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Übersetzung im Selbstversuch
Ignoranz des Sprachgefühls

Im Rahmen eines Workshops zur Übersetzbarkeit von Humor an der Universität Göttingen versuchten sich die TeilnehmerInnen an einer deutschen Version der Kurzgeschichte Fuori Servizio des neapolitanischen Autors Gabriele Aprea. LitLog gewährt Einblick in zwei Übersetzungsarbeiten. Den Anfang macht Anja Manthey, die die deutsche Sprache beim Übersetzen auszublenden versucht.

Fuori Servizio (pagine 27-29)zur Übersetzung

Piano terra. Porte aperte. Pavimento della cabina bagnato. Ipotesi b confermata. Fuori il cielo è grigio. Non ho l’ombrello. Rischio. Nel cortile la portiera spazza lenta. Mi saluta »Buongiorno, Dottore« (io sono laureato e faccio il ricercatore) e il tono è: la vita è difficile. Veste di nero, la signora Antonietta. Tre o quattro anni fa le morì un cugino: dieci anni di lutto. Poiché nel frattempo le sono morti il padre, una sorella e due o tre altri cugini, per scontare il lutto di tutti, dovrà campare circa due secoli. Comunque veste alla moda, il nero si porta. Invidio la signora Antonietta. Le invidio il lavoro. Quello di portiere è l’unico lavoro che non ti costringe ad uscire di casa. Apri gli occhi e sei già arrivato, inzuppi i biscotti nel latte ed è come se timbrassi il cartellino. Peli le patate, stiri le camicie, guardi la TV e ti pagano. Se torno a nascere mi iscrivo ad un corso di portiere: voglio la guardiola a Posillipo. Panoramica.

C’è traffico, ma minaccia pioggia. Allora non è il caso di andare a piedi, meglio prendere l’autobus. Pazienza, aspetterò. D’altra parte non ho fretta, l’ho detto, sono un ricercatore. Da sei anni cerco un lavoro. L’ideale sarebbe un portierato. Ma mi va bene anche l’Università.

Ma ora basta. Cambio casa. Non voglio più abitare nell’attico, che mi costringe a salire e scendere otto piani: è un viaggio troppo lungo. Perdo ore ed ore della mia vita. È un lusso che non posso più permettermi. Sto invecchiando.

Non voglio più avere a che fare con l’ascensore. È snervante, perché l’ascensore ha tempi troppo lunghi, pause insostenibili. Non voglio più avere a che fare con la mia famiglia mezza matta. E con una ragazza che ha esaurito tutti i miei desideri. Non voglio più avere a che fare con la portiera nera e con i condomini esaltati.

Ho deciso, vado a vivere in un »basso«. È da un po’ di tempo che mi aggiro tra i vicoli per osservare, scrutare, indagare. Sono giunto alla conclusione che è quella la vita che fa per me. Nei »bassi« c’è gente felice. È gente che non deve salire o scendere scale. Apre la porta ed è già in strada. E quando esce non incontra la signora Antonietta vestita di nero, ma altra gente colorata, a volte leopardata. Non deve partecipare a riunioni di condominio, perché non ci sono condomini.

E poi, niente Famiglie Zampini: sono tutti magri. Niente signore D’Amore: i sacchetti sono belli pieni di rifiuti solidi. Niente idraulici saggi e felici: sono tutti stanchi e silenziosi gli idraulici da quelle parti. E ci abita gente ricca nei bassi. Infatti non deve spendere soldi per l’ascensore e di conseguenza per lo psicanalista. Se non ci credete, andate a chiedere nelle sale d’aspetto degli psicanalisti. Non troverete mai nessuno che vive in un basso. Sono pronto a scommettere. E, soprattutto, niente ascensore. Nessuna luce rossa. Nessuna arrabbiatura e niente dubbi esistenziali, nell’attesa che la cabina si liberi.

