Geschichte? – Langweilig! Biographien? – Langweilig! Historische Frauenbiographien? – Doppelt langweilig? Denn welche Faszination sollte das Leben gerade von Frauen im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert schon haben? Die Rollenverteilung zwischen Frauen und Männern scheint immerhin klar zu sein: Während jene sich um Beruf, Politik und Philosophie kümmern und Weltgeschichte schreiben, sind diese für Kinder, Haushalt und Familie zuständig und tauchen in der Weltgeschichte kaum einmal am Rande auf.
Von Elisabeth Müller
Die These der »getrennten Spähren« scheint sich noch zu bestätigen, wenn man einen Blick in die meisten theoretischen Schriften der Zeit wirft. Angefangen bei Rousseau wird den Frauen das Private und Natürliche, den Männern dagegen das Öffentliche und Kultivierte zugeschrieben.
Emanzipation um 1800Diese Zuschreibungen sind sicherlich vor allem auf das entstehende Bürgertum beschränkt. Denn für Adel und Unterschichten galten schon immer andere Regeln als für das Bürgertum. Doch gibt es die »getrennten Sphären« auch im Bürgertum wirklich uneingeschränkt? Der genaue Blick auf einzelne Frauen führt zum Schluss, dass um 1800 die ersten emanzipierten Frauen leben. Sie bilden keine Frauenbewegung, aber jede für sich erkämpfen sie sich Freiräume und Rechte, die später auch von der Frauenbewegung für alle Frauen gefordert werden. Sie haben kein gemeinsames Programm, aber doch das gleiche Ziel: All diese Frauen sind inspiriert von Aufklärung und Französischer Revolution. Sie wollen die Forderungen nach Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit auch für sich selbst, als Frauen, stellen dürfen.
FrauenbildungVon Lateinschule und Universität ausgeschlossen ist es für die Frauen der Zeit schwer, Bildung zu erlangen. Allein durch Lesen eignen sich die Frauen des gebildeten Bürgertums jedoch ungeheueres Wissen an. Sie sind eloquent, kultiviert und an Gesellschaft und Politik interessiert. In Salons und durch europaweite Korrespondenzen verschaffen sie sich Freiräume, in denen sie zu Wort kommen können und ihre Position vertreten. Auch von den Eltern bestimmte Konvenienzehen stellen für diese Frauen keine Option mehr dar: Die Scheidungsrate unter ihnen ist enorm hoch.
Zwang zum Schreiben?Mit dieser selbst gewählten Freiheit entsteht für eine Reihe der Frauen jedoch auch die Not, dass sie – zumindest teilweise – zu ihrem eigenen Lebensunterhalt beitragen müssen. Für bürgerliche Frauen der Zeit ist dies eigentlich unmöglich, gibt es doch keinen einzigen Beruf der ihnen offen steht. Der einzige schickliche Ausweg ist da häufig die Schriftstellerei. Diese findet hinter verschlossenen Türen statt und Bücher können zudem unter schützendem Pseudonym – häufig einem Männernamen – veröffentlicht werden. Zur Schriftstellerin taugen die meisten dieser Frauen auch tatsächlich.
Durch geschicktes Ausnutzen der Freiräume, die ihnen zur Verfügung stehen und das gezielte Übertreten von Grenzen, die ihnen zu eng gesetzt sind, schaffen es bildungsbürgerliche Frauen um 1800 völlig neue Wege zu gehen. Sie lassen sich scheiden, ergreifen einen Beruf und verdienen damit Geld, das sie von Männern unabhängig werden lässt. In einer Zeit, in der das genaue Gegenteil zu vermuten wäre, gibt es eine große Zahl unkonventioneller, frei denkender Frauen, die ihr Leben nicht von anderen einschränken lassen.