Vor drei Jahren berichtete Litlog über zwei junge Männer aus Leipzig, die mit ihrem Album »Hoffnung 3000« im ThOP auftraten. Eigentlich sollten sie im Oktober 2015 mit ihrem neuen Werk »Palmen« nach Göttingen zurückkehren, doch ein tragischer »feliner« Zwischenfall mit schmerzhaften Folgen zwang The Fuck Hornisschen Orchestra (TFHO) zum Aufschub ihrer gesamten Tour. Nun holten sie pflichtschuldig die verschobenen Auftritte nach, etwa Anfang Mai im Göttinger Nörgelbuff.
Theresa Schlote
Mit künstlerischer Verspätung von zwanzig Minuten betrat das ungleiche Duo, bestehend aus Julius Fischer und Christian Meyer, die quietschbunte Bühne und legte los. Die ausgefeilte Bühnendeko passt zum Namen des neuen Albums »Palmen«. Farbenfrohe Girlanden in Form von Ananas und Eiswaffeln an einer bunt blinkenden Lichterkette säumen das Podest und sorgen für Urlaubsfeeling. Diese habe Christian nach eigener Aussage in liebevoller Kleinarbeit »seit 14h selbst gefaltet!«.
Optisch könnten die beiden studierten Germanisten und Historiker unterschiedlicher nicht sein. Während der ruhige Julius in einem unscheinbaren Outfit daher kommt, erinnert Christian in seinem farbenprächtigen Hawaiihemd, mit Nerd-Brille und leicht hyperaktiver Attitüde ein wenig an einen jungen, hipsterartigen Jürgen von der Lippe auf Speed. Mit diesem Gegensatz spielt die Gruppe gern während der gesamten Show, Julius bringt mit seiner leicht gelangweilten, manchmal emotionslosen Art den armen, gefühlsbetonten Christian in Rage.
Gleich zu Anfang sorgen sie für Lacher, indem sie die Namen Dresdner Stadtteile ins Englische übersetzen („Blasewitz – Blowjoke“). Aber dann wird es ernst, die Kabbelei auf der Bühne schaukelt sich hoch zu einem handfesten Krach und in aller Öffentlichkeit scheint sich die Band aufzulösen. Julius zerreißt theatralisch das Werbeposter der Band, zeigt auf die verbliebenen Buchstaben der ersten Hälfte und schlägt Christian vor, er solle von nun an solo als »The Horni Orc« auftreten. Dieser schlägt daraufhin wieder besänftigendere Töne an und gesteht, dass er bald mehr als nur Freund und Bandkollege sein wird. Damit leitet er gekonnt zum Lied »Einfach alles« über, in dem er eine Beziehung mit Julius’ Mutter gesteht. Es folgen Beichten über diverse Affären mit den Verwandten des jeweils anderen und am Ende eine herzzerreißende Aussöhnung. Das Publikum, gemischt von Anfang Zwanzig bis Ende Sechzig, ist durchweg begeistert und verfällt in Lachkrämpfe.
Katzen-Katastrophe und blutige StümpfeDer Grund für den Aufschub der Tour wurde ebenfalls zu einem Lied verarbeitet. In »Don’t blame the cat« erzählt Julius, wie sein Kater Sherlock vom Balkon stürzte und von dem darauf folgenden Tierarztbesuch, bei dem es zur Katastrophe kam: Beim Blut abnehmen biss das verängstigte Tier seinen fürsorglichen Besitzer. Schuld daran war natürlich nicht Sherlock, sondern die unfähige Tiermedizinerin ‒ »blame the vet!« Aufgrund dieser Verletzung, von der noch eine Narbe zu sehen ist, die Julius leidend herumzeigt, mussten dreizehn Konzerte abgesagt werden. Denn nur er ist fähig, die Gitarre zu spielen, ihr einziges Instrument, das kein Kinderinstrument ist. Die Jungs haben es sich nicht nehmen lassen mit dem Slogan »Don’t blame the Cat« Leinentaschen und Turnbeutel bedrucken zu lassen, die sie nach der Show verkaufen.