E il »basso« me lo affitto a Via Speranzella. Così la mattina se incontro mio nonno e Peppe, vado con loro a vedere se hanno riaperto »la casa delle libertà«. Non andrò più da Giulio. E i soldi che spendo per l’analisi, li passo a Donna Elvira, o chi per essa. Mi fidanzerò con una ragazza del luogo. Una che, per portartela a letto, non ti costringe, come Sandra, a parlare di filosofia e di Popper ma, tutto al più, di Harry Potter e la pietra filosofale.

E finalmente, non vedrò più quel maledetto cartello FUORI SERVIZIO, che a volte me lo sento appeso al collo. La vita mi sorriderà e troverò un lavoro, e quando mia madre mi chiederà, »Mi accompagni da zia Rosa, oggi?«, le potrò rispondere »No, non posso, sono IN SERVIZIO«.

Außer Betrieb (Seite 27-29)zum Original

Erdgeschoss. Offene Türen. Der Boden der Fahrkabine feucht. Hypothese B bestätigt. Draußen ist der Himmel grau. Ich habe keinen Regenschirm. Ich riskier´s. Im Hof fegt gemächlich die Hausmeisterin. Sie begrüßt mich »Guten Tag, Doktor« (ich habe studiert und bin Forscher) mit einem Tonfall, der sagen möchte: Das Leben ist schwer. Sie trägt Schwarz, die Signora Antonietta. Vor drei oder vier Jahren verstarb ein Cousin: zehn Jahre Trauer. Da inzwischen auch der Vater, eine Schwester und zwei oder drei weitere Cousins verstorben sind, müsste sie ungefähr zwei Jahrhunderte überstehen, um die Trauer von allen abzuleisten. Jedenfalls kleidet sie sich modern, Schwarz trägt man. Ich beneide die Signora Antonietta. Ich beneide sie um ihre Arbeit. Die Arbeit des Hausmeisters ist die einzige, bei der man das Haus nicht verlassen muss. Du machst die Augen auf und bist schon da, du tauchst die Kekse in die Milch und es ist so, als ob du einstempeln würdest. Du schälst Kartoffeln, bügelst Hemden, guckst Fernsehen und sie bezahlen dich dafür. Wenn ich wiedergeboren werde, schreibe ich mich in einen Hausmeister-Kurs ein: Ich möchte eine Hausmeisterbutze in Posillipo. Mit Rundblick.

Es ist viel Verkehr, aber es droht zu regnen. Also ist es ungünstig, zu Fuß zu gehen, besser den Bus nehmen. Geduld, ich werde warten. Andererseits habe ich keine Eile, denn wie ich schon sagte, bin ich in der Forschung tätig. Seit sechs Jahren erforsche ich den Arbeitsmarkt nach einer Stelle für mich. Das Beste wäre eine Hausmeisterstelle. Aber mir ist auch eine Uni recht.

Aber jetzt reicht es. Ich ziehe um. Ich will nicht mehr im Dachgeschoss wohnen, wo ich gezwungen werde, acht Stockwerke zu überwinden. Es ist ein zu langer Weg. Ich verliere Stunden meines Lebens. Es ist ein Luxus, den ich mir nicht mehr erlauben kann. Ich werde immer älter.

Ich will nichts mehr mit dem Fahrstuhl zu tun haben. Es ist nervenaufreibend, weil der Aufzug zu lange braucht mit seinen unerträglichen Pausen. Ich will mit meiner fast komplett verrückten Familie nichts mehr zu tun haben. Und mit einer Freundin, die mir all meine Träume genommen hat. Ich will nichts mehr mit der ‘schwarzen’ Hausmeisterin zu tun haben und den völlig überbewerteten Mehrfamilienhäusern.

Ich habe mich entschieden, ich werde im Erdgeschoss wohnen. Seit einiger Zeit schon treibe ich mich zwischen den Gassen herum, um zu beobachten, erforschen, erkunden. Ich bin zu der Schlussfolgerung gekommen, dass jenes das Leben ist, das für mich gemacht ist. Im Erdgeschoss gibt es glückliche Menschen. Das sind Menschen, die keine Treppen überwinden müssen. Sie machen die Tür auf und sind schon auf der Straße. Und wenn sie rausgehen, treffen sie nicht die schwarz gekleidete Signora Antonietta, sondern andere Leute, gekleidet in bunten Farben, manchmal auch wie Leoparden. Sie müssen nicht an Eigentümerversammlungen teilnehmen, weil sie kein Wohneigentum haben.

