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Zeitlose Alltäglichkeit

Rahel Rami taucht ein in die Welt der Bilderbücher und schreibt für Litlog die erste Kinderbuchrezension. Gegenstand der Betrachtung ist das neue Bilderbuch von Xavier Deneux, das den Titel Mein allererstes Bildwörterbuch trägt. Rahel Rami über den Thomas Mann unter den Bildwörterbüchern.

Von Rahel Rami

Xavier Deneux hat ein neues Bildwörterbuch für Kinder gestaltet, das keine Spülmaschine zeigt, dafür aber Rhinozeros und Nudelsieb. In der gegenwärtigen Bildwörterbuchlandschaft hat ein anstrengender Trend eingesetzt. Espressomaschinen, Handys und andere Gegenstände des modernen Lebens werden den Sprachanfängern zur Benennung vorgelegt und lassen zuweilen eines vermissen: die Lust an der zeitlosen Darstellung der Alltagswelt.

Wenn Lili nicht gerade mit wehendem Schal in ihrem VW-Bus sitzt und durch die weiße Papierlandschaft braust, malt sie ihrer Puppe ein neues Haus oder sammelt in ihrem Rotkäppchencape Pilze im Wald – was man als kleine Hasendame eben so macht. Ihr Kumpel Max füttert die Enten im Teich, spielt Feuerwehr, geht mit seinem Vater Schneewandern und wenn er wütend ist, tritt er Bausteine durch die Gegend, dass es kracht. Aber auch Lili ist auf ihrer Emotionsskala nicht bei »bright & shiny« festgenagelt. Wenn es eben sein muss, dann weint sie Sturzbäche.

Buch-Info


Xavier Deneux
Mein allererstes Bildwörterbuch
Berlin Verlag: Berlin 2011
60 Seiten, 15,90 €

 
 
Die beiden Hasenkinder sind die heimlichen Protagonisten aus Xavier Deneux’ Mein allererstes Bildwörterbuch und führen den Sprachanfänger durch eine kunterbunte Welt der Alltagsgegenstände. Und so viel lässt sich sagen: Dieses Buch ist nachgerade der Thomas Mann unter den Bildwörterbüchern. Mit viel Liebe fürs Detail, ohne überfrachtet zu wirken, werden Szenen eines (Hasen-)Kinderlebens entworfen, die selbst für ästhetisch abgehärtete Begleitbetrachter immer wieder augenbeglückend sind: Lili und Max feiern Geburtstag, schwimmen im Freibad, paddeln über den See, durchleben typische emotionale Zustände, die jedes Kind aus eigener Erfahrung kennt – und wenn der Realitätsgehalt überhandnimmt, unternimmt Max in seiner Rakete einen Ausflug ins All.

Bei aller liebevollen Hinwendung zur Zeitlosigkeit, die Materialität des Buches ist dann doch sehr gegenwartsorientiert, denn es besteht aus sabberresistenter und zum Teil knickfester Pappe, was bei dem Alter der adressierten Betrachter (ca. 18 Monate) bisweilen noch angebracht ist, denn je nach Zahnungszustand, Erkältung oder Hunger gehören auch Sabbern und Knabbern zum aktiven Spracherwerb. Wie schön, dass dieses Buch also beinahe unzerbeiß- und zerreißbar ist, sodass dem altersentsprechenden exzessiven Benennungsbedürfnis (der Verlag sagt im Klappentext etwas von 200 Gegenständen) ausführlich nachgegangen werden kann.



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 Autor*in:
 Veröffentlicht am 3. November 2011
 Kategorie: Misc.
 Cover Ausschnitt aus Xavier Denuex' Mein allererstes Bildwörterbuch. Mit freundlicher Genehmigung vom Berlin Verlag.
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Kommentare
 Oscar Krauß
 12. November 2011, 08:47 Uhr

“Das Spektrum dieses Dialogs reicht von kulturanalytischen Essays über literaturkritische Beiträge und Berichte zum literarischen wie kulturellen Leben, insbesondere in Göttingen, bis hin zu wissenschaftsjournalistischen und genuin wissenschaftlichen Artikeln.”

Und wo genau in diesem Spektrum ist dieser Beitrag anzusiedeln?

Und wann gibt es nun endlich auch einen Rezension von Büchern bspw. für den passionierten Angler über bissfeste Würmer und dergleichen?

 Hanna
 13. November 2011, 11:24 Uhr

-Rotwurm in Aufruhr-

Kinderbuch und das Thema Leseförderung sind genauso Teil der Literatur-. und Kulturwelt wie Coming-of Age- oder Bildungsroman. Das sagt die Wirtschaft und tatsächlich auch die Wissenschaft. Aber ein Buch über Würmer für Litlog zu rezensieren, hätte sicherlich auch seinen Reiz.

 Oscar Krauß
 13. November 2011, 19:11 Uhr

Stimmt, die Begriffe Literatur und Kultur haben beide eine ziemlich weite Auslegung, aber auch engere Auslegungen. Nach der weiten Auslegung ist Kultur alles was nur Menschen – im Gegensatz zu Tieren und Flüssen etc. – hervorbringen oder schaffen. Literatur ist im weiten Sinn jede Art von sprachlichem Erzeugnis. Bilderwörterbücher für Kinder sind eindeutig beides.

Aber ich dachte der folgende Satz würde eine engere Auslegung nahelegen:

“Das Spektrum dieses Dialogs reicht von kulturanalytischen Essays über literaturkritische Beiträge und Berichte zum literarischen wie kulturellen Leben, insbesondere in Göttingen, bis hin zu wissenschaftsjournalistischen und genuin wissenschaftlichen Artikeln.”

Und auch der Ausdruck “Literatur – Kultur – Wissenschaft”. Also Literatur im Sinne von sprachlichen Zeugnissen, die mit einer künstlerischen Intention geschaffen wurden, und Kultur im Sinn von Beschäftigung (oder Umgang) mit menschlichen Erzeugnissen, die mit einer künstlerischen Intention geschaffen wurden. Aber das hab ich dann wohl missverstanden.

Ich würde dann gerne das Göttinger Telefonbuch rezensieren, wenn das erlaubt ist, das ist sowohl Kultur als auch Literatur im weiten Sinn und wenn man eine Statistik über die Häufigkeit der Ausdrücke macht, die darin vorkommen, und die Frage erörtert wie viel Prozent der Göttinger in dem Telefonbuch verzeichnet sind, die einen Telefonanschluss haben, ist es bestimmt auch Wissenschaft:-)

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