Ein wenig Nostalgie, eine verrückte Idee und ein paar Gläser Feuerzangenbowle – mehr braucht es nicht, um den erfolgreichen Literaten Johannes Pfeiffer zusammen mit dem Publikum im Keller des Deutschen Theaters in Göttingen wieder einige Jahre jünger zu machen und ihn als Knaben zurück auf die Schulbank zu schicken.
Von Lena Reiff
Die Feuerzangenbowle, der bekannte Film von 1944 nach dem gleichnamigen Roman von Heinrich Spoerl hat längst Kultstatus erreicht. Insbesondere in der Universitätsstadt Göttingen, in der traditionell bei der berühmt berüchtigten Nikolausparty jedes Jahr wieder der Schwarz-Weiß-Streifen mit Heinz Rühmann gezeigt wird, erfreut sich der Klassiker großer Beliebtheit.
Daher ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass der Keller des Deutschen Theaters gut gefüllt ist. Beinahe unbemerkt betreten die vier Schauspieler die Bühne und beginnen gemütlich von der Feuerzangenbowle zu trinken, als seien auch sie bloß Gäste, die einen unbeschwerten Abend verbringen wollen. Die adretten Herren im Anzug stehen um den Topf mit der Bowle herum, trinken und natürlich wendet sich das Gespräch bald den guten alten Zeiten zu: der Schule, den Lausbuben, den Lehrern und natürlich auch den Streichen, die man den Lehrern gespielt hat.
Johannes Pfeiffer (Andreas Daniel Müller) kann als einziger nicht mitreden: Er hat nie eine richtige Schule besucht. Sein Abitur hat er privat gemacht. »Das schönste Stück Jugend hat er verpasst« meinen seine Freunde. Ein Jammer, dass man so etwas nicht nachholen kann. Kann man nicht? Kann man doch! Ehe Johannes Pfeiffer weiß, wie ihm geschieht, wird er wieder in den Oberprimaner Hans Pfeiffer zurück verwandelt, der noch einmal in eine richtige Schule gehen soll. Die Verwandlung Pfeiffers mutet geradezu komisch an. Der falsche Bart wird ihm aus dem Gesicht gerissen, eine Brille wird ihm auf die Nase und eine Mütze auf den Kopf gesetzt. Und schon ist der Mustermann Pfeiffer wieder zum Lausebengel geworden, dem »Pfeiffer mit 3f«, der im Chor absichtlich schief singt und die Klasse dazu anstiftet, sich im Chemieunterricht betrunken zu stellen.
Etwas zu ernst wirkt Andreas Daniel Müller in der Rolle des Pfeiffers, weshalb man ihm die Streiche und Frechheiten anfangs nicht so richtig abnehmen will. Doch das tut der guten Stimmung keinen Abbruch, nicht zuletzt durch Ronny Thalmeyer, der sowohl als Professor Cray als auch als Lehrer Bömmel und Lehrer Fridolin nicht nur seine Schüler, sondern auch das Publikum erheitert. Mit einer perfekten Imitation der unverwechselbaren Sprechart der Lehrer wie man sie aus dem Film kennt sorgt er für Gelächter und bezieht auch das Publikum immer wieder mit ein. »Ackermann, sö föhren heute das Klassenboch!« befiehlt er als Lehrer Cray und drückt einer verdutzten Frau in der ersten Reihe kurz entschlossen das Klassenbuch in die Hand. Wenig später lässt er als Lehrer Fridolin die Klasse und auch das Publikum »Der Frühling liebt das Flötenspiel…« im Kanon singen. Das Publikum macht begeistert mit.
Das Stück ist in einer gewissen Einfachheit gehalten ohne viel Schickschnack und aufwändige Kulissen. Eine Tafel, zwei Schulbänken und ein Pult und zwischen den Szenen Musik, unter anderem von den Comedian Harmonists – das reicht schon vollkommen, um den Zuschauer gedanklich mit Pfeiffer in die Schule und in eine andere Zeit zu versetzen. Die vielen verschiedenen Rollen werden von nur vier Schauspielern verkörpert. Abgesehen von Andreas Daniel Müller, der durchgehend als Pfeiffer auf der Bühne präsent ist, müssen die anderen Schauspieler alle in 4-5 Rollen schlüpfen, was ihnen bemerkenswert gut gelingt.
Nach fast 70 Jahren begeistert Die Feuerzangenbowle die Menschen noch immer. Das Besondere des Klassikers – der Witz und die unbeschwerte Leichtigkeit – kann die Inszenierung von Nina Pichler gut vermitteln. Das Publikum wird immer wieder eingebunden, indem es direkt angesprochen wird und in dem kleinen Keller des Deutschen Theaters, wo die Übergänge zwischen Zuschauerraum und Bühne beinahe fließend sind, entsteht bei den Zuschauern immer mehr der Eindruck, zu dem Schauspiel dazu zu gehören. Die 70 Minuten vergehen wie im Flug und nach dem Stück kann das Publikum schließlich gedanklich wieder zur eigenen Jugend, der Schulzeit, den Lehrern und den Streichen zurückkehren.