Und dort gibt es auch keinen Zampini-Clan [übergewichtige Familie aus dem 7. Stock, die den Fahrstuhl überlastet, A.M.]: Dort sind alle schlank. Keine Signora D’Amore [eine Mieterin adliger Abstammung, die nichts in den Müll wirft, sondern alles wiederverwertet, die aber zur Tarnung jeden Tag leere Müllsäcke rausbringt, A.M.]: Die Müllbeutel sind schön voll mit richtigem Abfall. Keine weisen und glücklichen Klempner: Sie sind alle müde und schweigsam, die Klempner an jenem Ort. Und im Erdgeschoss wohnen reiche Leute. Sie müssen nämlich kein Geld für den Lift und infolgedessen für den Psychoanalytiker ausgeben. Wenn ihr es nicht glaubt, fragt doch mal in den Wartezimmern der Psychoanalytiker nach. Ihr werdet niemals jemanden finden, der im Erdgeschoss wohnt. Da wette ich drum! Und vor allem: kein Fahrstuhl. Kein rotes Licht. Kein Ärger und keine Existenzängste während man darauf wartet, dass sich die Kabine öffnet.

Und so eine Wohnung miete ich mir in der Via Speranzella. Dann gehe ich morgens, falls ich sie treffe, mit meinem Opa und Peppe gucken, ob die »Casa della libertà« [der Name des Freudenhauses ist eine Anspielung auf die frühere Partei Berlusconis, A.M.] wiedereröffnet wurde. Ich werde nicht mehr zu Giulio gehen. Und das Geld, das ich für die Analyse ausgebe, das überlasse ich Donna Elvira [Prostituierte aus der Umgebung, die der Protagonist des Öfteren aufsucht, A.M.] oder einer anderen.

Ich werde mich mit einer jungen Frau von hier verloben. Eine, die, wenn du sie ins Bett kriegen willst, dich nicht wie Sandra zwingt, über Philosophie und über Popper zu reden, sondern allerhöchstens über Harry Potter und den Stein der Weisen.

Und letztendlich werde ich nicht mehr dieses verdammte Schild AUßER BETRIEB sehen, bei dem ich mich ab und zu so fühle, als hinge es um meinen Hals. Das Leben wird mir zulächeln und ich werde eine Arbeit finden und wenn mich meine Mutter fragt: »Kommst du heute mit zu Tante Rosa?« werde ich ihr antworten können: »Nein, ich kann nicht, ich bin IM BETRIEB«.

Umgangssprachlich übersetzt

Anja Manthey über den Versuch, die eigenwillige Sprache des Autors zu finden


Besondere Schwierigkeiten bei der Übersetzung ergeben sich vor allem aus den kulturbedingten Unterschieden bei Berufen und Wohnsituationen sowie durch die verschiedenen Wortwitze. So scheint ein Portier in Italien ähnliche Aufgaben zu haben wie der Hausmeister in Deutschland (gemäß den beschriebenen Tätigkeiten der Signora Antonietta), was aber nicht umgekehrt der Fall ist. Das

F.I.T.

Found In Translation ist Name und Programm der von Admira Poçi initiierten Übersetzungsreihe auf LitLog. Verfasst werden Erstübersetzungen fremdsprachiger Autoren ins Deutsche, ergänzt durch textorientierte Überlegungen zur Übersetzungstheorie und sprachlichen (Un)Überwindbarkeiten. Grenzerfahrungsinteressierte melden sich über info@litlog.de

 

Kurs

Der Workshop »Literarisches Übersetzen: Italienisch-Deutsch« wird seit dem Sommerssemester 2012 an der Georg-August-Universität Göttingen unter der Leitung von Dr. Corinna Ott als Übung angeboten. Der Kurs hat sich im letzten Semester mit der Übersetzbarkeit von Humor im Allgemeinen und von Wortspielen im Speziellen beschäftigt. Die Schwierigkeiten wurden beim Übersetzen der humoristischen Kurzgeschichte Fuori Servizio des neapolitanischen Autors Gabriele Aprea (erschienen 2006 bei Centoautori, Villaricca/Neapel) deutlich gemacht.

