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Groß, größer, Faust!

In der aktuellen Spielzeit bringt das Deutsche Theater mit Faust! Der Tragödie erster und zweiter Teil Goethes bekanntestes Theaterstück in einer monumentalen vierstündigen Inszenierung in der Göttinger Lokhalle zur Aufführung.

Von Meike Reimann

Zu Beginn wird ein von der Decke herabhängender Jutesack angestochen und, einer Sanduhr gleich, rieselt Sand zu Boden. Währenddessen begleitet der Zuschauer Faust durch die verschiedenen Phasen seines Lebens und erhält ganz nebenbei eine kleine Führung durch die Lokhalle. Insgesamt sind es vier verschiedene Bühnen in zwei Teilen der Lokhalle, auf denen gespielt wird. Das Publikum ist also immer wieder in Bewegung, das kann nicht schaden an einem solch langen Abend. Zusätzlich werden die Zuschauer in das Spiel miteinbezogen, etwa wenn sie gerade noch an ihrem Pausengetränk nippend sogleich zum Volk im Thronsaal des Kaisers werden.

Mit der Inszenierung von Faust! Der Tragödie erster und zweiter Teil unternimmt Intendant Mark Zurmühle den Versuch, Goethes umfassendes Werk einmal abseits der gewohnten Bühne zu zeigen. Die weitläufigen Räumlichkeiten der Lokhalle mit ihrem industriellen Flair bilden die ideale Spielfläche für das Projekt, lebt das Stück doch von großen Bildern, die auf einer gewöhnlichen Theaterbühne kaum ihre Wirkung entfalten könnten. So bleiben auch vor allem krasse Momente wie ein an den Tribünen festgekettetes, sich windendes Gretchen und immer wieder Feuer- oder Kunstnebeleffekte im Gedächtnis. Die Räumlichkeiten werden sehr gut ausgenutzt und tun ihr Übriges zu dem bombastischen Gesamteindruck.

Die Inszenierung hält sich recht genau an Goethes Vorlage, was im ersten Teil noch keine Probleme bereitet, im zweiten dafür umso mehr: Der erste Teil des Faust ist inhaltlich noch leicht greifbar, selbst wenn die Pflichtlektüre aus der Schulzeit schon etwas länger her sein sollte. Florian Eppinger gibt einen überzeugenden Faust, der sich auf die altbekannte Wette mit Mephistopheles (Meinolf Steiner) einlässt, dass der Teufel seine Seele als Lohn erhalten könne, wenn es diesem gelänge, ihm zu einem glücklichen und erfüllten Leben zu verhelfen. Am Ende des ersten Teils der Tragödie hat es der junge Faust zwar erfolgreich geschafft, das Leben seiner Auserwählten Gretchen (Marie-Kristien Heger) zu ruinieren, er jedoch verspürt keinen Augenblick derartigen Glücks, der ihn dazu brächte zu sagen »Verweile doch, du bist so schön!« und damit die Wette zu verlieren. Bis zur Pause liefert das Ensemble eine gute Vorstellung und versteht es, das Publikum bei Laune zu halten.

Das Stück

von Johann Wolfgang von Goethe
Inszenierung: Mark Zurmühle
Musik: Albrecht Ziepert
Bühne: Eleonore Bircher
Dramaturgie: Lutz Keßler

Premiere:
25.09.2013

 

DT

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Das Deutsche Theater in Göttingen zeigt als größtes Theater der Stadt ein umfangreiches Repertoire auf drei Bühnen. Bereits seit den 1950er Jahren errang das DT unter Leitung des Theaterregisseurs Heinz Hilpert den Ruf einer hervorragenden Bühne. Seit 1999 garantiert Intendant Mark Zurmühle bewährte Theatertradition sowie Innovation.
 
 
Im zweiten Teil dann begleitet der Zuschauer Faust durch sein »Berufsleben« als Schatzmeister, Kriegsherr und schließlich Kaiser, doch tritt die Handlung zurück hinter (zu) große Bilder: Der Text ist oft unverständlich (bisweilen auch durch Probleme der Akustik verursacht) und das Publikum folgt, mittlerweile schon etwas erschöpft durch die zweistündige Aufführung des ersten Teils, zwar bemüht, doch hier und da muss ein Gähnen unterdrückt oder unauffällig auf die Uhr gesehen werden. Als wäre der erste Teil mit seiner Bildgewaltigkeit nicht schon erschlagend genug, fährt Zurmühle im zweiten Teil wieder derart große Geschütze auf, dass der Eindruck entsteht, der zweite Teil der Tragödie habe inhaltlich so wenig zu bieten und sei auch mit seiner Länge nicht mehr zumutbar, sodass es nötig sei, dies mit einer überladenen Ausstattung zu überdecken. Gelingt es den Schauspielern in der ersten Hälfte des Abends trotz der Ausmaße der Hallen präsent zu sein, gerät ihr Spiel in der zweiten Hälfte zunehmend in den Hintergrund.

Die Idee, das Stück mit viel Musik zu untermalen, lockert die Inszenierung auf. Die eigens von Albrecht Ziepert komponierte Musik schafft Atmosphäre und füllt zugleich den großen Raum aus. Ob die an ein Musical erinnernden Gesangseinlagen Gretchens sein müssen, ist wohl Geschmackssache. Insgesamt ist dem gesamten Team der Schauspieler Respekt zu zollen: über vier Stunden ist es mit vollem Körpereinsatz dabei und verausgabt sich bei ekstatischen Tanzeinlagen wie etwa in der Darstellung der Walpurgisnacht auf dem Blocksberg.

Am Ende des Abends ist der Sandsack leer und manch ein Zuschauer mag froh sein, dass das Ende nun erreicht ist. Das Premierenpublikum ehrt die Leistung des Ensembles dennoch brav mit stehenden Ovationen – für eine angeregte Diskussion danach wirken die meisten aber doch zu müde. Ausdauer ist für diese Inszenierung vonnöten (ein doppelter Espresso in der Pause ist zu empfehlen…) oder aber man entscheidet sich dafür, die Aufführung in der Pause zu verlassen. Auch auf die Gefahr hin, dann nicht mitreden zu können, hat man dafür mit dem ersten Teil des Faust einen durchaus kurzweiligen Abend, der nicht im Theaterkoma endet, sondern vielleicht noch animiert, ihn auf andere Weise ausklingen zu lassen.



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 Autor*in:
 Veröffentlicht am 14. Oktober 2013
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 Bild von Thomas Müller mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Theaters Göttingen
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