Auf die Bewerbung dieser Merchandise-Artikel und die Aufforderung zum Kauf folgt das kapitalismuskritische Lied »Geld«, in dessen Verlauf die IBAN ihres Kontos gerappt wird. Immer wieder kommen solche Rap- oder Technoeinlagen in ihren Songs zum Einsatz. Ihre Heimat bzw. Wahlheimat kommt während des Programms nicht immer gut weg, im Song »Sachsen« heißt es neben einigen Lobgesängen auch »Bobritzsch, Mutzschen, Stolpen, Aue oder Zeiz, das sind sächsische Orte, keine Geschlechtskrankheit!« und auch zwischendurch wird öfter auf dem Bundesland rumgehackt: »Wenn man den Fortschritt verpasst, ist man gegen Fortschritt – kennt man in Sachsen sehr gut«.
Freunde des modernen PferderomansWer die Band schon länger kennt, dem ist der Klassiker »Aileen« bekannt, der auf dem Pferderoman »Aileen 1 – Lightnings letzte Hoffnung« basiert. Nun gibt es die Fortsetzung »Aileen 5 – der Verlierer«, worin ein weiteres dramatisches Abenteuer Aileens thematisiert wird. Diesmal geht es um eins von Aileens Lieblingspferden, Aladdin, das jedoch nicht mehr auf Edgardale, der Farm ihrer Eltern, verweilt, sondern inzwischen dem arroganten Peter gehört. Mit einem Trick könnte Aileen dafür sorgen, dass Aladdin nach Edgardale zurückkehren würde, aber das wäre laut TFHO »rein menschlich ein ziemlich krasser Fail«. Wer wissen will, ob Aileen ihren Hengst zurückbekommt, der muss das Buch lesen – oder das Lied hören. Es folgt wieder ein kleines Geplänkel, bei dem Julius versucht, für den leider wenig erfolgreichen Christian eine Frau aufzureißen. Er bedient sich einer geläufigen Redewendung, um eventuell interessierte Damen zu überzeugen. Dummerweise wird diese leicht durcheinander gebracht: »What stays in Göttingen happens in Göttingen – Was in Göttingen steht, passiert in Göttingen«. Leider bleibt der Kuppel-Versuch ohne Erfolg, Christian bleibt wohl vorerst Single.
Nach dem Klassiker »Was tun“« und den neuen Songs »Alles muss nichts kann« über das Älterwerden der Mittdreißiger und »Willkommen«, in dem es gesellschaftskritisch um das wenig ansprechende Gemüt der Deutschen geht, ist das offizielle Programm vorbei. Nach lauten Zugabe-Rufen kehrt das Duo jedoch auf die Bühne zurück und gibt das Lied »Student« zum Besten, ebenfalls vom neuen Album. Die typischen Ersti-Erfahrungen werden darin behandelt und das teils lächerliche Verhalten der Möchtegern-Weltveränderer aufs Korn genommen. Auch das reicht dem begeisterten Publikum noch nicht, und in der zweiten Zugabe wird auf Wunsch der Evergreen »Hope« performt, eine Hommage an die tiefschürfenden Werke des DJ Bobo, inklusive körperlichem Einsatz der Zuschauer. Neben dem klassischen »Scheibenwischer« gehört auch die »Apfelernte« und die »Fallobsternte« zur Choreografie. Danach ist aber endgültig Schluss, und das ist auch in Ordnung, denn Zwerchfell und Lachmuskeln schmerzen schon vor Beanspruchung. Die Auftritte der beiden Chaoten kann man sich bei Youtube ansehen und ihre teils derben, teils wortwitzigen Lieder auf Spotify anhören. Gegen das Live-Erleben kommt das allerdings nicht an. Zu hoffen bleibt, dass The Fuck Hornisschen Orchestra bald auf Göttingens Bühnen zurückkehren.