 

A. M.

Anja Manthey studiert im 5. Semester Spanisch und im 4. Semester Italienisch. Neben dem Studium ist sie als Tutorin der Italienischen Sprachwissenschaft tätig und engagiert sich in einem Buchprojekt, bei dem es darum geht, die Kurzgeschichte Furi Servizio in eine Lerngeschichte umzugestalten.

 

G. A.

Der Neapolitaner Gabriele Aprea, Autor tragikomischer Kurzgeschichten, gewann mit seiner Erzählung Il mio psicoanalista si è suicidato (zu deutsch Mein Psychoanalytiker hat sich umgebracht) den Preis der Gesellschaft für Humorkultur »Movimento Comico« und war 2006 einer der Finalisten für die Auszeichnung mit dem »Premio Massimo Troisi«. Auf seinem Blog führt er eine »ernste Konversation über den Humor oder, alternativ, eine humoristische Konversation über ernste Dinge«.

 
 
lässt sich daraus schließen, dass die Übersetzung von portiero zwar sowohl Portier als auch Hausmeister bedeutet, später aber die Begriffe guardiola und portierato auftauchen, die sich ausschließlich auf den Beruf des Portiers beziehen. In Bezug auf die Wohnungssituationen finden sich in der Kurzgeschichte zwei Wohnungstypen (attico und basso), für die sich nur schwer deutsche Äquivalente finden, da zumindest der eine nur in Neapel zu finden ist.

Eine weitere Herausforderung stellen die Wortspiele dar. Zum einen ging es in der Übersetzung darum, ricercatore und ricercare sinngemäß in Beziehung zu setzen und zum anderen, den Reim von colorata und leopardata aufrecht zu erhalten, obwohl das Deutsche nicht über ein Adjektiv verfügt, das den Leopardenlook beschreibt. Die größte Herausforderung stellte das finale Wortspiel dar, dem durch die Stellung am Textende auch die größte Wichtigkeit zukommt. Im Italienischen bedeutet in servizio nicht nur in Betrieb, sondern auch im Dienst. Es musste also ein deutscher Begriff gefunden werden, der ausdrückt, dass etwas funktioniert und gleichzeitig auf Arbeit ist.

Ungewohnt war ebenfalls der kurze ‘Telegrammstil’, da die Kurzgeschichte ausschließlich Gedanken des Protagonisten enthält. Die Schwierigkeit bestand also darin, sein gutes deutsches Sprachgefühl zu ignorieren und sich ganz auf den eigenwilligen Erzählstil einzulassen. Des Weiteren musste darauf geachtet werden, die verwendete Umgangssprache so natürlich wie möglich ins Deutsche zu übertragen, wodurch es an manchen Stellen notwendig war, ein Wort einzufügen, das nicht im Originaltext vorkam oder völlig auf eine direkte Übersetzung zu verzichten und auf Umschreibungen zurückzugreifen. So zum Beispiel bei der Übersetzung von nell´attesa che la cabina si liberi, wo die Präpositionalphrase nell´attesa mit der Verbalphrase während man darauf wartet ersetzt wurde.

Es hat sich herausgestellt, dass der Übersetzungsprozess einem Spiel mit Sprache bzw. Wörtern gleichkommt. Eine kreative und unterhaltsame Aufgabe waren vor allem die Übersetzungen der Wortspiele. Ferner wurde mir bewusst, dass eine Übersetzung nicht nur sprachliche Herausforderungen birgt, sondern auch kulturelle Unterschiede eine bedeutende Rolle spielen.



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 Autor*in:
 Veröffentlicht am 6. August 2013
 Kategorie: Misc.
 Idee: Lynn van Leewen
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