Den Buchpreis hat Thomas Hettche in diesem Jahr knapp verfehlt, dafür gewann er mit seinem Roman Pfaueninsel den Wilhelm-Raabe-Literaturpreis. Die Geschichte über die Liebe zwischen einer kleinwüchsigen Frau und einem Hofgärtner ist gekonnt erzählt. Aber reicht das, um die Leser zu verzaubern?
Von Christian Dinger
Zwerge und Riesen kommen vor in dieser Geschichte, wundersame Tiere und Pflanzen und eine Königin, die ein magisches Wort ausspricht, das uns durch diese Geschichte begleiten wird. Und doch ist es kein Märchen und es hat auch nichts mit Phantastik zu tun, was wir von dem überzeitlich-allwissenden Erzähler in Thomas Hettches Roman Pfaueninsel berichtet bekommen. Es ist hochrealistisch, was wir über die Pfaueninsel lesen, jene kleine Insel in der Havel bei Potsdam, auf der sich im 19. Jahrhundert Preußens Könige zurückzogen.
Nach den Wirren der Napoleonischen Kriege ließ Friedrich Wilhelm III. allerlei Geschöpfe, die damals als exotisch galten, auf die Insel schaffen: Kängurus, Affen, einen Löwen, aber auch einen Südseeinsulaner, einen großgewachsenen Mann und ein kleinwüchsiges Geschwisterpaar, die als Riesen und Zwerge den Lustgarten bevölkern sollten. Marie, die eine Hälfte des Geschwisterpaars, steht im Zentrum des Romans. »Mit dem Jahrhundert geboren«, wie es heißt, wird sie 1806 gemeinsam mit ihrem Bruder Christian auf die Pfaueninsel gebracht, wo sie als »Schloßfräulein« ihr ganzes Leben verbringen wird.
»Seit 25 Jahren nimmt mich die Kritik als eher theoretischen Autor wahr.«, sagte Hettche 2012 in einem Interview mit der Wochenzeitung DIE ZEIT, »Dabei kreist mein Schreiben seit dem ersten Buch im Innersten um die Frage, wie man einen Leser mit einer Erzählung so gefangen nehmen kann, dass er bezaubert ist.« In Pfaueninsel sind die beiden Hettches versammelt: der poeta doctus, der mit Ideen spielt und sie essayistisch in seinen Roman verwebt und der Zauberkünstler, der die Leserschaft in den Bann seines Erzählens schlagen will. Ob das beides wirklich zusammengeht, lässt sich auch nach der Lektüre des Romans nur schwer beantworten. Es ist ein kluges Buch, ein ästhetisches, ja, auch ein anrührendes Buch. Aber, und das muss angesichts der hymnischen Rezensionen in den großen Feuilletons auch gesagt werden, verzaubern, gefangen nehmen, in den Bann schlagen, wie es Hettche gern möchte, kann dieses Buch dann doch nicht – dafür ist es am Ende zu gefällig, zu konventionell, zu routiniert.