»Man sieht nichts, wenn man nah dran ist.« Das sei Physik, sagt Felicitas Hoppe. Man brauche Distanz, um zu erkennen. Die Autorin, die 1996 mit Picknick der Friseure literarisch bekannt wurde, las im Literarischen Zentrum aus ihrer fiktiven Autobiographie. Der Moderator Steffen Martus sprach über die allgemeine Irritation, die LeserInnen überkommen mag, wenn sie von dieser Gattung hören. Hoppe konnte tatsächlich Unverstandenes aufklären und neugierig machen auf ihr neues Buch Hoppe.
Von Sjoukje Dabisch
Bei der Vorstellung des Jahresprogramms des Literarischen Zentrums war Hoppes Lesung das größte Interesse entgegengebracht worden. Seitdem sie 2009 die Poetikvorlesung gehalten hat, wird sie in Göttingen mit Freude erwartet. Das Publikum war gespannt auf Autorin, Text und Erklärungen.
Die stark von den Lebensfakten Hoppes abweichende »Autobiographie« beinhaltet Teile, die als Idealvorstellung eines erfüllten Lebens gelesen werden dürfen: kanadisches Eis und sportlicher Erfolg, Liebe, australische Wüsten und Biergärten, musikalisches Talent, New York, Las Vegas, Erfindungen, aber auch Enttäuschungen. Eine Familie mit fünf Kindern in Hameln kommt im Text als Fiktion vor, was allerdings Hoppes realen Familieverhältnissen entspricht. Das kann den Zuhörer verwirren.
Hoppe erklärt sich gleich: Verwirrung war nicht der Antrieb. Es ging um Selbsterfahrung. Etwas tun oder eben schreiben, um zu erfahren, wer man ist. Das Mädchen Hoppe wollte Einzelkind sein und mit einem erfundenen Vater leben, den sie nie sieht, weil er mit Erfindungen beschäftigt ist. Eine Symbiose aus Vertrauen und Freiheit habe sie sich als Kind gewünscht und als Erwachsene geschrieben. Der literarische Selbstversuch nimmt Träume auf. Aber auch in der idealisierten Literatur funktionieren die Dinge manchmal nicht. Trotzdem bleibt sie sie selbst. Ehrlich und aufrichtig, sagt Hoppe.
Am Anfang steht die Leidenschaft. So einfach sei es. Am Ende, nach der distanzierten Suche nach Nähe, im besten Fall Selbsterkenntnis.