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Händel-Festspiele 2011
Vom Hörensehen

Im Rahmen der internationalen Händel-Festspiele Göttingen 2011 wurde Händels Oratorium Athalia (Fassung von 1733) in der Göttinger Stadthalle aufgeführt. Begleitet wurden die Solisten vom herausragenden NDR Chor und dem FestspielOrchesterGöttingen unter der musikalischen Leitung von Nicolas McGegan. Artikel Nummer drei der Händel-Reihe.

Von Sarah Schädler

Das Oratorium Athalia von Georg Friedrich Händel in drei Akten handelt von dem Untergang der israelischen Königin Athalia, deren Ehemann Joram ein Nachkomme Davids war. Da Athalia dem jüdischen Glauben abgeschworen und sich dem Kult um den heidnischen Gott Baal angeschlossen hatte, versuchte sie die Geburt des Messias zu verhindern, indem sie all ihre Nachkommen ermorden ließ. Nur ihr Enkel Eliakim hat ihren Blutdurst überlebt und ist beschützt vom Hohepriester Joad und seiner Frau Josabeth im Tempel von Jerusalem aufgewachsen. Händels Oratorium begleitet das Ende der tyrannischen Herrschaft Athalias und die Thronbesteigung des rechtmäßigen Königs von Israel. Die Hauptrolle der Königin Athalia sang die international bekannte Sopranistin Isabel Bayrakdarian. Außerdem waren an der Produktion beteiligt: Terry Wey (Joad), Meredith Hall (Josabeth), Thomas Cooley (Mathan), Andrew Foster-Williams (Abner) und Johanna Neß (Joas). Das Konzert wurde von NDR Kultur aufgezeichnet und wird am 2. Oktober 2011 gesendet.

Zum Projekt

Sarah Schädler besuchte für Litlog eine Reihe von Veranstaltungen der Händel-Festspiele 2011 und berichtet in vier Artikeln über ihre Eindrücke. Der nächste Artikel wird sich mit Händel und Medea befassen.

 
 
»Der Mensch sieht auch im Hören«, hieß es in der 30-minütigen Werkseinführung von Prof. Dr. Wolfgang Sandberger, Leiter des Brahms-Institutes an der Musikhochschule Lübeck. Neben einer kurzen Einführung in die Handlung und Entstehungsgeschichte des Oratoriums erhielten die Besucher auch erste musikalische Kostproben vorangegangener Inszenierungen von Händels Athalia. Bei der Planung hätten die Organisatoren gerade dieses Oratorium ausgewählt, da die Handlung auf der Vorlage des französischen Schriftstellers Jean Racine beruhe. Der Universitätsdozent erklärte außerdem, dass sich das Oratorium auch szenisch umsetzen ließe, dies allerdings aufgrund der Klanggewalt des Stückes unnötig wäre. Wie gesagt – zum Sehen brauche man nicht unbedingt die Augen …

Aber hat Prof. Dr. Wolfgang Sandberg damit tatsächlich recht? Und warum sollte man sich heutzutage überhaupt noch eine Vorstellung von Händels Oratorien ansehen? Gerade in einer Universitätsstadt wie Göttingen werden sich viele junge potentielle Besucher gedacht haben: »Ein Konzert von Händel – klingt ja mega spießig! Nee, also klassische Musik ist ja überhaupt nicht mein Ding und da gehen ja eh nur alte Leute hin.« Tja, traurig, aber wahr. Das Durchschnittsalter der Besucher des Oratoriums lag etwa zwischen 50 und 60 – gewollt oder Zufall? Woran liegt es, dass ein Kulturereignis wie die Händel-Festspiele das junge Göttinger Publikum so gut wie gar nicht erreichen kann? Am Preis? Vielleicht. Aber noch eher liegt es wohl am Vorurteil, dass klassische Musik total langweilig sei. Gut zugegeben, wer sich gar nicht für Musik begeistern kann, der hat auch in einem Händel-Oratorium nichts verloren. Wer von sich selbst allerdings behauptet, dass er Musik mag, könnte von einem Werk Händels tatsächlich positiv überrascht werden!

Zuerst dachte ich mir auch, ein Konzert – mhm – na hoffentlich bist du nach der Hälfte nicht eingeschlafen. Als ich dann aber in der Werkseinführung saß, sehe ich neben mir eine Dame mittleren Alters, die ein Abendprogramm in der Hand hält – mit TEXT! Es wird gesungen, ein Lichtblick! Ich gehe also los und besorge mir auch eins. Nächste Erleichterung: Das Original wurde auf Englisch verfasst – mein Italienisch ist nämlich nicht besonders gut. Eine halbe Stunde später sitze ich also auf meinem Platz und der Vorhang geht hoch.

Schon nach den ersten Klängen der Ouvertüre war klar, zum Einschlafen ist das hier ganz bestimmt nicht. Gerade der Chor hat jeden Besucher mit gewaltiger Stimmenpräsenz, begleitet von der Ausdruckskraft der Orchestermusik, gleich in seinen Bann gezogen. Als dann die Solisten auftreten und mit starker schauspielerischer Ausdruckskraft ihre Duette und Arien singen, wirkt das Ganze eher wie die Erzählung einer tragischen Geschichte, nicht unbedingt wie ein typisches Klassikkonzert. Händel lässt seine Zuhörer mithilfe aussagekräftiger Dialoge und emotionsgeladener Musik den Untergang der Athalia hautnah miterleben. Besonders die letzte Arie der Athalia im dritten Teil des Oratoriums wurde vom Publikum begeistert aufgenommen und mit Zwischenapplaus honoriert.

Insgesamt wirkte das Stück viel moderner, als ich erwartet hatte. Das lag sicher zum einen an der englischen Sprache, aber auch an der eindrucksvollen Musik, die die inneren Konflikte und Emotionen der Hauptfiguren noch dramatischer wirken ließ. Als Zuschauer bekam man das Gefühl, selbst Teil der Geschichte zu sein. Man litt und fieberte mit, wie in einem modernen Kinofilm. Es gibt natürlich einen riesengroßen Unterschied! Durch die musikalische Inszenierung wird die Geschichte der Athalia zum Kunstwerk, wofür man sich nicht nur als Liebhaber klassischer Musik begeistern kann.



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 Veröffentlicht am 12. August 2011
 Kategorie: Misc.
 Georg Friedrich Händel. Gemälde von Thomas Hudson (1749). Via Wikimedia Commons.
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