Kürzlich erst mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet, erzählt Felicitas Hoppe in ihrem Roman Hoppe die fiktive Geschichte von Felicitas Hoppe. Das Buch ist keine Autobiographie, die sich an Fakten hält, sondern vielmehr die Traumbiographie ihres Alter Egos, in der beschrieben wird, wie ihr bisheriges Leben – mit etwas Phantasie – hätte verlaufen können.
Von Meike Reimann
Den Startpunkt wählt die Autorin noch nahe der bekannten Geschichte: Felicitas Hoppe wurde 1960 in Hameln geboren, doch gleich zu Beginn von Hoppe erklärt die Erzählerin, diese Kindheit in Hameln sei eine Lüge, nichts als »reine Erfindung« und eigentlich verlief alles ganz anders. Den hier aufgetischten Familienverhältnissen zu folgen, gestaltet sich für den Leser aber mitunter schwierig: Ihr Vater, ein Erfinder, ist möglicherweise gar nicht ihr Vater, sondern nur ihr Entführer, die Mutter, eine Klavierlehrerin, stammt aus Breslau. Hoppe verbringt ihre Kindheit mit ihrem Vater in Kanada, wo sie sich als talentierte Eishockeyspielerin erweist, und ganz nebenbei noch den Leuchtpuk erfindet. Auch für das Klavierspielen zeigt Hoppe eine große Begabung. Eine Reise mit dem Containerschiff führt Hoppe und ihren Vater ins australische Adelaide. Hoppe studiert dort Musik und versucht sich als Librettistin und Dirigentin (auch der leuchtende Dirigentenstab gehört zu ihren Erfindungen).
Felicitas Hoppe beschreibt mit viel Humor ihren fiktiven Lebensweg, wenn auch die einzelnen Begebenheiten in Hoppes Leben weniger interessant sind als die Form, in der sie präsentiert werden. Der Roman wird aus der dritten Person erzählt, was eine gewisse Distanz zwischen der Autorin Hoppe und der Romanfigur Hoppe schafft. Zusätzlich schaltet sich eine Erzählerfigur mit dem Kürzel »fh« immer wieder ein und kommentiert das Geschehen. Man könnte meinen, die Verwendung der Erzählerfigur »fh« führe über die Entfernung vom Ich zu einer Annäherung an das Ich von Felicitas Hoppe, letztlich ist sie aber nur ein weiterer Baustein für das Verwirrspiel um die Person/Figur Felicitas Hoppe. So kommt es zu so seltsamen Aussagen wie »Hier seht ihr mich (hier meint fh offenbar sich selbst/fh), aber wo steckt Felicitas?«
Wikipedia hat RechtWer hofft, in Hoppe etwas über das reale Leben der Felicitas Hoppe in Erfahrung zu bringen, wird enttäuscht. Es lassen sich zwar einige Parallelen zwischen dem Leben der realen und der fiktiven Felicitas Hoppe ausmachen, z.B. die Reise auf dem Containerschiff, die Liebe zur Musik oder die Angewohnheit stets und ständig einen Rucksack mit sich herumzutragen, doch letztlich verlaufen die Grenzen zwischen Wahrheit und Fiktion derart unscharf, dass Hoppe keinesfalls als Autobiographie gesehen werden kann. Es ist »nur« ein Roman, und genau das macht das Buch interessant. Es eröffnet der Autorin die Möglichkeit, sich spielerisch mit ihrer Identität und den Grenzen des eigenen Ich auseinanderzusetzen. Außerdem wird die Tradition der biographistischen Interpretation seitens der Literaturkritik parodiert, wenn Hoppe selbst schon die angeblichen Lebensumstände bei der Entstehung ihrer Werke schildert.
So faszinierend das Spiel aus Fiktion und Realität auch sein mag, so muss der Leser am Ende des Romans doch feststellen, dass er zwar viel über die Figur Felicitas Hoppe erfahren hat, die einzig gesicherte Erkenntnis besteht aber nach wie vor in der Wikipedia-Information, die dem Roman vorangestellt ist: »Felicitas Hoppe, *22.12.1960 in Hameln, ist eine deutsche Schriftstellerin.«