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Denkmal mit Fragezeichen

Am Donnerstagnachmittag enthüllte der Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass ein von ihm entworfenes Denkmal für die Göttinger Sieben auf dem Göttinger Universitätscampus. Die Plastik ist eine Schenkung von Grass und seines Verlegers Gerhard Steidl an die Universität und die Stadt.

Von Sabrina Wagner

Da steht es nun: versetzt hintereinander ein »G« und eine »7«, aus Cortenstahl gefertigt, knapp drei Meter hoch, auf einem Sandsteinsockel, am Platz der Göttinger Sieben, mitten auf dem Universitätscampus zwischen Zentralem Hörsaalgebäude und Staats- und Universitätsbibliothek. So gern würde man sagen: einfach, aber genial. Doch leider will das »Geniale« an diesem Werk nicht aufscheinen. Treffender war wohl Henryk M. Broder, der in der Welt an ein »verunglücktes Euro-Zeichen« dachte. Die Assoziationen können da schnell fehlschlagen. Ist es zu banal, bei »G7« gleich an die zu denken, die 1998 zu den »G8« wurden? Oder läuft der historisch bewanderte Betrachter gar Gefahr, »G7« mit einem deutschen Torpedotyp im Zweiten Weltkrieg in Verbindung zu bringen? Es ist nicht uninteressant, »G7« einmal durch eine Suchmaschine zu jagen. Ob die Skulptur zum »neuen Anziehungspunkt« wird und beim Betrachter schließlich die treffenden Assoziationen weckt, wird sich zeigen.

Doch zum eigentlich gewollten Symbolwert: Ein »längst überfälliges« Denkmal nennt es Oberbürgermeister Wolfgang Meyer in seinem Grußwort, ein fortan »identitätsstiftendes Objekt vieler Fotos in und aus Göttingen« mitten im »pulsierenden Campusleben«. Dort möge es mindestens die nächsten hundert Jahre stehen, schließt Verleger Gerhard Steidl an.

Wie seine Vorrednerin, die Göttinger Universitätspräsidentin Ulrike Beisiegel, betont Meyer die Aktualität des Protestes der Göttinger Sieben 1837 im Sinne des freien und kritischen Denkens, dem sich die Georgia Augusta bis heute verpflichtet sieht. Die sieben Göttinger Professoren, unter ihnen Jacob und Wilhelm Grimm, die gegen die Aussetzung des Staatsgrundgesetzes durch König Ernst August protestierten und in der Konsequenz aus dem Universitätsdienst entlassen wurden, seien noch heute Sinnbild für mutigen Widerstand und »kritisches, waches politisches Interesse« und sollten Vorbild sein, »für die eigenen politischen Überzeugungen einzutreten«.

In diesem Sinne ist Grass ganz in seinem Element, als er das Denkmal mit den für ihn so typischen und altbekannten Worten enthüllt. Ein Denkmal, betont er, müsse gegenwärtig sein, es sei immer soviel wert, »wie es Kraft hat, in die Gegenwart zu strahlen«. Die Gegenwart, das heißt: die gegenwärtige Politik, ist ihm dann wie gewohnt ein Anliegen. Er ruft dazu auf, Fragezeichen zu setzen hinter die Handlungsfähigkeit der aktuellen Regierung, prangert die Erpressung derselben durch die Atomlobby an, den Einfluss der Pharmaindustrie auf eine gescheitere Gesundheitsreform – sieht alles in allem die Demokratie als »beschädigt« an.

Grund genug, das zu tun, was er seit Jahren bei jeder Gelegenheit nicht müde wird zu tun: Er ruft die »junge Generation« auf, es seinem Vorbild als »engagierter Bürger« gleichzutun: »die Demokratie zu stabilisieren«, Partei zu ergreifen und sich politisch einzumischen. Das Denkmal möge den Jungen dazu »ein Ansporn sein«. Applaus erhält er da vor allem von der weniger jungen Generation.



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 Veröffentlicht am 2. Mai 2011
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 2 Kommentare
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Kommentare
 peertrilcke
 2. Mai 2011, 20:30 Uhr

mir scheint, die wahre botschaft dieser stahlinstallation erschliesst sich erst, wenn man das ding gewissermassen oulipotisch dechiffriert. denn: g – das ist eben auch der 7. buchstabe im alphabet; g7 mithin = gg = g(ünter) g(rass). insofern hätte sich der gute (eben auch) selbst ein denkmal gesetzt.
wenn’s denn so wäre, es hätte fast was poetisches. fürchte nur, dass unseren preisträger mult. beim entwurf dieses dings einfach sämtliche dichterischen tugenden, v.a. das gespür für konnotationen, verlassen haben.
aber sei es drum: so vor dem zhg stehend ist es zumindest kein stilbruch –

 cpena
 21. Mai 2011, 15:40 Uhr

Der gute Herr Broder hatte schon immer recht:
“Kaum jemand lag mit seinen Analysen so oft und so gründlich daneben, und kaum jemand wird für sein ständiges Danebengreifen so verehrt wie Grass. Denn er verköprert eine wichtige deutsche Tugend: Standhaftigkeit um ihrer selbst willen.”
– Broder – Kein Krieg, nirgends
Na dann bleibt mal nur zu hoffen, dass sich diese grassile Skulptur dem täglichen Treibem auf dem Zentralcampus gegenüber als standhaft erweist. Zumindest erweckt der an Rost erinnernde Cortenstahl den Eindruck, er hätte schon viele Winter überdauert…

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