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Interview
»Deshalb bin ich hier«

Im Gespräch mit dem ThOP-Gastregisseur und letztjährigen Gewinner des hauseigenen Dramatikerwettbewerbs Amit Esau, verrät der Jungdramatiker, wieso er Göttingen Berlin vorzieht und wie es um sein neues Stück Verlosung der Taubstummen bestellt ist.

Von Beeke Doßenbach und Carola Croll

B. D. + C. C.: Du bist doch eigentlich Autor? Woher nimmst du das Zutrauen, ein mit sechzehn Darstellern doch eher größeres Regieprojekt zu leiten?

A. E.: Ich habe selbst viele Jahre Theater gespielt. Mit zehn Jahren habe ich angefangen, dann gab es einige Unterbrechungen, aber im Grunde habe ich nie damit aufgehört. Inzwischen stehe ich lieber hinter der Bühne als obendrauf. In Berlin habe ich auch schon einiges gemacht, unter anderem im »Theater Eigenreich« und letztes Jahr im »Theaterdiscounter«.

Schreibst du nur fürs Theater oder auch andere Texte?

Ich habe mich auch mal an Prosa versucht, aber das ging ziemlich daneben.

Beim Lesen deiner Stücke denkt man zuerst an absurdes Theater. Siehst du das selbst genauso – und ist das nicht seit vierzig Jahren erledigt?

Der Begriff ‚absurdes Theater‘ passt mir nicht, aber er wird gerne benutzt und die Leute verbinden etwas damit. Theater ist immer absurd, von Anfang an – die Masken und Umschnall-Dildos in der Antike, das Beiseite sprechen und Rollen vertauschen bei Shakespeare, das Tür-auf-Tür-zu-Geknalle in den Boulevard-Komödien, und wenn man heute in Berlin ins »HAU« geht, kann man sehr schöne absurde Performances sehen. Um die Frage, was gerade erledigt ist und was angesagt, kümmere ich mich nicht.

Warum von Berlin ausgerechnet nach Göttingen – normalerweise ist das doch umgekehrt: Hat es in Berlin nicht so geklappt, wie du es dir vorgestellt hast?

In Berlin klappt ja immer irgendwas, dort zu scheitern ist eigentlich unmöglich. Es gibt überall Leute mit Vorhaben und Ideen, die sich suchen und irgendwas machen wollen, da muss man schon ziemlich abgestumpft sein, wenn man nicht weiterkommt. Ich hatte durch den Gewinn des ThOP-Dramatikerpreises die Möglichkeit, hier in Göttingen etwas auszuprobieren, in einem Theater, das es so in Berlin und vielleicht nirgendwo sonst gibt, das hat mich gereizt, deshalb bin ich hier.

Hattest du das Stück Sand eigentlich extra für diesen Wettbewerb geschrieben oder hattest du es schon in der Schublade?

Ich mochte das Thema »Und wovon träumst du nachts«, und weil ich dafür nichts vorrätig hatte, habe ich mich hingesetzt. Außerdem hat mich das enge Korsett gereizt, Thema, Seitenlayout, Seitenzahl, Form und Länge des Einführungstextes, alles bis ins Letzte vorgegeben – und ich hatte durch das Theaterdiscounterprojekt nur zehn Wochen Zeit. Ich fand es ganz gesund, mal wie ein Handwerker zügig und zielgerichtet zu arbeiten, das war eine gute Erfahrung.

Wie hat dir die Inszenierung im ThOP gefallen?

Gefallen wäre falsch, ich war froh wie ein Kind. Das Ganze war so verspielt und detail-verliebt umgesetzt, es entsprach genau der Idee meines Stücks. Und natürlich war vieles anders gemacht, gestrichen, umgestellt, übertrieben, eben so wie es sein muss in einer lebendigen Inszenierung.

Wie kam es dann zum aktuellen Projekt?

Vor allem durch meine Begeisterung für diesen besonderen Raum, diesen alten hölzernen Hörsaal. Man schaut auf das Bühnengeschehen wie in ein Terrarium, alle sitzen ganz dicht dran, oder darüber, besser gesagt – so etwas habe ich in dieser konzentrierten Form noch nirgends gesehen. Ich hatte sofort Lust, ein Stück für diese Bühne zu schreiben, und habe auch gleich mit den ThOP-Leuten darüber gesprochen. Irgendwann fragten sie mich, ob ich das Stück nicht selbst inszenieren möchte, so kam eins zum andern.

