Gideon Lewis-Kraus erzählt in seinem Debütroman von Pilgerreisen, bei denen die Freude über unverschlüsseltes W-LAN wichtiger ist als spirituelle Erkenntnisse. Trotz aller Zielstrebigkeit wirkt Die irgendwie richtige Richtung jedoch weitestgehend richtungslos.
Von Silke Fuhrmann
Ein kurzer Besuch in Tallinn. Eine durchzechte Nacht und einige Wochen später die Nachricht: Morgen geht’s los. Was genau? Der Blick ins Notizbuch offenbart die Folgen der ausschweifenden Feierei: Gideon und sein Freund Tom, beide Ende Zwanzig und darin geeint ein Buch schreiben zu wollen, werden den Jakobsweg entlanggehen. Morgen, am 10. Juni beginnt die Pilgerreise, um sich endlich vom »Zwang der grenzenlosen Freiheit zu befreien«.
Mehrfach unterstrichen in den wirren Notizen der verhängnisvollen Nacht, ist das Wort »Zielstrebigkeit«. Dabei ist das eigentlich gar nicht Gideons Stärke. Von San Francisco nach Berlin gezogen, lebt er dort mehr oder weniger in den Tag hinein. Kunstausstellungen, über die er hin und wieder berichtet und der Drang immer dabei sein zu müssen und auf keinen Fall etwas zu verpassen, dominieren sein Leben – ohne Richtung, ohne Ziel.
Was dann folgt, ist jedoch kein Bericht eines Pilgers, der durch den Gang des Jakobswegs einige spirituelle Erfahrungen sammelt. Auch die körperlichen Strapazen, die ein solcher Marsch mit sich bringen kann, lassen sich nur erahnen (Wanderschuhe sollten überraschenderweise wohl doch gut eingelaufen werden, bevor man einige hundert Kilometer geht) und auch die interessanten Leute, die man auf dem Camino de Santiago trifft, verschwinden so schnell wie sie aufgetaucht sind. Wichtiger scheinen in diesem autobiographisch gefärbten Reisebericht die Rundmails an Freunde, Verwandte und sonstige flüchtige Bekannte. Dementsprechend groß ist die Freude bei unverschlüsseltem W-LAN.
Mit Die irgendwie richtige Richtung hat Gideon Lewis-Kraus ein weitestgehend richtungsloses Debüt veröffentlicht. Ganz gleich auf welchen Pilgerweg er sich befindet, die Motivation aus der das Projekt Pilgern entstand, scheint schnell wieder aus den Augen verloren zu sein und so geht es primär darum, die Daheimgeblieben auf dem Laufenden zu halten und sich in die erste existenzielle Krise hineinzusteigern. Durchzogen von philosophischen Phrasen über Freiheit und Verantwortung dehnen sich besonders die ersten beiden Reisen, die sich bezüglich der Beschreibungen von der Landschaft und den Menschen kaum unterscheiden, ins Unermessliche aus. So ist es nicht nur eine Bewährungsprobe für denjenigen, der den Weg auf sich nimmt, sondern auch für den Leser, der ohne die entsprechenden Wegweiser und Reiseführer vermutlich die Orientierung verlieren würde.