim Seifert: Wie bist Du auf Dein Thema gekommen und welche Texte verwendest Du?
C.C.: Auslöser war die Lektüre von Barbara Piattis Studie Die Geographie der Literatur, auf die ich während eines Praktikums beim Wallstein-Verlag gestoßen bin. Ich hatte mich in meinem Studium schon mit Landschaftsbildern in Literatur am Beispiel Karl Mays auseinandergesetzt und fand das sehr spannend. Im Gespräch mit meiner Doktormutter Frau Professor Glaser entstand dann die Idee, England, genauer gesagt Yorkshire in den Blick zu nehmen. Ausgangspunkt war dabei der 2001 erschienene Roman The Peppered Moth von Margaret Drabble. Von da aus fallen einem natürlich Klassiker ein wie die Romane der Brontë-Schwestern oder auch James Herriots All Creatures Great and Small (Der Doktor und das liebe Vieh).
K.S.: Wie viele Texte hast Du insgesamt in Deinem Textkorpus für die Arbeit?
C.C.: Ich habe das Korpus chronologisch in fünf Abschnitte untergliedert; für jede Phase untersuche ich einen Haupttext und dann zwei bis drei flankierende Texte.
K.W.: Womit beschäftigst Du Dich momentan?
C.C.: Momentan arbeite ich am romantischen Landschaftsbild, also meiner ersten Phase, und beschäftige mich dabei intensiv mit den Geschwistern Brontë und untersuche die Einflüsse, die zu dem Landschaftsbild in ihren Texten geführt haben. Für die Untersuchung der späteren Autoren wird dann unter anderem zu fragen sein, inwiefern auf das von den Brontës geprägte Landschaftsbild zurückgegriffen wird.
K.S.: Wie gehst Du bei der Analyse des literarischen Raums methodisch vor?
C.C.: Ich habe vor, mit Piattis Referenzmodell zu arbeiten, um zu untersuchen, in welchem Verhältnis der literarische Raum zum Georaum steht. Das wird aber nicht der einzige Ansatz sein, mit dem ich arbeite, denn ich denke, dass nicht nur der ›reale‹ Raum großen Einfluss auf die literarischen Landschaftsbilder hat, sondern etwa auch literarische Vorbilder. So lässt sich beispielsweise insbesondere der Einfluss der Brontës auf spätere Autoren zeigen.
K.W.: Zum Georaum: Woran erkennst Du, dass ein Text offenbar in Yorkshire spielt?
C.C.: Wenn direkt ein Toponym genannt wird, ein Ortsname beispielsweise, ist der Bezug relativ unstrittig. Davon abgesehen hat Yorkshire auch typische Landschaftsmerkmale, die eine Verortung sehr wahrscheinlich machen; so zum Beispiel die moors und dales. Diese Höhenzüge mit ihren Farnen und dem Heidekraut sind zwar wohl nicht einzigartig auf der Welt, aber vor dem Hintergrund anderer Informationen, zum Beispiel biographischen, die einen Bezug zu Yorkshire nahe legen, kann ihre Erwähnung durchaus als Hinweis gelten.
K.S.: Du untersuchst den Einfluss der Brontës auf die Landschaftsdarstellungen späterer Autoren; dient also das Romantik-Bild als Folie für spätere Epochen?
C.C.: Genau. Und dieses Bild wird dann häufig von neuen Entwicklungen durchbrochen oder überlagert, durch so umwälzende Entwicklungen wie die Industrialisierung beispielsweise.
K.W.: Wie werden diese Landschafts(vor)bilder in der Literatur fruchtbar gemacht? Hast Du da schon erste Erkenntnisse?
C.C.: Ja, bei vielen Texten lässt sich anhand der Raumbetrachtung feststellen, dass eine Art Rückblick stattfindet, ein Rückblick auf etwas, das so nicht mehr existiert. Andererseits gibt es aber auch eine konkrete Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Situation. Das kann man in der literarischen Darstellung der Industrialisierung gut beobachten, deren Bewertung sich angesichts einer zerstörten Natur mit der Zeit ins Gegenteil verkehrt. Hier wird in der Landschaftsdarstellung Vergangenes idealisiert, um Gegenwärtiges zu kritisieren.
K.S.: Zum Abschluss: Inwiefern profitierst Du von dem Netzwerk, das Du hier hast an der GSGG? Eine Veranstaltung wie heute beispielsweise, wie wirkt sich das auf Dein Promovieren aus?
C.C.: Es wirkt sich total gut aus. Zum einen trifft man andere Doktoranden, kann Erfahrungen austauschen und nützliche Tipps und Anregungen erhalten. Zum anderen bietet die GSGG kostenfreie Kurse an wie Schreibwerkstätten oder auch einen Vorbereitungskurs auf den Tag heute, auf den Vortrag und die Posterpräsentation. Die Anbindung an die GSGG empfinde ich somit als wirklich sehr hilfreich.