Welche Möglichkeiten bietet dir das ThOP?

Theater im OP

Das Theater im OP (ThOP) ist das Universitätstheater der Georg-August-Universität Göttingen, gegründet 1984 von der dramaturgischen Abteilung des Seminars für Deutsche Philologie. Seine Aufgabe ist die Vermittlung theaterpraktischer Kompetenzen. Gespielt wird in einem ehemaligen Schauoperationssaal einer alten chirurgischen Klinik. Die Zuschauer sitzen zu drei Seiten auf Tribünen, das Schauspiel findet in der Saalmitte statt. Mehr? Hier: thop.uni-goettingen.de
 
 
Zuallererst die Möglichkeit, mal was – für meine Verhältnisse – Opulentes zu machen. Wir sind zehn Schauspieler, dazu Tänzerinnen und Musiker. Unsere Choreografin hat am DT gearbeitet – ich arbeite hier, auch im technischen Bereich, mit sehr erfahrenen Leuten zusammen. Die machen hier mit, weil sie Freude daran haben, etwas entstehen zu sehen, auch um noch etwas zu lernen natürlich. Man merkt gleich, dass das Haus schon ein Weilchen da ist, alles ist von beruhigender Größe und gut aufeinander eingespielt. Ein Projekt wie mein jetziges wäre für mich anderswo nicht zu stemmen – und es würde wahrscheinlich das Zehnfache kosten.

Ist es schwierig, sein eigenes Stück zu inszenieren?

Ich kenne es ja nicht anders, ich habe immer nur mein eigenes Zeug gemacht. Gut ist, wenn man die Bühne schon vorher kennt, dann muss man hinterher weniger umschmeißen.

Hat man dadurch besondere Ansprüche? Hast du Bilder im Kopf, die du unbedingt umsetzen möchtest? Fällt es dir schwer, etwas zu streichen oder umzuschreiben?

Nein, im Gegenteil. Was die Ansprüche angeht, lernt man eine Art pragmatische Demut. Ich habe Bilder im Kopf, die ich ausprobieren möchte – zuletzt sieht immer alles anders aus, als in der goldenen Phantasie – dann muss reagiert werden, aber genau darin besteht ja der Reiz. Grundsätzlich schreibe ich mehr, als am Ende gebraucht wird. Manches ist sozusagen direkt zum Streichen geschrieben – dient der Figurenzeichnung, der Raumbeschreibung etc. Was sich auf der Bühne von selbst erklärt, und was gesagt werden muss, hängt von der Regie und den Spielern ab, das kann man am Schreibtisch schlecht wissen.

Wo ist der Unterschied in der Arbeit mit Profischauspielern und Laien?

Für beide gilt, dass sie einerseits begabt, andererseits limitiert sind. Profis haben gelernt, ihre Limits zu kennen und damit elegant umzugehen – sie haben die handwerklichen Mittel, das tägliche Training und packen das, was sie einzig und interessant macht noch obendrauf. Der Reiz an der Arbeit mit Laien ist, die Begabungen zu finden und dann herauszuholen – einen jeden genau da einzusetzen, wo er glänzen kann und ihm alles andere zu ersparen. Es ist dann von Vorteil, wenn man was Eigenes inszeniert – man kann den Spielern den Text auf den Leib schreiben – das macht beim Schreiben Spaß und beim Proben nochmal, falls es funktioniert hat und die Leute aufblühen und loslegen.

Wie viel Zeit hast du in dieses Projekt gesteckt?

Ich habe Ende Februar die endgültige Zusage erhalten, dann ging es los. Da ich die Idee für das Stück schon im Kopf hatte, konnte ich schnell schreiben, drei/vier Wochen hat es gebraucht. Am 12. September ist Premiere – also ein halbes Jahr ungefähr.



Metaebene
 Autor*in:
 Veröffentlicht am 12. September 2013
 Bild von dieraecherin via morguefile
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